Europa

Neues Familiengesetz soll "ungarische Nation retten"

Ungarn sieht sich mit denselben Problemen und Herausforderungen durch den demografischen Wandel konfrontiert, wie viele andere Industrienationen auch. Ein neues Familiengesetz soll diesen Trend zumindest abbremsen und für höhere Geburtenraten sorgen.
Neues Familiengesetz soll "ungarische Nation retten"Quelle: AFP © Geoffroy VAN DER HASSELT

Alternde Bevölkerung und niedrige Geburtenraten sorgen dafür, dass die Bevölkerungszahlen in den meisten europäischen Ländern rückläufig sind und bis 2050 für einige sogar zu einer existenziellen Bedrohung werden könnten. Insbesondere kleinere Länder wie die baltischen Staaten oder das jüngste EU-Mitglied Kroatien wird es demnach besonders hart treffen, da sie darüber hinaus noch mit den Folgen der Massenabwanderung in reichere Staaten Zentraleuropas zu kämpfen haben.

Diese Probleme sind den Regierungen natürlich bekannt, und man begegnet ihnen auf die eine oder andere Weise, wenn überhaupt. Die ungarische Regierung von Viktor Orbán hat Anfang Juli ein ganzes Maßnahmenpaket verabschiedet, um sich dieser Thematik anzunehmen. Denn von gegenwärtig etwa 9,6 Millionen Menschen soll – laut UN-Hochrechnungen – die Bevölkerungszahl bis 2050 auf 8,5 Millionen sinken.

Während einige Staaten auf Zuwanderung setzen, um den demografischen Wandel zumindest teilweise auszugleichen, möchte Ungarn das ohne Zuwanderung schaffen. Diese Tendenz zeigte sich bereits mit Ausbruch der Migrationskrise 2015, als die Regierung von Orbán entlang der Grenze zu Kroatien einen Zaun errichten ließ, um keine Migranten und Flüchtlinge aufnehmen bzw. durchlassen zu müssen. Budapest ließ Brüssel wissen, dass man mit der Krise nichts zu tun haben möchte und diese Krise Sache derjenigen sei, die diese Krise in Europa erst ausgelöst haben. Natürlich waren damit Deutschland und die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeint, die EU-Grenzen für den Zustrom Flüchtender zu öffnen, die in der Türkei auf die Weiterreise warteten.

Mit einem Mix an finanziellen Anreizen wie steuerlicher Entlastung, günstigeren Krediten und einem Belohnungssystem für Geburten soll den werdenden Eltern und solchen Paaren, die das planen, das Kinderkriegen schmackhaft gemacht werden. Und das lässt sich die Regierung durchaus etwas kosten: vier Prozent vom BIP wendet Ungarn für die "Familienunterstützung" auf. Damit bewegt sich das osteuropäische Land auf einem ähnlichen Niveau wie die reichen skandinavischen Länder, denen man nachsagt, die familienfreundlichsten Rahmenbedingungen zu setzen.

Doch während im Gegensatz zu Polen, wo sich die konservative Regierung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit denselben Problemen befasst und ebenso mit Steuersenkungen und Bonuszahlungen pro Kind einen finanziellen Anreiz für werdende Eltern geschaffen hat, ist in Ungarn eine Grundvoraussetzung für solche staatlichen (Hilfs-)Leistungen, dass die werdenden Eltern gut ausgebildet sein und über ein entsprechendes Einkommen verfügen müssen. Damit schließt die Regierung sowohl arbeitslose wie auch schlecht ausgebildete Familien gezielt von diesem Paket aus, was einige Kommentatoren dazu veranlasst hat, darin eine gezielte Ausgrenzung von Minderheiten wie beispielsweise Roma und Sinti zu sehen.

