Handelskrieg gegen China: Das Beispiel "Apple", Teil II

Das eingeebnete Spielfeld des globalen Marktes hat sowohl zur Stagnation der heimischen Industrien als auch zugleich zur Blüte der transnationalen Konzerne geführt. Ungehemmte Profitmaximierung auf der einen Seite, Abriss der Sozialsysteme auf der anderen.
Handelskrieg gegen China: Das Beispiel "Apple", Teil IIQuelle: Reuters

von Rainer Rupp

Wie wir in Teil I festgestellt haben, sind etwa "65 Prozent" der US-Importe aus China im klassischen Sinn des Wortes gar keine Einfuhren, sondern es handelt sich dabei lediglich um grenzüberschreitende Gütertransporte zwischen den Produktions- und Vermarktungszentren innerhalb ein- und derselben US-Großkonzerne. Die Voraussetzungen dafür wurden durch die neo-liberale Globalisierung geschaffen, die als Triebkraft - vor allem seit Beginn der 1990er Jahre - von den US-Konzernen und einer sie unterstützenden globalen Politik Washingtons ausging. Unterorganisationen des globalen Kapitals, wie z.B. der Internationale Währungsfonds und die Weltbank, aber auch die zunehmend "globale" NATO leisteten bei diesem Unterfangen wichtige wirtschafts- und militärpolitische Schützenhilfe.

Im Zuge der neo-liberalen Globalisierung wurde der uralte feuchte Traum des Großkapitals in vielen Regionen und Ländern verwirklicht, nämlich die Schaffung eines so genannten "eingeebneten Spielfeldes". Auf diesem eingeebneten, global erschlossenen Markt, in dem die meisten nationalen Währungs- und Handelshindernisse zum ehemaligen Schutz heimischer Industrien, Arbeitsmärkte und Sozialsysteme erfolgreich niedergerissen worden waren, konnten sich nun die internationalen und zunehmend transnationalen Konzerne ohne Handelshindernisse und andere staatliche Beschränkungen nach Belieben dem Ziel der rücksichtslosen Gewinnmaximierung widmen.

Zu dieser neuen, westlich sogenannten „liberalen Weltordnung“ gehörte, dass die Konzerne nicht nur ihre Produktionsstätten und die dazu gehörenden Arbeitsplätze nach eigenem Gusto in andere Länder mit Billiglöhnen, niedrigem Arbeits- und oft gar nicht vorhandenem Umweltschutz verlegt haben, sondern dass sie auch ihre Zulieferer global auswählten, organisierten, ständig umstrukturierten, um schließlich die fertigen, derzeit noch überwiegend in China hergestellten Produkte zollfrei in die USA zu reimportieren und sie dort und anderswo unter amerikanischem Label zu ständig wachsenden Netto-Profiten zu verkaufen.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass zwar die transnationalen Konzerne florierten und die Profite von einem Rekord zum nächsten kletterten, während die heimischen Volkswirtschaften der westlichen Industrieländer zunehmend dahindümpelten und etliche Industriezweige sogar mittlerweile ganz verschwunden sind. Wie z. B. die Elektronik-Branche, in der die USA weltweit führend waren, inzwischen aber fast nur noch im Ausland, vor allem in China hergestellte Produkte weltweit unter dem Markennamen der von der Wall Street aus gesteuerten transnationalen Konzerne verkaufen. Eine Studie der Asiatischen Entwicklungsbank (AEB) hat diese Zusammenhänge am Beispiel zweier weltweit begehrten Produkte des global operierenden Elektronik-Konzerns Apple eindringlich dargestellt.

Die Studie erfasst zwei „i“-Produkte von Apple, deren Herstellung vom ursprünglichen Design über Entwicklung und Zulieferketten bis zum fertigen Produkt, über Merchandizing und Werbung bis hin zum Verkaufserlös lückenlos von der AEB untersucht wurde. Die in dieser Studie zugrunde gelegten Preise und Daten gelten für das Jahr 2010 und sind daher etwas überholt, aber einzig dahingehend, dass die aufgezeigten Zusammenhänge und Tendenzen sich in der Zwischenzeit noch weiter mit derselben Tendenz zugespitzt haben. Die Profitexplosion der US-Großkonzerne ist dafür ein guter Indikator.

Die Apple-Studie der AEB untersucht also dabei zwei iPhone-Produkte: die billigste Version des iPad und das damals bereits weitaus teurere 4G-iPhone. Der allergrößte Teil der Komponenten beider Produkte werden weder in den USA noch in China hergestellt. Stattdessen werden die einzelnen Komponenten in Dutzenden von Ländern billigst produziert und durch ein von Apple organisiertes, grenzüberschreitendes Zuliefernetzwerk in China zusammengeführt, wo sie dann zusammengelötet und -geschraubt werden. Und - nicht überraschend - bekommt der Apple-Konzern den Löwenanteil der Gewinne, nämlich etwa 30 Prozent des Verkaufspreises des iPads und 58 Prozent des Verkaufspreises seines 4G-iPhones.

