Nordamerika

Alte Leier neu aufgelegt: Krise der US-Demokraten von russischen Kreml-Bots befeuert

Wieder einmal sollen russische Bots im Rahmen einer Einflusskampagne des Kreml die Innenpolitik der USA manipuliert haben. Im jüngsten Fall geht es um die innerparteiliche Krise der Demokraten. Und wieder einmal erweisen sich die Vorwürfe als haltlos.
Alte Leier neu aufgelegt: Krise der US-Demokraten von russischen Kreml-Bots befeuertQuelle: Reuters © Reuters

Die Demokraten in den USA befinden sich in der Krise. Das Parteiestablishment gerät zunehmend unter Druck von links. Schon bei den Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2016 zeugte die große Unterstützung für den linken Kandidaten Bernie Sanders vom wachsenden Misstrauen gegenüber der Parteiführung, die die Vorwahlen zugunsten von Sanders' Rivalin Hillary Clinton manipuliert haben soll

Für den progressiven Parteiflügel personifiziert Clinton Korruption und Intrigen. Sollte sich ein vor Tagen veröffentlichter Bericht von Fox News als wahr erweisen, wonach Clinton derzeit ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 vorbereitet, dann würden die Demokraten erneut vor eine Zerreißprobe gestellt.

Der linke Flügel würde dieses Ansinnen nicht kampflos hinnehmen. Schon jetzt steht er mit dem Parteiestablishment auf Kriegsfuß, das laut jüngst geleakten Informationen progressive Mitglieder gezielt behindert und mobbt.

Einen Etappensieg konnten die Progressiven erst vor knapp drei Wochen für sich verbuchen: Bei den Vorwahlen für die Wahlen zum US-Kongress konnte sich die junge Sozialistin Alexandria Ocasio-Cortez in New York gegen den altgedienten Kongressabgeordneten Joseph Crowley vom Clinton-Flügel durchsetzen.

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Zu allem Überfluss wird der Parteifrieden auch noch von einer neuen Bewegung gestört, die ein enttäuschter Wähler ins Leben gerufen hat. Unter dem Hashtag #WalkAway ("Wende dich ab") ruft der New Yorker Friseur Brandon Straka die Mitglieder dazu auf, ihre Partei zu verlassen.

Bereits 50.000 Menschen unterstützen seinen Aufruf. Doch viele der Unterstützer sind laut einem zu Monatsbeginn erschienenen Bericht der Washington Post gar keine enttäuschten Demokraten, sondern konservative Trump-Anhänger – Straka wies diesen Vorwurf gegenüber RT zurück.

Oops!, ... They did it again: Russische Bots schlagen wieder zu

Nun sieht er sich einem neuen Vorwurf ausgesetzt: Russische Bots sollen seiner Kampagne Flügel verliehen haben. Wirklich unerwartet kommt dieser Vorwurf nicht. Schließlich hatte sich Hillary Clinton bereits innerhalb von 24 Stunden nach ihrer unerwarteten Niederlage gegen Donald Trump dazu entschlossen, Russland dafür die Schuld zu geben.

So hätten russische Hacker E-Mails der Demokraten gestohlen und WikiLeaks zukommen lassen, die Clintons illegitime Mauschelei mit der Parteiführung während der Vorwahlen aufdeckten. Beweise für diesen angeblich russischen Hackerangriff gibt es zwar ebenso wenig wie für Clintons Behauptung, WikiLeaks sei eine Filiale des russischen Geheimdienstes, doch von Fakten lässt sich die Demokratin nicht beirren.

Dasselbe gilt für die traditionell Clinton-freundlichen Medien, die nun wie die Hufftington Post den Kreml für die WalkAway-Kampagne verantwortlich machen. Denn diese gebe nur vor, eine Graswurzelbewegung enttäuschter Demokraten zu sein, tatsächlich stünde der Hashtag #WalkAway jedoch "in Verbindung mit russischen Bots", meint die Zeitung zu wissen.

Die Verbreitung von Tweets durch Bots bedeute "nicht unbedingt, dass Inhalte von mit dem Kreml verbundenen Operateuren erstellt werden". Aber Bots beeinflussten den Nachrichtenverkehr auf Twitter, indem sie ausgewählte Beiträge tausendfach replizierten. Ihr Ziel sei es, die "öffentliche Meinung zu manipulieren".

Das sieht auch das US-Magazin Salon so, das zu der Kampagne schreibt:

Um es klarzustellen: Diese wird nicht durch ehrliche, aber dennoch irregeführte Wähler unterstützt, die sich einst als Demokraten identifizierten. Sie wird eindeutig von Trollen gefördert, die mit russischen Einfluss-Operationen in Verbindung stehen.

Brandon Strake werde entweder als "nützlicher Idiot" instrumentalisiert, oder aber er habe die "verwirrende Entscheidung getroffen, die Partei zu verlassen und damit die Initialzündung für diese Operation gegeben". "Glücklicherweise", so das Magazin weiter, lösche Twitter proaktiv "Millionen von Fake-Accounts, was die Auswirkungen des aktuellen Angriffs Russland verringern könnte".

