Konferenz in Belgrad lässt NATO-Werbung abblitzen (Teil I)

NATO und EU umgarnen weiterhin die serbische Führung, um das Land in die beiden Frontorganisationen der westlichen Unwertegemeinschaft zu locken. Klarheit darüber schaffte in Belgrad eine hochkarätige internationale Konferenz zum 20sten Jahrestages des NATO-Überfalls.
Konferenz in Belgrad lässt NATO-Werbung abblitzen (Teil I)Quelle: Reuters © Marko Djurica

von Rainer Rupp

Als die jüngste Aussage von Kanzlerin Merkels Außenminister Heiko Maas zum NATO-Überfall auf Jugoslawien letzten Samstag in Belgrad bei der internationalen Konferenz über das NATO-Völkerrechtsverbrechen von vor 20 Jahren bekannt gemacht wurde, löste sie unter den Teilnehmern unglaubliches Staunen und dann Empörung aus. Lediglich die anwesenden Serben schien das kühl zu lassen, waren und sind sie doch dieser Art von krimineller Arroganz aus den Mündern westlicher Politiker seit 20 Jahren ausgesetzt.

Der als Außenpolitiker augenscheinlich zu oft überbewertete und überforderte Heiko Maas (SPD) hatte es tatsächlich fertiggebracht, versuchsweise dem damaligen NATO-Massenmord an serbischen Zivilisten einen Persilschein auszustellen. "Ich glaube nach wie vor, dass die deutsche Beteiligung ein Ausfluss verantwortungsbewussten Handelns gewesen ist", hatte der "hippe Heiko" gegenüber den "Stuttgarter Nachrichten" (Samstagsausgabe) gemeint. Nach all den inzwischen ans Licht gekommenen Lügen zur Rechtfertigung dieses Krieges und nach dem Eingeständnis selbst des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), dass der Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien völkerrechtswidrig war, hätte man zumindest von deutscher Regierungsseite eine bedächtigere, einfühlsamere Reaktion erwarten können. Aber dafür hätte es eines anderen, eines für das Amt geeigneten Außenministers bedurft.

Derweil zeigte eine aufrüttelnde Foto-Dokumentation in der Halle des "Hauses der Armee" im Zentrum von Belgrad, wo die Konferenz stattfand, schreckliche Bilder von brennenden serbischen Dörfern, von zerbombten Brücken, Wasserwerken und Industrieanlagen, von zertrümmerten Schulen und Krankenhäusern und vor allem von den menschlichen Opfern des knapp zweieinhalb Monate dauernden, "humanitären" NATO-Bombenkrieges.

Die erschütternden Fotos konfrontierten den Betrachter mit der grausamen Realität eines Krieges, für den allein auf deutscher Seite Kanzler Schröder (SPD), Außenminister Joschka Fischer (Die Grünen) und Kriegsminister Rudolf Scharping (SPD) verantwortlich waren und sind, ohne bisher zur Verantwortung gezogen worden zu sein. Die Bilder zeigen bis zur Unkenntlichkeit zerrissene Körper von Menschen jedes Alters, so wie sie zwischen Trümmern aufgefunden worden waren. Noch unerträglicher sind die Fotos aus Sanitätsstationen, die überlebende, aber grausam verstümmelte Menschen zeigen. Sie zeigen Kinder, denen Hände, Arme oder Beine, bisweilen beidseitig, abgerissen worden waren. Und deren Blicke machen klar, dass sie noch gar nicht verstanden hatten, was mit ihnen passiert war. Angesichts dieser Eindrücke kam bei nicht wenigen Konferenzteilnehmern ob der gefühlslos-dummen Phrasen des deutschen Außenministers Maas die kalte Wut hoch. Und als Deutscher konnte man sich für seine Regierung nur noch schämen.

