Deutschland

Kevin Kühnert: Israel, der Iran und die Kriegspolitik der Jusos

Im Rampenlicht der aktuellen GroKo-Debatte sonnt sich unter anderem auch der neue Stern am Juso-Himmel, Kevin Kühnert. Er fordert "NoGroko" und eine Rückbesinnung auf sozialdemokratische Werte. Wenig bekannt ist, was Kühnert außenpolitisch darunter versteht.
Kevin Kühnert: Israel, der Iran und die Kriegspolitik der JusosQuelle: www.globallookpress.com

Frech und rebellisch kommt der Bundesvorsitzende der Jungsozialisten daher. Zur Zeit tourt er mit den Jusos durch Deutschland, um für ein Nein der SPD-Basis beim Mitgliederentscheid zur GroKo zu werben. Aktuell zeigte er der CDU bei einem Interview mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin gar den Stinkefinger.

Viel Applaus, Zustimmung und jetzt sogar ein Hauch von Politskandal tragen ihn von Interview zu Interview, von Talkshow zu Talkshow. Dabei geht eine Frage fast unter: Was genau zeichnet den eloquenten Revoluzzer als solchen aus?

"Kapitalismus überwinden" und weitere Floskeln

Bei Fragen, die seine politische Programmatik betreffen, bewegt sich der 28-Jährige meist im Ungefähren. Positionen, die erkennen lassen, wie sich die seiner Ansicht nach notwendige "Erneuerung" der SPD in der Opposition konkret ausgestalten soll, bleibt der Juso-Chef bislang schuldig. Auf der Webseite der Jungsozialisten heißt es in der Rubrik "Über uns" unter anderem:

Wir wollen den Kapitalismus überwinden und treten für eine andere Gesellschaftsordnung, den Sozialismus, ein. Wir kämpfen für unsere Vorstellung von einer Gesellschaft der Befreiung der Menschen in der Arbeit, der sozialen Sicherheit und persönlichen Emanzipation. Sozialismus ist für uns keine unerreichbare Utopie, sondern notwendig, um die Probleme unserer Zeit zu lösen.

Von alledem spiegelt sich nichts in den Worten Kühnerts wieder. Auch nicht während seiner Rede beim SPD-Sonderparteitag. Dort sprach er plausibel darüber, warum die GroKo abzulehnen sei, doch warum man sein Kreuz von nun an wieder bei der SPD machen sollte, blieb weiterhin offen. Vielmehr scheint es dem in Berlin geborenen Kühnert darum zu gehen, die Genossen wieder von den Christdemokraten zu emanzipieren, doch offensichtlich nicht durch die Rückbesinnung auf sozialdemokratische Werte. Kühnert bemängelt vor allem eines:

Wir [...] machen uns klein, und zwar durch die Art, wie wir in der Regierung autreten. Indem wir manchmal aufgetreten sind, als wären wir die Pressesprecher dieser Koalition und nicht ein selbstbewusster Koalitionspartner.

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Strategische Neupositionierung wichtiger als inhaltliche

Demnach geht es also nicht um eine klare inhaltliche Abgrenzung zum bisherigen Koalitionspartner, sondern offensichtlich darum, der Partei eine Frischzellenkur in Sachen Marketing angedeihen zu lassen. Auch wenn es inhaltlich bei Kühnert meist dünn bleibt, argumentierte er auch schon mal, dass die SPD nur dann ihre Krise überwinden kann, wenn sie sich klarer von den Konservativen unterscheidet und sich im Bund für Rot-Rot-Grün öffnet. Dazu passen auch Aussagen wie die folgende:

Wir brauchen endlich nachvollziehbare Antworten auf die Verteilungsfrage, und die können wir in einer GroKo nicht geben!

