Gesellschaft

Dunja Hayali: Journalismus, Aktivismus und bezahlte PR für Glückspiel oder Big Pharma gehen zusammen

Die Bedeutung journalistischer Unabhängigkeit wird von Vertretern der Öffentlich-Rechtlichen gern unterstrichen. Wenn deren Journalisten ihre Glaubwürdigkeit aber für Werbezwecke und Lobbytätigkeiten einsetzen, ist das offenbar kein Problem.
Dunja Hayali: Journalismus, Aktivismus und bezahlte PR für Glückspiel oder Big Pharma gehen zusammenQuelle: Reuters

In diesem Jahr verzeichnete der Gaming Summit "außergewöhnliche Nachfrage". Die Besucher der Veranstaltung könnten im Rahmen der geplanten politischen Diskussion um das Spiel die Meinungsbildung selbst live mitverfolgen, freute sich der Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft Georg Stecker. Die Veranstaltung, bei der die Interessen der Spieleindustrie vertreten und an Politik und Öffentlichkeit herangetragen werden, war ausverkauft, die Keynote gab der FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki.

Moderiert wurde der Spielegipfel nicht zum ersten Mal von Dunja Hayali, die in der Öffentlichkeit als ZDF-Moderatorin bekannt ist, die sich immer wieder gesellschaftspolitischen Themen widmet. Noch im Jahr 2007 war Hayali Moderatorin des ZDF-heute-journals, hauptsächlichen neben dem damaligen Hauptmoderator und heutigen Regierungssprecher  Steffen Seibert. Mittlerweile geht es im nach ihr benannten Talkmagazin beispielsweise um "Geschichten mit sozialpolitischem Zündstoff mitten aus dem Leben", wie es auf der Webseite heißt. 

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Im Jahr 2017 erhielt die Moderatorin die "Goldene Kamera" für ihre engagierte Flüchtlingsberichterstattung, ihre Dankesrede richtete sich gegen den Hass im Netz. ZDF-Chefredakteur Peter Frey lobte die Arbeit und die Person Hayali in den höchsten Tönen:

Dunja Hayali hat in den Sommerstaffeln mit Emphase und Haltung gesellschaftspolitische Themen diskutiert, die nah bei den Zuschauerinnen und Zuschauern sind.

Das Format Dunja Hayali mit prominenten Gästen hat seit vergangenem Juli einen festen Sendeplatz. Zudem wurde der erfolgreichen ZDF-Moderatorin das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Hayali präsentiert der Öffentlichkeit immer wieder eine Haltung der moralischen Überlegenheit, wenn sie hart darüber urteilt, was sich geziemt oder wer in der Gesellschaft ihrer Ansicht nach Ethiksünder ist.

In der Aufregung um die temporäre Schließung der Essener Tafel wusste sie in einem ellenlangen Facebook-Eintrag zwar zu berichten, dass "die Bekämpfung von Armut und die Sicherung des Existenzminimums grundsätzlich Aufgabe des Staates und nicht der Zivilgesellschaft" sei.

Dennoch verurteilte sie die vom Chef der Essener Tafel Jörg Sartor ergriffene Maßnahme, angesichts der Vielzahl von Bedürftigen die Tafel vorübergehend für Ausländer zu schließen. Von Hayali musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, er veranstalte "Hunger Games". Der Sturm der Entrüstung traf Sartor von allen Seiten, obwohl er sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hatte.

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Hayali wusste auch in dem Zusammenhang, was richtig und was falsch ist.

Es ist nicht besonders schlau, Deutsche gegen Ausländer auszuspielen. Also Menschen gegen Menschen.

Die Journalistin, die oft im Einklang mit der politisch korrekten Mehrheit kritisiert, ließ offen, was genau schlau wäre, plädierte aber für "bessere Verfahren, einen Ausgleich herzustellen, die auch von vielen anderen Tafeln angewendet werden, wie zum Beispiel Punktesysteme, häufigere Öffnungszeiten, Losverfahren und anderes". Abgeschlossen hat sie den Facebook-Eintrag mit dem Ratschlag: "Anstand und Höflichkeit sind Grundvoraussetzungen für ein gutes Miteinander."

Statt aber den eigenen Anstand - mal abgesehen von öffentlichkeitswirksamen Auftritten auf Seite der moralisch überlegenen Journalistin - mit Taten unter Beweis zu stellen und sich beispielsweise zur von ihr angeratenen Ermöglichung häufigerer Öffnungszeiten bei den Tafeln zur Verfügung zu stellen, zieht Hayali es vor, ihr Moderatorengehalt durch Nebenjobs in umstrittensten Branchen aufzubessern, wie das NDR-Medienmagazin Zapp berichtete.