Der ehemalige jugoslawische Außenminister Živadin Jovanović, der die "Internationale Konferenz für Wohlstand statt Kriege und Armut" am 22. und 23. März leitete, verurteilte denn auch die Äußerung von Maas in angemessen scharfer Form und forderte stattdessen, dass die Schreibtischtäter der NATO-Mitgliedsländer für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden müssen. Diese Forderung wurde von den mehr als 200 anwesenden Delegierten aus über 20 Ländern, von Indien über Südafrika, Israel, Palästina, Griechenland, Irland, USA, Frankreich, Deutschland, Belgien, Kuba, Venezuela, Russland u.a. mit heftigem Applaus unterstrichen.

Erwartungsgemäß kam die zahlenmäßig stärkste und politisch und militärisch hochrangigste Delegation aus Russland. Von serbischer Seite als Gastgeber war u.a. der Verteidigungsminister Aleksandar Vulin vertreten, und in seiner Rede lehnte er die drängende Einladung aus Brüssel für eine Mitgliedschaft in der NATO unmissverständlich ab. Eine Zurückweisung der NATO in dieser Deutlichkeit war für Nachkriegs-Serbien jedoch durchaus ein neuer Ton.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2001, weniger als zwei Jahre nach dem NATO-Überfall waren vergangen, da hatten sich in Belgrad die NATO-Quislinge der "Demokratischen Partei" mit Hilfe der ersten sogenannten Farbenrevolution und mit großen Versprechungen über die kommenden Segnungen des liberalen Westens an die Macht geputscht. Als Beweis ihrer Unterwürfigkeit unter die westliche (Un-)"Wertegemeinschaft" haben sie dann prompt den Verteidiger der Souveränität Jugoslawiens, den gestürzten Präsidenten Slobodan Milošević an die NATO und den von ihr zynisch "eingerichteten und bezahlten" (so offenherzig damals der NATO-Sprecher Jamie Shea) "Internationalen (Sonder-)Gerichtshof für Jugoslawien" in Den Haag ausgeliefert.

Im Gefängnis von Den Haag kam Milošević dann später bekanntlich zu Tode. Ob er eines natürlichen Todes starb oder ermordet wurde, bleibt Auslegungssache. Tatsache ist, dass dem kreislaufkranken Gefangenen die von unabhängigen Ärzten verschriebenen Medikamente verweigert wurden, nachdem die Punkte der Anklage in dem gegen ihn geführten Prozess nicht durch Beweise erhärtet werden konnten, wodurch er dann – für die NATO sehr bequem – im Gefängnis starb. Damit war "dieses Problem" für die Verbrecher des Wertewestens beseitigt. Denn es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn es dem Team der Strafverteidiger Miloševićs bei einer Fortführung des Prozesses auch noch gelungen wäre, der NATO ihr kriminelles Handwerk nachzuweisen.

Etwas mehr als 10 Jahre nach dem Putsch gegen Milošević wurden die NATO-Marionetten in Belgrad von der Bevölkerung abgewählt. Bei den Wahlen von 2012 entschieden sich zwei Drittel der Wähler in Serbien für eine neue Regierung, die zwar auf mehr Distanz zu NATO ging, aber weiterhin engen Kontakt zur EU pflegte, deren Mitgliedschaft sie allem Anschein nach weiter anstrebte. Zugleich fing zum ersten Mal seit dem NATO-Überfall von 1999, der durch den Verrat des russischen Präsidenten Jelzin und seines Jugoslawien-Beauftragten Wiktor Tschernomyrdin überhaupt erst ermöglicht worden war, eine neue, zaghafte Annäherung zwischen Belgrad und Moskau statt.

Je deutlicher sich dann in den folgenden Jahren der russische Präsident Putin gegen die mörderische "Liberale Weltordnung" des Westens stellte und je stärker er die Entschlossenheit des russischen Widerstandes durch politische und militärische Maßnahmen (siehe Syrien und jüngst Venezuela) untermauerte, wurden dann die alten, vielschichtigen Bande zwischen Serbien und Russland erneut zusammengesponnen. Vor diesem aktuellen Hintergrund fand die Konferenz am 22. und 23. März in Belgrad statt.