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Abgesehen davon, dass die Aussage über Millionen gelöschter Accounts mit Verbindungen zu Russland völlig aus der Luft gegriffen ist, sind von den mit Freude zur Kenntnis genommenen Zensurmaßnahmen auch reale Personen in den USA betroffen, die aufgrund ihrer nicht genehmen Meinung einfach als russische Bots eingestuft wurden.

Salon behauptet zudem, die gegenwärtige angebliche russische Einflusskampagne ziele auf die bevorstehenden Midterm-Wahlen in den USA ab und sei eine Neuauflage der Einflussnahme während der Präsidentschaftswahlen 2016. Doch wie sich nach einer Anhörung vor dem US-Kongress herausstellte, gab es damals eine solche russische Einflusskampagne auf Twitter nicht.

"Hamilton 68" fantasiert erneut russische Einflusskampagne herbei

Was die vermeintliche Beeinflussung der WalkAway-Kampagne durch russische Bots betrifft, so berufen sich die Medien auf Angaben von "Hamilton 68". Das vom transatlantischen German Marshall Fund ins Leben gerufene Projekt beleuchtet "russische Propagandabemühungen auf Twitter in Echtzeit". Dazu wertet es 600 "automatisierte" Twitter-Accounts aus, also sogenannte Bots, bei denen es sich um Kreml-Sprachrohre handeln soll.

In den letzten Jahren fungierte "Hamilton 68" als wichtigster medialer Stichwortgeber in Sachen "russische Bots" beziehungsweise "russische Trolls". Zum aktuellen Fall heißt es:

Die #WalkAway-Bewegung (...) bekam diese Woche einen Schub durch Konten, die mit russischen Einflussoperationen verbunden sind. Die erste Verwendung des #WalkAway-Hashtags von Konten, die von Hamilton 68 überwacht werden, wurde Anfang Juni festgestellt (einige Wochen nach Beginn der Kampagne), aber das Engagement fiel während des gesamten Monats relativ gering aus.

Die Aktivität sei dann am 2. Juli gestiegen: 73 einzelne Tweets seien registriert worden, die den Hashtag benutzten; sowie 50 Tweets, die auf verwandte Hashtags wie #walkawaymovement zurückgriffen.

Das späte Engagement deutet darauf hin, dass es sich bei den Konten mit Kreml-Bezug eher um Anhänger als Anführer der Kampagne handelt, aber das hohe Niveau des aktuellen Engagements deutet auf Anstrengungen hin, die Bewegung zu unterstützen und ihr Narrativ zu kapern.

Zudem habe die Kampagne auch "einen direkten Impuls durch die russischen Propagandakanäle RT und Sputnik erhalten, die beide über die Bewegung berichteten".

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Letzteres Zitat zeigt, wie es um den Wahrheitsgehalt der Aussagen von Hamilton 68 bestellt ist. Denn sowohl RT International als auch RT Deutsch haben jeweils nur ein einziges Mal über den Fall berichtet, und zwar am 4. Juli, als dieser schon tagelang ein Thema in großen US-Medien war. Es liegt auf der Hand, dass deren Berichterstattung die Kampagne beflügelt hat und nicht ein einzelner Artikel von RT – Sputnik hat übrigens noch gar nicht über #WalkAway berichtet.

Mitbegründer gesteht: Russische Bots, oder vielleicht auch nicht

Auch die Aussage über die russischen Bots darf man getrost ins Reich der Märchen verweisen. Das sagt niemand anderes als der Mitbegründer von Hamilton 68, Clint Watts. Im Februar gestand er gegenüber BuzzFeed ein, der Narrativ von den russischen Bots sei "übertrieben":

Sie befinden sich nicht alle in Russland. Wir glauben nicht einmal, dass sie alle aus Russland befehligt werden - überhaupt nicht. Wir denken, dass es sich bei einigen um legitime Accounts leidenschaftlicher Menschen handelt, die einfach nur für Russland werben wollen.

"Ich bin nicht überzeugt von dieser Sache mit den Bots", sagte Watts als "einer der Männer, die hinter der Sache mit den russischen Bots stecken", wie BuzzFeed ironisch anmerkte. Das Nachrichtenportal führt aus:

Die Sache ist: Fast jedes Mal, wenn Sie eine Geschichte lesen, in der russische Bots für etwas verantwortlich gemacht werden, können Sie ziemlich sicher sein, dass die Geschichte auf eine einzige Quelle zurückgeführt werden kann - Hamilton 68.

Angesichts des Eingeständnisses von Watts hakte BuzzFeed bei Bret Schafer nach. Die Antwort des Analysten von Hamilton 68 dürfte wohl unter die Kategorie "Realsatire" fallen: 

Wir haben nie eine direkte Verbindung gezogen und gesagt, dass es sich bei den Aktivitäten, die wir auf unserer Webseite zeigen, in irgendeiner Form um eine vom Kreml genehmigte Einfluss-Operation handelt.

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