Meinung

Mit der Liquidierung von Soleimani stärken die USA die Kräfte, die sie eigentlich schwächen wollen

In den USA wird die Tötung des Kommandeurs der iranischen Al-Quds-Einheit auf dem Flughafen in Bagdad gefeiert. Doch der Tod von Qassem Soleimani und Abu Mahdi al-Muhandis wird Kräfte entfesseln, die Washington nicht zügeln oder kontrollieren kann. Ein Kommentar.
Mit der Liquidierung von Soleimani stärken die USA die Kräfte, die sie eigentlich schwächen wollenQuelle: AFP © Ahmad al-Rubaye

von Zlatko Percinic

Mit der Tötung von Generalmajor Qassem Soleimani, dem langjährigen Kommandeur der Al-Quds-Einheit der Iranischen Revolutionsgarde, haben die USA ein ungeschriebenes Gesetz gebrochen: Es werden keine hochrangigen Personen staatlicher Armeen ausgeschaltet. Damit erklärte das Weiße Haus dem Iran den Krieg und zündete selbst die Lunte an, die das Pulverfass Nahost anzünden könnte. Dabei gab man vor, die Region stabilisieren zu wollen. Wenig hilfreich ist es in diesem Zusammenhang, wenn sich die US-Regierung auf die unilaterale Einstufung der Iranischen Revolutionsgarde als Terrororganisation bezieht, um den Schlag zu rechtfertigen.  

Der Tod von Soleimani und Abu Mahdi al-Muhandis, stellvertretender Leiter der irakischen Volksmobilisierungskräfte (PMF), wird weder die iranische Politik ändern, noch die betreffenden Organisationsstrukturen schwächen. Stattdessen wird dieser Schlag Kräfte entfesseln, die zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht absehbar sind und den Interessen der USA diametral entgegenstehen. 

Die iranische Regierung ließ jegliche diplomatische Etikette aus und machte unmissverständlich klar, dass der Angriff eine "schwere Vergeltung" zur Folge haben wird. Nicht nur haben wird, sondern aus Sicht Teherans auch haben muss. Nur weiß niemand, wo, wann und wie das geschehen wird. Eine unbeabsichtigte Folge wird sein, dass sich im Irak die bisher eher zögernden Kräfte auf die Seite der Gegner der USA stellen werden, die das Sicherheitsabkommen zwischen dem Irak und den Vereinigten Staaten beendet sehen und die US-Truppen aus dem Land haben wollen.

Anhand der Reaktion des im Westen aufgrund seiner rigorosen antiamerikanischen Haltung als "radikalen Geistlichen" bekannten Muqtada as-Sadr kann man erkennen, dass auch er das Momentum erkannt hat und innenpolitisch den Druck auf Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi massiv erhöht. As-Sadr ist überzeugter irakischer Nationalist, der weder die USA noch den Iran im Irak sehen möchte, obwohl er ein Schiit ist. Doch wenn es hart auf hart kommt, dann ist der Hass auf die USA größer und der Iran das kleinere Übel. Er gab den Paramilitärs seiner sogenannten Mahdi-Armee (Dschaisch al-Mahdi) den Befehl, sich auf einen bevorstehenden Krieg vorzubereiten.

Auch die vom Tod ihres stellvertretenden Leiters betroffenen Volksmobilisierungskräfte, eine Dachorganisation zumeist schiitischer Milizen im Irak, riefen zu einer Mobilisierung ihrer Kämpfer auf, um die "USA aus dem Irak zu werfen". 

Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi kann es sich angesichts der Folge von US-Verletzungen irakischer Souveränität nicht mehr länger erlauben, auf Besonnenheit zu plädieren. Als Reaktion auf die Tötung von Soleimani und Al-Muhandis sagte er, dass diese ein "Akt der Aggression" war und zu einem "Krieg im Irak, in der Region und der Welt" führen wird.

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Sollte es die Absicht der US-Führung gewesen sein, die Iranische Revolutionsgarde durch den Tod Soleimanis zu schwächen, dann dürften sie bitter enttäuscht werden. Sie hätten sich die Lektionen Israels zu Herzen nehmen sollen, ihres engsten Verbündeten in der Region, die ebenfalls mit gezielten Tötungen von hochrangigen Vertretern ihrer Feinde die Organisationen schwächen wollten. Doch das Gegenteil ist stets eingetroffen, wie das Beispiel der Hisbollah im Libanon zeigt. 

Als Ende der 1980er-Jahre die Angriffe auf die israelischen Besatzer im Libanon immer mehr zunahmen und tödlicher wurden, entschied man in Israel, den Anführer der Hisbollah zu töten. Abbas al-Musawi, seine Frau und ihr gemeinsamer fünfjähriger Sohn starben am 16. Februar 1992 nach einem Raketenangriff auf ihre Fahrzeugkolonne. Die israelische Führung erhoffte sich, durch den Tod des einflussreichen Klerikers die Organisation zu schwächen. Sie ahnten nicht, dass dessen Nachfolger, Sayyed Hassan Nasrallah, die Hisbollah zur schlagkräftigsten nicht-staatlichen Armee im Staat Libanon aufbauen wird. Einen Monat später folgte schließlich die schreckliche Antwort, als die Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad mit einem Selbstmordanschlag vor der israelischen Botschaft in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires 29 unschuldige Menschen in den Tod riss und 242 weitere Personen verletzte.

Wie auch immer die iranische "Vergeltung" ausfallen wird, eines ist zumindest gewiss: Die USA haben Märtyrer geschaffen, deren Tod sie derart mächtig machen wird, wie sie es zu Lebzeiten niemals hätten werden können. Es wäre wenig überraschend, wenn den sterblichen Überresten Soleimanis im "Museum der Heiligen Verteidigung und Förderung der Kultur des Widerstandes" in Teheran ein Ehrenplatz zugewiesen wird.  

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