Direkt zur Konferenzeröffnung unterstrich denn auch der Vizepräsident der russischen Staatsduma (also des Parlamentes) mit dem berühmten Namen Tolstoi das gemeinsame Schicksal und die uralte Verbundenheit zwischen dem russischen und dem serbischen Volk. Als nächstes verlieh Pjotr Olegowitsch Tolstoi seiner Empörung Ausdruck über die unmittelbar zuvor in Den Haag im Rahmen eines Revisionsverfahrens verkündete Verschärfung der Strafe gegen den Kinderarzt Radovan Karadžić von bisher 40 Jahren auf lebenslange Haft.

Bereits während des Bürgerkriegs ins Bosnien-Herzegowina waren die bosnischen Serben vom "Wertewesten" als Ausgeburt des Bösen und zu den Alleinschuldigen des Krieges abgestempelt worden. Nach dem durch ein NATO-Bombardement erzwungenen Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2005 war Karadžić dann als politischer Anführer der bosnischen Serben auf Grundlage höchst fragwürdiger, "politisch motivierter" und entsprechend manipulierter Beweise von dem durch die NATO erfundenen und bezahlten Internationalen Strafgerichtshof für Jugoslawien (ICCY) abgeurteilt worden. In aller Schärfe verurteilte der Duma-Vizepräsident Tolstoi daher die doppelbödige Moral des sogenannten "Wertewestens" und forderte, dass alle wahren Kriegsverbrecher, angefangen mit Bill Clinton, vor Gericht gestellt gehörten.

Insgesamt wurde die Konferenz in Belgrad von drei Hauptthemen durchzogen:

Erstens: Die enormen Zerstörungen, vor allem ziviler Objekte. Dazu gehörten auch die großen Anlagen der chemischen Industrie des Landes, durch deren Vernichtung die Umwelt gleich doppelt vergiftet wurde. Zum einen wurden riesige Mengen toxischer Substanzen freigesetzt und konnten durch Niederschläge über ausgedehnte Flächen ins Grundwasser gelangten. Und andererseits durch den umfangreichen Einsatz von harmlos betitelter "DU-Munition", die jedoch tatsächlich aus reichlich vorhandenem, abgereichertem Uran besteht, beim Aufschlagen massenweise hochgefährliche radioaktive Mikropartikel über weite Flächen verbreitet, die auch nachweislich in allen betroffenen Gebieten zu signifikant erhöhten Krebsraten und folglich auch zu kaum abschätzbaren genetischen Spätfolgen geführt hat. Davon sind bis heute vor allem seither geborene Kinder betroffen.

"Warum, warum haben sie uns das angetan?" war eine Frage, die man von serbischer Seite immer wieder hörte. Die NATO müsse doch gewusst haben, welche Schäden sie den Menschen und ihrer Umwelt mit dem Einsatz solcher Waffen zufügte.

Das zweite Hauptthema befasste sich mit dem Konzept "Vergeben und Vergessen und nach vorne blicken". Nach dem Ende des NATO-Bombenkrieges war solche Forderung – vor allem auf Druck aus der EU – immer wieder von den nachfolgenden, aufeinanderfolgenden Marionetten-Regierungen in Belgrad an die Bevölkerung gerichtet worden, jedoch nur mit geringem Erfolg. Bei der Konferenz in Belgrad ist jetzt das Pendel sogar zurückgeschwungen. Was das für die zukünftige politische Orientierung Serbiens bedeuten kann, wird in einem zweiten, in Kürze folgenden Artikel dargelegt werden.

Eng damit verknüpft ist das dritte Hauptthema, nämlich ein von beiden Seiten gewünschtes, engeres politisches und militärisches Zusammenrücken von Serbien und Russland. Selbst eine Allianz wurde angeboten. Warum dies nur zaghaft vonstatten gehen kann, wird ebenfalls in einem folgenden Artikel dargelegt werden.

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