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Außer der Deutschen Automatenwirtschaft verlieh sie ihr sauberes Image gegen Geld auch an Amazon, BMW, den Deutschen Beamtenbund, die Deutsche Stahlindustrie, den Deutschen Handelskongress sowie den Biotechnologie- und Pharmakonzern Novartis, der unter anderem für diverse Prozesse in die öffentliche Kritik geriet: Novartis zog mehrfach vor Gericht, um beispielsweise Indien daran zu hindern, günstigere, "generische" Versionen von Arzneimitteln herzustellen, obwohl dies "verheerende Auswirkungen auf Millionen von Menschen in Entwicklungsländern haben" könnte. Sogar bei Krebsmedikamenten war es dem Konzern Gerichtsverhandlungen wert, Indien das Recht auf erschwingliche Alternativen abzusprechen (in dem Fall verlor Novartis das Verfahren).

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Doch Hayali sieht darin keinen Interessenskonflikt, wie sie gegenüber Zapp sagte. Auch ihre honorierten Auftritte für sehr umstrittene Großunternehmen zählen scheinbar zu ihrer Vorstellung von Journalismus, Respekt und Fairness:

Solange ich da das tue, was ich sonst auch immer tue auf der Bühne bei jedem Fachkongress, nämlich kritischen Journalismus, unabhängig, fair und respektvoll, den Finger in die Wunde legend, solange sehe ich kein Problem.

Anders sieht es der Medienwissenschaftler Volker Lilienthal, der Hayalis "Journalismusbegriff" kritisiert und ein Problem für ihre journalistische Unabhängigkeit sieht, wenn die Journalistin einmal über diese Unternehmen berichten müsste. Weiterhin gehöre zu gutem Journalismus dazu, dass man Thema und beispielsweise Gesprächspartner selbst wählen könne, wohingegen es in den Auftragsjobs ein "vorgefertigtes Menü" gebe und auch viele andere Komponenten fehlten, um diese Jobs als Journalismus zu verstehen.

Abgesehen von der eher nicht journalistisch gearteten Dienstleistung, dient der Auftritt als nachhaltige PR für umstrittene Firmen und Verbände des Privatsektors.

Hayali zeigte sich überzeugt davon, dass die Branche ihr Schmuddelimage längst hinter sich gelassen habe. Diese Aussage, die wohl dazu dienen sollte, die Kritik an ihren Nebenjobs zu entkräften, macht sich der Verband als Werbung zunutze.

Weiterhin argumentiert die Journalistin, dass die Glücksspielbranche einen "legalen Wirtschaftszweig" betreibe. Dass nicht alles gesellschaftlich förderlich ist, was legal betrieben werden kann, lässt sich an vielen Bereichen, wie beispielsweise der in Europa straffreien Steuervermeidung, auch ohne journalistischen Beruf erkennen.

In einer Studie zu den volkswirtschaftlichen Aspekten des Glücksspielmarkts heißt es:

Auf der einen Seite ist es ein Gut mit negativen externen, das heißt gesellschaftlich unerwünschten Effekten.

Jedoch gebe es in der Bevölkerung ein hohes Bedürfnis danach, sodass eine Regulierung statt eines Verbots gewählt worden sei, nicht zuletzt, weil es dank der hohen Besteuerung eine "relevante Einnahmequelle für die Bundes- und Landeshaushalte zur Finanzierung vorrangig gemeinwohlorientierter Zwecke" darstelle. Auch werde

durch das ausgeprägte soziale und karitative Engagement der staatlichen Glücksspielinstitutionen (…) die gesellschaftliche Akzeptanz weiter erhöht.

Während Hayali selbst noch zu dieser Akzeptanz beiträgt, entstehen in der Glücksspielbranche weiterhin hohe soziale Kosten. Tilman Becker von der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim bezifferte diese in einer der wenigen Studien (2011) zu dem Thema auf 325 Millionen Euro für direkte Folgen wie Suchtbehandlung, Beschaffungskriminalität, Strafverfolgung und indirekte Kosten wie verringerte Arbeitsproduktivität, ganz abgesehen von den persönlichen Folgen der Spielsucht.

Der Sender antwortete auf Anfrage des Magazins, dass Hayali beim ZDF als freie Mitarbeiterin tätig sei, derartige Tätigkeiten aber angeben sollte. Bei der ARD gibt es einen ähnlichen Fall. Die prominente Tagesschau-Sprecherin und Moderatorin Judith Rakers hatte beispielsweise die Eröffnung einer Filiale des Fast-Food-Konzerns McDonald's beworben. Die ARD erkannte darin kein Problem, schließlich hat sie nach der Aufdeckung anderer Skandale wie einem Auftritt bei einer Sektkellerei, mit dem der damalige Tagesthemen-Moderator und WDR-Intendant Tom Buhrow 10.000 Euro nebenher verdiente, eingeführt, dass die freien Mitarbeit dem Sender ihre Tätigkeit melden müssen. Der PR-Wirkung für die spendablen Firmen kann diese Regelung wenig anhaben.

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