In dem neuen Gesetz, das "Familienschutzplan" heißt, kommt der Frau eine zentrale Rolle zu. So ist es stets die Frau, die – entweder als alleinerziehende Mutter oder Ehefrau in erster Ehe – den Antrag auf die Leistungen zu stellen hat. Ähnlich dem Prinzip des "Ehekredits" in der damaligen DDR (allerdings für die Paare gemeinsam), sollen nun gut ausgebildete Frauen zwischen 18 und 40 Jahren ein zinsfreies Darlehen über 10 Millionen Forint (ca. 30.600 Euro) beantragen, welches dann "abgekindert" werden kann.

Wenn dann innerhalb von fünf Jahren ab Antragstellung ein Kind zur Welt gebracht wird, bleibt das Darlehen zinsfrei und die Rückzahlung für drei Jahre ausgesetzt. Bei der Geburt eines zweiten Kindes wird die Rückzahlung für weitere drei Jahre ausgesetzt und werden 30 Prozent der Schulden gestrichen. Beim dritten Kind werden die Schulden komplett gestrichen, was am Ende einem staatlichen Kinderbonus gleichkommt. Kann die Frau aber innerhalb von fünf Jahren nach Antragstellung – aus welchen Gründen auch immer – kein Kind zur Welt bringen, muss sie den Gesamtbetrag zuzüglich marktüblicher Zinsen zurückzahlen.

Zudem sollen Familienkredite auch für den Erwerb von neuen oder gebrauchten Immobilien zur Verfügung gestellt werden. Familien, die bereits zwei Kinder haben oder bei Vertragsunterzeichnung vereinbaren, mindestens zwei Kinder zeugen zu wollen, können 10 Millionen Forint zu staatlich subventionierten Bedingungen beantragen. Wer drei oder mehr Kinder hat – oder noch bekommen zu wollen vereinbart –, kann dafür einen Familienkredit über 15 Millionen Forint (ca. 46.000 Euro) beantragen.

Beim Kauf von gebrauchten Immobilien erhalten die Antragsteller zudem einen Bonus von 600.000 Forint (ca. 1.800 Euro), den sie nicht zurückzahlen müssen, wenn sie bereits ein Kind haben oder ein Kind nach Vertragsunterzeichnung anstreben. Bei zwei Kindern erhöht sich dieser Betrag auf 1,43 Millionen Forint (ca. 4.400 Euro), bei drei Kindern auf 2,2 Millionen Forint (ca. 6.700 Euro) und bei vier oder mehr Kindern auf 2,75 Millionen Forint (ca. 8.400 Euro).

Zudem sollen Frauen, die mindestens vier Kinder großziehen, laut dem neuen Gesetz ab dem 1. Januar 2020 bis zur Erreichung ihres Rentenalters von der Einkommenssteuer befreit werden.

Außerdem soll ab diesem Zeitpunkt auch Großeltern, die noch nicht Rentner sind und auf ihre Enkel aufpassen oder aufpassen wollen, eine finanzielle Entschädigung geboten werden. So sollen sie Anrecht auf das Kindergeld erhalten, welches normalerweise den Eltern zustehen würde. Mit diesem Instrument erhofft sich die Regierung, die Großeltern wieder aktiver in das Familienleben einzubinden und sie einen größeren Beitrag bei der Erziehung der Kinder leisten zu lassen, als derzeit üblich.

Neben dem offensichtlichen Bemühen, dem absehbaren Bevölkerungsrückgang mit einer familienfreundlicheren Politik und höherer Geburtenrate zu begegnen, verfolgt die Regierung von Viktor Orbán damit auch erkennbar eine nationalistische Linie:

Zugang zu diesen staatlichen Finanzhilfen unter den genannten Bedingungen wird nicht nur Menschen in Ungarn angeboten, sondern auch allen ethnischen Ungarn in Kroatien, Serbien, Siebenbürgen, in der Slowakei und der Ukraine. Sie sollen mit diesen finanziellen Instrumenten stärker an Ungarn gebunden werden, Teil der ungarischen Nation bleiben zu wollen. Dementsprechend wird das Programm von der Regierung als Maßnahme zur "Bewahrung der ungarischen Nation für die Zukunft" beschrieben, mit welcher "die Nation und Familie gerettet" werden soll.

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