Nahost

"Stabilitätsanker" Saudi-Arabien: Dem absolutistischen Königreich geht das Geld aus

Saudi-Arabien gilt als der größte Ölexporteur weltweit. Das Königreich muss aber wegen der Corona-Krise enorme Einnahmeausfälle verbuchen.
"Stabilitätsanker" Saudi-Arabien: Dem absolutistischen Königreich geht das Geld ausQuelle: Reuters © Ali Jarekji

In der vergangenen Woche war es der saudische Finanzminister Mohammed Al-Jadaan, der den saudischen Traum vom ewigen Wachstum platzen ließ. Der auch als "die Stimme der saudischen Regierung" bekannte Al-Jadaan erklärte im staatlichen Fernsehsender al-Arabiya, dass das Königreich am Persischen Golf seit Jahrzehnten "keine Krise diesen Ausmaßes" erlebt habe.

Demnach müssten die staatlichen Ausgaben daher "beträglich gekürzt" werden. Noch eine Woche zuvor, hatte Al-Jadaan angesichts der Auswirkungen der Corona-Krise auf die globalen Ölpreise noch weit weniger dramatisch geklungen.

Jetzt sollen die sogenannte Lebenshaltungskostenpauschale für Staatsbedienstete ausgesetzt und der Mehrwertsteuersatz verdreifacht werden.

Die Lebenshaltungskostenpauschale wird vom 1. Juni an ausgesetzt und die Mehrwertsteuer vom 1. Juli an von fünf Prozent auf 15 Prozent angehoben", erklärte der saudische Minister nun am Montag.

Im Jahr 2018 ordnete Saudi-Arabiens König Salman eine monatliche Zahlung von 1.000 Riyals (etwa 267 US-Dollar) an jeden Staatsangestellten an, um diese demnach für die steigenden Lebenshaltungskosten zu entschädigen, nachdem die Regierung die inländischen Gaspreise erhöht und die Mehrwertsteuer eingeführt hatte. Laut im Dezember 2019 veröffentlichter Zahlen sind etwa 1,5 Millionen Saudis im Regierungssektor angestellt.

Zurzeit leidet der weltgrößte Ölexporteur unter sinkenden Preisen für das schwarze Gold, während gleichzeitig Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 das Tempo und das Ausmaß der von Kronprinz Mohammed bin Salman eingeleiteten Wirtschaftsreformen bremsen dürften. Die nun anstehenden massiven Kürzungen betreffen neben einigen Regierungsbehörden demnach auch eine Reihe von Initiativen und Megaprojekte im Rahmen der sogenannten Vision 2030 im Gesamtwert von 100 Milliarden Saudi-Riyals (26,6 Milliarden US-Dollar).

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Mit der Vision 2030 beabsichtigte Kronprinz bin Salman bislang, die Monarchie fit für die Zeit nach der Ölära zu machen. Bereits vor der Corona-Krise waren die Prognosen für das Königreich jedoch alles andere als rosig für die Zukunftsvisionen des Kronprinzen. Im Zuge des Ölpreisverfalls ergriff das Königreich bereits Ende 2015 eine Reihe strenger Austeritätsmaßnahmen, darunter die Streichung üppiger Prämien, Überstundenzahlungen und anderer Vergünstigungen, die einst als Routineleistungen im öffentlichen Sektor galten.

2019 war es dann der Internationale Währungsfonds (IWF), der die Prognosen für das saudische Wirtschaftswachstum von 1,9 auf 0,2 Prozent weiter senkte. Parallel dazu, warnte die Ratingagentur Fitch, sei Saudi-Arabien "anfällig für eskalierende geopolitische Spannungen angesichts seiner prominenten außenpolitischen Haltung, einschließlich seiner engen Ausrichtung an der US-Politik gegenüber dem Iran und seiner anhaltenden Beteiligung am Jemenkrieg".

Der Jemenkrieg, der ultra-orthodoxe Islam wahhabitischer Prägung und die alles andere als rechtsstaatliche Verfasstheit des saudischen Staates konnten der Partnerschaft zwischen dem saudischen Hof und dem selbsternannten "Westen" jedoch nichts anhaben, schließlich geht es auch um Milliardengeschäfte mit den bis dato solventen Saudis. Von der Vision 2030 etwa erwarten sich deutsche Konzerne lukrative Aufträge.

Als CEO für die Zukunftsstadt Neom holte sich der Kronprinz im Jahr 2018 zunächst für 14 Monate den ehemaligen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, um am Umbau der saudischen Wirtschaft mitzuwirken. Im Jahr 2018 wechselte Kleinfeld dann an die Spitze des Neom-Verwaltungsrats. Der Tisch schien also gedeckt für üppige Aufträge und eine noch engere Wirtschaftspartnerschaft zwischen Berlin und Riad.

Doch die bereits in den vergangenen Jahren heraufziehende wirtschaftliche Krise im Königreich schlägt aufgrund der Corona-Krise nun offensichtlich voll durch.

Diese Maßnahmen sind schmerzhaft, aber notwendig, um die finanzielle und wirtschaftliche Stabilität mittel- bis langfristig aufrechtzuerhalten (...) und um die beispiellose Coronavirus-Krise mit dem geringstmöglichen Schaden zu überwinden", heißt es nun aus Riad zu den fiskalpolitischen Maßnahmen der Regierung.

Die nun eingeleiteten Sparmaßnahmen erfolgen, nachdem das vor wenigen Jahren vom damaligen Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière als "Stabilitätsanker in der Region" bezeichnete Königreich im ersten Quartal 2020 ein Haushaltsdefizit von neun Milliarden US-Dollar verzeichnete.

Nun erklärte Finanzminister Al-Jadaan, die nicht mit Öl in Verbindung stehenden Einnahmen seien durch den Rückgang der volkswirtschaftlichen Aktivität beeinträchtigt worden, während die Ausgaben aufgrund ungeplanter Belastungen im Gesundheitssektor und der zur Unterstützung der Wirtschaft ergriffenen Initiativen gestiegen seien.

All diese Herausforderungen haben die Staatseinnahmen gesenkt und die öffentlichen Finanzen auf ein Niveau gedrückt, das schwer zu bewältigen ist, ohne die Gesamtwirtschaft mittel- bis langfristig zu beeinträchtigen, was weitere Ausgabenkürzungen und Maßnahmen zur Unterstützung der Stabilität der Nicht-Öleinnahmen erfordert", fügte er hinzu.

Die Währungsreserven der Zentralbank sanken im März so stark wie seit mindestens 20 Jahren nicht mehr und liegen nunmehr auf dem niedrigsten Stand seit 2011.

Die saudischen Öleinnahmen fielen in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent auf 34 Milliarden US-Dollar. Dis entspricht einem Rückgang der staatlichen Gesamteinnahmen um 22 Prozent.

Die Wirtschaft Saudi-Arabiens stand unter großem Stress. Aus diesem Grund entnahm die Regierung im März 23 Milliarden US-Dollar aus der Reserve. Das ist die größte Entnahme aus der Reserve, die es in der Geschichte des Landes je gegeben hat", erklärte Ali al-Ahmed, saudischer Experte am Institute for Gulf Affairs in Washington gegenüber Al Jazeera.

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