Meinung

Abzug von US-Truppen aus Deutschland: Warum eigentlich nicht?

US-Drohungen gegen Deutschland scheinen in den vergangenen zwölf Monaten gefühlt auf der Tagesordnung zu stehen. Die aktuellste Androhung eines Abzugs der US-Truppen soll Ängste schüren, dabei wäre das eine Chance, sich endlich aus Washingtons Schatten zu treten.
Abzug von US-Truppen aus Deutschland: Warum eigentlich nicht?Quelle: AFP © Thomas Lohnes

von Zlatko Percinic

Die Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland sollte nach dem Zweiten Weltkrieg die Auferstehung der deutschen "Bestie" im Keim ersticken. US-Finanzminister Henry Morgenthau Jr. plante noch während der Kampfhandlungen, das Reich in zwei verschiedene Staaten zu trennen und die Industrie zu zerstören sowie einige Millionen Deutsche als Zwangsarbeiter nach Afrika umzusiedeln.  

Der Wunsch der Zweiteilung eines geschrumpften deutschen Reiches sollte nach Kriegsende mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik in Erfüllung gehen. Die Besatzertruppen standen sich nun als unversöhnliche Feinde im Kalten Krieg gegenüber. Das 1949 eigens für diesen Zweck gegründete Militärbündnis NATO sollte genau diese beiden Funktionen übernehmen: aufpassen, dass Deutschland keine Militärmacht wird, und einen Militärblock gegen die Sowjetunion und den späteren Warschauer Pakt bilden. Die Trennlinie zwischen beiden Lagern verlief mitten durch Deutschland.

Allerdings gibt es seit 29 Jahren weder die Sowjetunion noch den Warschauer Pakt noch, auch die sowjetischen Truppen waren nach der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags 1994 aus dem Osten des nunmehr wiedervereinigten Deutschland abgezogen.

In Westdeutschland hat sich aber nichts dergleichen getan. NATO-Truppen – vor allem aus den USA und Großbritannien – hatten nicht vor, die Kasernen zu räumen und sich in ihre Heimatländer zurückzuziehen. Zwar verringerte sich die Zahl an US-Truppen seit 1990 signifikant (von 227.586 auf derzeit etwa 35.000 Soldaten), doch Deutschland spielt für Washington eine wichtige strategische und logistische Rolle als Drehscheibe ihrer Kriege in Afrika und dem Mittleren Osten. Und natürlich auch im Falle einer kriegerischen Eskalation mit Russland.

Und das, obwohl die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken 2014 klarstellte, dass "auf oder von deutschem Boden keine mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbarende Tätigkeit ausgeübt wird". Artikel II des NATO-Truppenstatuts verpflichte die in Deutschland stationierten NATO-Truppen, "das deutsche Recht zu achten". Die unzähligen Kriege der vergangenen 20 Jahre aber haben gezeigt, dass sich weder die USA noch die Bundesregierung selbst an deutsches Recht halten, wie der Fall des Prozesses um Deutschlands Rolle bei US-Drohnenangriffen gezeigt hat.

In der gegenwärtigen Diskussion um die erneut ausgesprochene Drohung seitens der USA, ihre Truppen aus Deutschland abzuziehen, kommen neben Verärgerung über das vermeintliche Ausscheren Berlins von der US-Linie auch die Kosten der US-Streitkräfte zur Sprache. Die Regierung in Washington und ihr Botschafter in Berlin versuchen das Bild zu erwecken, dass die US-amerikanischen Steuerzahler allein die Kosten für die Stationierung in Deutschland tragen. Tatsächlich aber kostet es auch die deutschen Steuerzahler rund eine Milliarde Euro pro Jahr! Dennoch sieht die Bundesregierung keinen Grund, den Aufenthaltsvertrag mit Washington unter Einhaltung der zweijährigen Kündigungsfrist zu beenden. Dazu heißt es weiter in der Bundesdrucksache 18/996:

Die in Deutschland stationierten amerikanischen Streitkräfte leisten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit Europas. Für Deutschland sind die amerikanischen Streitkräfte auch ein wichtiges Bindeglied in den transatlantischen Beziehungen sowie ein bedeutender Wirtschaftsfaktor vor Ort.

Das stimmt sogar. Für viele Kommunen sind die US-Garnisonen wichtige Einnahmequellen und Arbeitgeber, weshalb sie einen Abzug der "Boys" fürchten. Diese Sorgen sind berechtigt, aber auch kurzsichtig. Denn sie behindern einen Strukturwandel, der auch der Umweltbelastung durch den ganzen Militärapparat und die Übungen Rechnung trägt.

Würde US-Präsident Donald Trump tatsächlich einen Großteil der in Deutschland stationierten Truppen abziehen, ersparte er der Bundesregierung die Blöße durch eine Aufkündigung des Aufenthaltsvertrags, die vielleicht eines Tages erfolgen könnte. Zudem könnte Berlin endlich aus dem Schatten Washingtons treten und sich auch politisch emanzipieren. Diese Emanzipation hätte enormen Einfluss auf die Innenpolitik, da ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung der Meinung ist, dass Berlin zu sehr nach der Pfeife Washingtons tanzt.

Es ist eher unwahrscheinlich, dass deswegen tatsächlich ein tiefer Riss durch die transatlantischen Beziehungen gehen würde. Immerhin bleibt Deutschland Teil der NATO-Allianz und beherbergt wichtige NATO-Zentren – und baut neue –, wovon natürlich auch die USA in ihrer strategischen Konzeption profitieren. Deshalb kann auch keine Rede davon sein, dass Deutschland deswegen weniger sicher wäre, wie manche gerne behaupten. Wenn also Trump einen Großteil seiner Truppen abziehen möchte, dann kann er das gerne tun. Es wird der Bundesrepublik nicht schaden, ganz im Gegenteil.

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