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"Für Briten ist Skripal ein sakrales Opfer" – Ex-FSB-Chef zur Vergiftung des Doppelagenten Skripal

Die Vergiftung des ehemaligen GRU-Obersts Sergej Skripal nützt den USA, Großbritannien und der Ukraine, sagt der ehemalige FSB-Chef Nikolai Kowaljow. Der Gedanke, Russland habe Skripal töten wollen, sei dagegen "Irrsinn". Dafür müssten die Russen "Schwachköpfe" sein.
"Für Briten ist Skripal ein sakrales Opfer" – Ex-FSB-Chef zur Vergiftung des Doppelagenten SkripalQuelle: Sputnik

Der Geheimdienst-Profi und Vorgänger Wladimir Putins in dessen kurzfristig ausgeübtem Amt als FSB-Direktor, General Nikolai Kowaljow, äußerte sich gegenüber russischen Medien ausführlich zu dem Vorfall um die mutmaßliche Vergiftung des ehemaligen Doppelagenten Sergei Skripal. In erster Linie warf er die Frage nach dem Motiv für so ein Verbrechen auf. Ein solches sei aufseiten des russischen Staates nicht zu erkennen.

Im Gegenteil, der Anschlag bringe Russland einen "absoluten Schaden" und verschaffe denjenigen Staaten Vorteile, die Russland als "Aggressor" darstellen wollen. Die Nutznießer seien in diesem Fall die USA, England und indirekt auch die Ukraine.

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Ich persönlich habe angesichts dieser ganzen Reihe an Mordfällen an Verrätern (Russlands) auf englischem Territorium den Eindruck gewonnen - und das ist meine Version -, dass Engländer, wenn der Nutzen dieser Leute ausgeschöpft ist, sie diese sozusagen als Sakralopfer darbringen. Und dann sagen sie, es sei Russland gewesen", so Kowaljow.

Er habe deswegen das Gefühl, dass englische Geheimdienste damit etwas zu tun haben könnten. Leute wie Skripal seien, wie es im journalistischem Jargon heißt, "unter der Glocke", die Behörden kontrollieren sie, wissen, wo sie sich befinden, kennen ihren Tagesablauf - und dann passieren jedes Mal solche seltsamen Dinge, so der General.

Dass die Engländer nun jedoch ohne jegliche Ermittlung behaupten, Russland stecke dahinter, sei einfach "Wahnsinn":

14 Jahre zu warten, um Skripal ausgerechnet am Vorabend der Wahl des Präsidenten der Russischen Föderation zu ermorden und Russland so einen maximalen Schaden zuzufügen? Damit nach der britischen und amerikanischen Vorlage die ganze Welt schreit, Russland sei in einen politischen Mord verwickelt? Dafür müsste man ein absoluter Schwachkopf und einfach nur wahnsinnig sein", so Kowaljow.  

Mehrere Zeugen zweifeln an der offiziellen Version

Ähnlich fallen die Schätzungen anderer Amtsträger und Experten aus. Von "Quatsch, Hysterie, Delirium oder Zirkus" ist dann die Rede. Es gibt auch Stimmen auf der anderen Seite der "Frontlinie", die an der Plausibilität des Verdachts gegen die Russen zweifeln. So sagte der in London lebende Exil-Russe Waleri Morosow, der Sergej Skripal persönlich kannte, gegenüber dem Spiegel, es sei unwahrscheinlich, dass der russische Staat etwas mit dem Fall zu tun hat:

Ich glaube nicht, dass der Kreml oder Wladimir Putin dahintersteckt. Die Täter profitieren von einer günstigen weltpolitischen Lage: Wenn in Großbritannien etwas in dieser Art geschieht, wird direkt Putin verantwortlich gemacht. In dieser Hinsicht ist Großbritannien der Himmel für Kriminelle aus Russland. Und von denen gibt es hier viele.

Zudem sei es bei den Geheimdiensten unüblich, "bei solchen Anschlägen" auch Unbeteiligte, erst recht Kinder, zu töten. Das entspreche nicht der Vorgehensweise der russischen Geheimdienste, in deren Milieu Morosow nach eigenen Angaben nach wie vor zahlreiche Kontakte hat.

Nun ist aber die Tochter mitvergiftet worden", so Morosow.   

Außerdem sei Skripal für russische Behörden nicht interessant gewesen, er hätte mit ihnen während seiner Verhaftung kooperiert und hätte sogar in der russischen Botschaft mehrere Bekanntschaften gepflegt, behauptete Morosow. Mit dem Austausch und der Überführung nach Großbritannien sei der Fall für den russischen Geheimdienst erledigt gewesen.

Gemeinsam mit Skripal wurde damals der Agent Igor Sutjagin begnadigt, der ebenfalls nach Großbritannien ausreiste. Befragt zu dem aktuellen Vorfall erklärte dieser:

Falls es eine Vergeltungsmaßnahme gegen Skripal war, ist unklar, warum sie erfolgte", so Sutjagin zu Radio Swoboda.

Skripal habe schließlich gestanden, sei begnadigt worden und habe einen Teil seiner Strafe abgesessen. "Ich sehe keinen Grund für Rache gegen ihn", erklärte Sutjagin - auch wenn es in Russland durchaus "spezielle Dienste" gebe, die "Verräter liquidieren", schrieb die Tagesschau.  

Johnson: Russland wird für seine Boshaftigkeit büßen

Aber genau diese Frage - "Wem nutzt es?" - wird in den britischen Medien nicht gestellt. Stillschweigend wird angenommen, dass Russland nur aufgrund seiner "Boshaftigkeit", wie es der britische Außenminister formulierte, den Ex-Agenten, der in den 1990er Jahren agierte, samt seiner Tochter auf so aufwendige und höchst riskante Art und Weise liquidieren musste.

Boris Johnson, ermutigt durch Solidaritätsbekundungen vonseiten der EU, der NATO, der USA und Frankreichs, will schon am morgigen Donnerstag eine Reihe neuer Strafmaßnahmen gegen Russland verkünden. Er habe auch mit seinem Kollegen Sigmar Gabriel gesprochen, meldete dpa. Johnson lobte die Bereitschaft der "Freunde" Großbritanniens, Solidarität zu zeigen. Insbesondere der mittlerweile aus seinem Amt geschiedene US-Außenminister Rex Tillerson soll nach Angaben von Johnson Russland für dessen "verstörendes und bösartiges Verhalten und die leichtsinnige Nutzung der chemischen Waffen - in Syrien ebenso wie auf den Straßen von Salisbury -" scharf verurteilt haben.  

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Nach Angaben Johnsons bleibt Großbritannien bei seinem am Montag von der britischen Premierministerin Theresa May verkündeten Ultimatum: Russland müsse sich bis Mitternacht gegenüber der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) erklären. "Die Antwort Großbritanniens" werde auf jeden Fall kommen, drohte Johnson am Mittwoch an.

Über die möglichen Maßnahmen wird in den britischen Medien viel spekuliert. So hält die Zeitung The Times eine Cyberattacke auf den Kreml für möglich. Eine andere Option könnte die Ausweisung von Diplomaten sein. Auch finanzielle Maßnahmen gegen Oligarchen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Immobilienbesitz in London seien denkbar. May hat bisher damit gedroht, keine Regierungsvertreter zur Fußball-WM nach Russland zu schicken.

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