Deutschland

"Pilotprojekt der besonderen Art" - Bundeswehr übt Abwehr von Bürgerkriegssituation im Inland

In der Übungsstadt Schnöggersburg bereitet sich die Bundeswehr mit schwerem Geschütz nicht nur auf diverse Auslandseinsätze vor, sondern auch auf Häuserkämpfe und Straßenschlachten im Inneren. Offenbar hält man Bürgerkriegsszenarien nicht für unrealistisch.

Eingerichtet im vergangenen Herbst, begründet mit der durch die Situation in der Ukraine veränderten Sicherheitslage, soll der Truppenübungsplatz Schnöggersburg nördlich von Magdeburg auch der NATO für Trainingszwecke dienen.

Der Bund investierte 140 Millionen Euro in den Bau des urbanen Megakomplexes mit über 500 Gebäuden, gefeiert als "eine der größten Infrastrukturmaßnahmen innerhalb des Bundeslandes Sachsen-Anhalt". Die Bundeswehr kündigte zur Einweihung an, dass in Schnöggersburg

typische Elemente eines urbanen Ballungsraumes abgebildet werden, um Soldaten für Einsätze in bebauten Gebieten optimal vorzubereiten.

Und so übten bereits vom 21. bis zum 27. März dieses Jahres eine Panzergrenadier- und eine Jägerkompanie den Angriff im urbanen Ballungsraum Schnöggersburg:

Ein Pilotprojekt der besonderen Art", wie die Bundeswehr selbst schreibt.

"Rot ist der Feind"

Insgesamt 560 Soldaten auf dem Gelände des Gefechtsübungszentrums Heer (GÜZ), knapp 200 Kilometer westlich von Berlin, Häuserkämpfe und Straßenschlachten, die Erstürmung von Wohnhäusern, Zerstörung von Barrikaden und Angriffe auf Flugplatz und Tower.

In der "in Deutschland einzigartigen Übungsstadt" konnte die Truppe sich somit "absolut realitätsnah" austoben, in unterirdischen Anlagen wie einem U-Bahntunnel mit Station oder mehreren hundert Metern begehbarer Kanalisation, zudem ist das Gelände auch noch mit hoch aufragenden mehrgeschossigen Wohnhäusern, einem künstlichen Flusslauf und sogar einem Flugplatz versehen, wie die Bundeswehr beim Bewerben der Übung betonte.

Zum Einsatz kam dabei schweres Geschütz - die Bundeswehr nennt

[...] Grenadiere mit ihrem Schützenpanzer Marder, Jäger mit ihrem Transportpanzer Boxer, Panzerbesatzungen auf dem Kampfpanzer Leopard 2 und viele Kampfunterstützer.

Damit scheint die Bundeswehr ihre Soldaten nicht nur im Hinblick auf ihre zahlreichen Missionen im Ausland für den Häuserkampf vorzubereiten, sondern auch für allfällige Eskalationen auf deutschem Territorium. Bezeichnend ist dabei die Wahl des Titels für den Feind.

Von Stockwerk zu Stockwerk, von Haus zu Haus arbeiten sich die Angriffsspitzen durch Schnöggersburg. Ihr Gegner in dieser Übung ist real. Die Ausbilder des Gefechtsübungszentrum des Heeres stellen den Feind während der Übung dar. Oberfeldwebel Andreas Theis ist Gruppenführer der Kräfte "Rot" - und "Rot" ist der Feind.

Die noch nie dagewesene Qualität der Übungen, welche Schnöggersburg laut Bundeswehr bietet, erlaubt es den Pionieren "im letzten Drittel des knapp vier Stunden dauernden Angriffes, [...] mit dem Pionierpanzer Dachs durch Barrikaden versperrte Straßen" zu räumen.

Übungen zur Bekämpfung des Feindes im Inneren

Wie die trotzkistische World Socialist Webseite mit Bezug auf frühere gemeinsame Übungen von Polizei und Bundeswehr schreibt, bereiten sich die Soldaten somit offenkundig auf Bürgerkriegszustände im Inneren Deutschlands und der EU vor. Dass solche in nicht allzu langer Zeit ein ernstes Thema werden könnten, ist nicht nur vielfach auf AfD- oder Pegida-Veranstaltungen zu hören, sondern wird auch vom National Intelligence Council der USA als mögliches Szenario im Buch "Die Welt im Jahr 2035 gesehen von der CIA" angesprochen.