Andere Teilnehmer des Produktionsnetzwerks schneiden mit weitaus geringeren Profiten ab. Zum Beispiel die nächsten zwei großen Nutznießer in den Lieferketten von iPads und iPhones sind koreanische Unternehmen wie LG und Samsung, die die Displays und Speicherchips herstellen und deren Bruttogewinne jeweils 5 Prozent bzw. 7 Prozent des Verkaufspreises des iPads und des 4G-iPhones ausmachen. Die Gewinne von US-amerikanischen, japanischen und taiwanesischen Zulieferer machen jeweils nur 1 bis 2 Prozent aus.

Zugleich wird am Bespiel von Apples Produktionsstrategie die Unzulänglichkeit von Import-Export-Statistiken in einem rein nationalen Rahmenwerk deutlich. Im Jahr 2009 wurde China der Export von 11,3 Millionen iPhones in die Vereinigten Staaten zugeschrieben. Bei einem Stückpreis von 179 Dollar ging dieser Handel der USA mit China als ein Defizit von etwas mehr als 2 Milliarden Dollar in die US-Handelsbilanz ein. Wenn man nun die Kosten für die Komponenten abzieht, die von US-Zulieferern nach China zum Einbau in die iPhones geliefert wurden, dann bleibt auf dem Papier immer noch ein Handelsdefizit der USA in Höhe von etwa 1,9 Milliarden US-Dollar übrig.

Tatsächlich aber betrug der chinesische Anteil an den Herstellungskosten eines jeden iPhones nur 12,50 US-Dollar. Diese Summe setzte sich hauptsächlich aus Arbeitslohn für das Zusammensetzten der aus vielen Ländern zugelieferten Komponenten zusammen. In Bezug auf den Wert belief sich Chinas Netto-Handelsgewinn somit auf nur 141 Millionen US-Dollar und nicht auf 1,9 Milliarden US-Dollar, wie in der Handelsbilanz veranschlagt.

Auf den Punkt gebracht, verdeutlicht diese kleine Beispielrechnung, dass - obwohl laut volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung China als der große Gewinner der iPhone-Produktion dasteht und die Vereinigten Staaten angeblich der große Verlierer sind - der durch die Produktion und den Verkauf des iPhones generierte Gewinn größtenteils von einigen wenigen transnationalen Konzernen eingestrichen wurde, von denen kein einziger in China beheimatet ist. Und den Löwenanteil hat natürlich Apple selbst wegen Design, Entwicklung, Merchandising, Werbung und Management für sich beansprucht und ist daher also der mit Abstand größte Gewinner in dieser Kette.

Dabei zeichnen sich Konzerne wie Apple vor allem durch strenge Kontrolle ihres Zulieferer- und Produktionsnetzwerkes aus. Das schließt auch das Auswechseln von Partnerunternehmen ein, sobald sich daraus ein Vorteil ergibt. Anfangs nutze Apple z.B. hauptsächlich japanische Zulieferer, um die Schlüsselkomponenten für sein iPad herzustellen. Der Konzern ließ die Japaner in dem Augenblick fallen, als die Koreaner - vor allem der Samsung-Konzern - imstande waren, gleichwertige Produkte billiger herzustellen. Auch ersetzte Apple die Mikroprozessoren des US-Herstellers PortalPlayer Inc. im Silicon Valley durch die von Samsung. Diese Produktionsstrategie beleuchtet auch die Widersprüchlichkeit der Beziehungen zwischen den transnationalen Konzernen: So ist Samsung einerseits ein Glied in Apples globaler Wertschöpfungskette und andererseits ein Konkurrent, der wie Apple seine eigenen Smartphones und Tablets herstellt.

Ähnlich wie bei Apple verhält es sich mit den anderen US-amerikanischen oder europäischen Großkonzernen, die in China fertigen lassen. Laut "Asia Times" haben Studien gezeigt, dass etwa "65 Prozent" der so genannten "Importe" aus China im klassischen Sinn des Wortes gar keine Einfuhren mehr sind, sondern dass es sich dabei lediglich um grenzüberschreitenden Gütertransport innerhalb der jeweiligen Großkonzerne handelt.

Teil III wird sich mit den Auswirkungen dieser neoliberalen Globalisierung auf die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in den Industrieländern beschäftigen.

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