Die Wählerinnen und Wähler würden es aber sicher zu schätzen wissen, mehr zu den Antworten der Jusos auf die "Verteilungsfrage" zu hören. Doch der Mut für politische Diskurse nach dem Vorbild etwa eines Jeremy Corbyn sucht man bei Kühnert vergeblich. Im Gegenteil: Corbyns klare Positionen zu Krieg, Verantwortung, Ausbeutung und Frieden, mit denen dieser im Übrigen tatsächlich Massenbegeistert, waren den zaghaften Genossen offensichtlich derart unheimlich, dass sie ihm kämpferisch "Antisemitismus" vorwarfen.

Dieser von sehr vielen Menschen honorierten Unerschrockenheit, national wie international für einen neuen gesellschaftlichen Entwurf einzustehen, wird selbstbewusst, aber mit schlechten Argumenten, die Tür gezeigt.

Kein Corbyn-Kurs in der Nahostpolitik

Beim Thema Israel verstehen die Jusos ohnehin keinen Spaß. Wie einige seiner Vorgänger auch hat sich Kühnert an der Juso-Spitze demnach der Israelsolidarität verschrieben. So heißt es etwa in einem Juso-Beitrag vom 26. November 2012 mit dem Titel "Solidarität mit Israel!":

Die Jusos Berlin sind schockiert ob der jüngsten Raketenbeschüsse auf die israelische Zivilbevölkerung durch die Hamas und den jüngsten Bombenanschlag in Tel Aviv. Die Hamas und andere Organisationen in Gaza nehmen bewusst den Tod und das Leid von Millionen israelischen und palästinensischen Zivilistinnen und Zivilisten in Kauf.

Klare Kante der Genossen auch in folgendem Satz:

Wir verteidigen mit Vehemenz Israels Recht auf Selbstverteidigung angesichts des Hamas-Terrors [...].  

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Während des Gaza-Kriegs im Sommer 2014 unterzeichnete Kühnert dann eine Erklärung von Mitgliedern des American Jewish Committee Berlin und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. In dem Pamphlet wird das massive militärische Vorgehen der israelischen Armee mit den Worten gerechtfertigt, dass Israel das Recht und die Pflicht habe, sich gegen den Raketenterror zur Wehr zu setzen und seine Bevölkerung zu schützen.

Logisch, dass eine solche bedingungslose Solidarität wenig Spielraum für eine eigenständige und reflektierte Friedenspolitik im Sinne einer Rückbesinnung auf SPD-Werte lässt - ein Thema im Übrigen, mit dem sich die Genossen beim Wähler vermutlich wirklich empfehlen könnten. Albrecht Müller von den Nachdenkseiten stellt angesichts der vielen Konfliktherde und geopolitischen Spannungen fest:

Die Entspannungspolitik ist die Tradition, in der Jusos heute stehen könnten und stehen müssten. Fehlanzeige.

Kritik an Gabriel nach Iran-Reise

Logisch, dass in der eindimensionalen Weltsicht der Jusos auch der Iran schlecht wegkommt:

Sollte eine Isolierung des iranischen Regimes keinen Erfolg haben und keine diplomatischen Mittel mehr zur Verfügung stehen, um die atomare Bewaffnung des Iran zu verhindern, dann bedeutet Solidarität mit Israel auch gegebenenfalls die Unterstützung einer Militäraktion", erklärte Kühnert als Berliner Juso-Vorsitzender im Jahr 2013.

Einen bizarren Einblick in das außenpolitische Verständnis Kühnerts bietet zudem folgende Episode: Die Tinte unter dem Atomabkommen mit dem Iran war im Jahr 2015 kaum trocken, da reiste der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel als erster westlicher Spitzenpolitiker nach Teheran. Anlass genug für Kühnert, Gabriel mit großen Worten und möglicherweise Fake-News scharf zu kritisieren:

Unter Ruhani sind mehr Menschen exekutiert worden als unter Ahmadinedschad. Ich möchte keine Bilder mehr sehen, auf denen Menschen im Iran an deutschen Baukränen aufgehängt werden.

Auf welche Erkenntnisse er sich bei seiner polemischen Behauptung stützte, blieb Kühnerts Geheimnis.

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