Im November ist nun eine länderübergreifende strategische Krisenmanagement-Übung (LÜKEX) geplant, basierend auf der Erfahrung der im März 2017 durchgeführten Terrorismus-Abwehr-Übung GETEX ("Gemeinsame Terrorismusabwehr-Exercise"), an der mehr als 350 Soldaten der Bundeswehr sowie Sondereinsatzkommandos der Polizei teilnahmen, ausgerüstet mit Hubschraubern, besonders geschützten Fahrzeugen, Aufklärungsdrohnen und Sprengstoffentschärfungsrobotern.

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An der Übung LÜKEX 18 sollen vor allem Baden-Württemberg und Bayern, aber auch das Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt teilnehmen. Involviert sind außerdem zivile Strukturen des Bundes, darunter neben dem BMI das Wirtschaftsministerium, die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft, das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das Bundespresseamt und das Auswärtige Amt.

Die WSWS sieht darin klar einen weiteren Schritt der seit Amtsübernahme der Großen Koalition laufenden "umfassenden Aufrüstungsoffensive" und verweist warnend darauf, dass die Geschichte sich wiederholen könnte.

Vor 100 Jahren stützte sich die sozialdemokratische Regierung unter Reichspräsident Friedrich Ebert und Verteidigungsminister Gustav Noske auf das Militär, um die Novemberrevolution von 1918/19 niederzuschlagen und die revolutionären Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu ermorden. Den Autoren der weit linken Zeitung schwant Böses:

Heute bereitet sich die herrschende Klasse wieder darauf vor, die explosive Opposition in der Bevölkerung gegen Sozialabbau, Militarismus und Krieg auch mit militärischen Mitteln zu unterdrücken.

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Bundeswehr mit hoheitlichen Aufgaben betrauen

Das "Musterpolizeigesetz", auf das sich die GroKo im Koalitionsvertrag geeinigt hat, stützt sich auf die kontrovers diskutierten neuen Polizeigesetze in Bayern und Sachsen, welche weitreichende Befugnisse für die Beamten, umfassende Überwachungs- und Festsetzungskapazitäten wie die Gesichtserkennung und neben der Einführung von Fußfesseln auch noch eine schwere Bewaffnung der Polizei vorsieht. 

In diesem Zusammenhang stützen sich SPD und CDU/CSU auch auf die im Weißbuch 2016 festgelegten Entwicklungslinien der Bundeswehr, welche "konsequent weiterverfolgt" werden sollen. Dabei geht es explizit auch um den Einsatz der Armee zur Unterstützung der Polizeikräfte im Inneren bei der wirksamen Bekämpfung von Unglücksfällen. Unter engen Voraussetzungen soll diese allerdings auch "hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Eingriffs- und Zwangsbefugnissen wahrnehmen können".

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WSWS verweist in diesem Zusammenhang auf ein Papier des Instituts für Sicherheitsstudien der Europäischen Union mit dem Titel "Perspektiven für die Europäische Verteidigung 2020". Aus diesem lasse sich herauslesen, dass künftige Militäreinsätze auf den "Schutz der Reichen dieser Welt vor den Spannungen und Problemen der Armen" abzielen:

Da der Anteil der armen, frustrierten Weltbevölkerung weiterhin sehr hoch sein wird, werden sich die Spannungen zwischen dieser Welt und der Welt der Reichen weiter verschärfen – mit entsprechenden Konsequenzen", zitiert WSWS das Dokument.

Durch neue Technologien werde demnach

die Welt zu einem globalen Dorf, das sich allerdings am Rande einer Revolution befindet. Während wir es mit einer immer stärker integrierten Oberschicht zu tun haben, sind wir gleichzeitig mit wachsenden explosiven Spannungen in den ärmsten Unterschichten konfrontiert.

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Sollten Einschätzungen zutreffen, wonach sich eine Tendenz der Spaltung zwischen Ober- und Unterschicht seit Erscheinen des Dokuments im Jahr 2011 noch weiter verschärft habe, konnte es sozusagen als vorausschauend erscheinen, damit verbundene Spannungen im Inneren einzukalkulieren.

Kritiker von links monieren, dass die Große Koalition, statt sich der Vermeidung zunehmender Ungleichheit zu widmen, lieber enthusiastisch auf die Unterdrückung der damit verbundenen sozialen Unruhen setzt.

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