Meinung

Jürgen Trittin und die "vaterlandslosen Gesellen" von der AfD

Jürgen Trittin verdammt im Bundestag die energiepolitischen Positionen der AfD und beschimpft die Partei als "vaterlandslose Gesellen". Die Verwendung dieses Begriffs für die AfD wirkt reichlich schief – und verrät am Ende einiges über die Grünen.
Jürgen Trittin und die "vaterlandslosen Gesellen" von der AfD© Twitter / Grüne im Bundestag

von Andreas Richter

Der Bundestagsabgeordnete und Alt-Grüne Jürgen Trittin hat in einer Rede im Bundestag die AfD als "unpatriotisch" und als "vaterlandslose Gesellen" beschimpft. Trittin kritisierte die AfD für ihre Positionen in der Energiepolitik, konkret für ihr Festhalten an fossilen Energien, ihre kritische Haltung zu den erneuerbaren und ihre Position in der Klimadebatte. Seine Rede gipfelte in dieser Fundamentalkritik an der AfD:

Eine Partei, deren Abgeordnete meinen, sie müssten Wahlkreisbüros in Russland aufmachen, eine Partei, die entgegen völkerrechtlichen Vereinbarungen mit Diplomatenpässen auf die Krim reist und das anschließend als Privatreisen ausgibt, eine Partei, die einen Abgeordneten wie Herrn Frohnmaier in ihren Reihen hat, der in Russland offen als Einflussagent geführt wird, eine solche Partei handelt nicht im deutschen Interesse. Das sind keine Patrioten, das sind vaterlandslose Gesellen.

Die anti-russische Rhetorik ist gewissermaßen Standard, Trittins Rede ist aus anderen Gründen bemerkenswert. Zunächst einmal ist seine Logik halsbrecherisch. Er erklärt zunächst, dass es Energieversorgungssicherheit nicht national gebe. Dann moniert er, dass die Energieträger für Kern- und fossile Energien ganz oder größtenteils importiert werden müssten:

Darauf kann man keine Energieversorgungssicherheit aufbauen.

Im nächsten Schritt preist er erneuerbare Energien als "heimische Energien" und als Mittel zur Stärkung der eigenen Energiesouveränität und Energiesicherheit. Die AfD untergrabe die deutsche Energiesouveränität, indem sie die Importabhängigkeit in die Höhe treibe.

Die von Trittin beschworene Energiesouveränität erinnert an das Autarkieideal der deutschen Faschisten und ist im gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Kontext sinnlos. Die Bundesrepublik importiert seit Jahrzehnten Energieträger, ohne dabei Probleme oder Unsicherheiten erfahren zu haben.

Die erneuerbaren Energien, also in erster Linie Wind- und Solarenergie, als Garanten der Energiesicherheit zu preisen, ist auch in technischer Hinsicht problematisch. Gegenwärtig lässt sich das Gegenteil verzeichnen: Die Versorgungssicherheit sinkt – durch den Rückgang bei den fossilen und der Kernenergie, den die erneuerbaren Energien eben nicht ausgleichen können, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.

Den Vogel allerdings schießt Trittin mit dem Gebrauch der Wendung "vaterlandslose Gesellen" ab. Dieser stammt noch aus dem Kaiserreich und wurde ursprünglich zur Diskreditierung von Sozialdemokraten und anderer linker Kräfte gebraucht, für die der Hauptgegensatz der zwischen den Klassen war, nicht der zwischen den Nationen.

Trittin bedient sich also der Rhetorik des deutschnationalen Establishments der Vergangenheit, um die rechte Opposition der Gegenwart anzuprangern. Das ist peinlich genug. Dass er dabei die erneuerbaren Energien – im Gegensatz zu den zu importierenden anderen Energieträgern – als heimisch und gut darstellt, kontrastiert mit der Verurteilung von Nationalismus und Unilateralismus am Anfang der Rede und gibt dem Ganzen noch eine zusätzliche komische Note. 

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Jürgen Trittin war als Umweltminister der Erfinder des Dosenpfands und erklärte 2004, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat koste. Trotzdem kann er als einer der vernünftigeren Grünen gelten; seine außenpolitischen Positionen sind vergleichsweise moderat.

Sein Ausfall gegen die "Vaterlandslosen Gesellen" mag ein rhetorischer Ausrutscher gewesen sein; er zeigt aber auch recht gut, wo die Grünen heute zu verorten sind: Im Herzen des deutschen urbanen Bürgertums unserer Tage, das sich gern bunt, weltoffen und "divers" gibt und dabei in seiner Engstirnigkeit und Selbstgerechtigkeit doch selbst wirkt wie eine Karikatur des Wilhelmismus der Urgroßväter und seines "Am deutschen Wesen mag die Welt genesen". 

Diejenigen, die sich der grünen Ideologie verweigern, als "vaterlandslose Gesellen" zu beschimpfen, ist deshalb letztlich auch konsequent. Allerdings könnten Trittin und die Grünen den Begriff Vaterland noch im Sinne der Geschlechtsneutralität optimieren: Elter-2-Land würde für sie besser passen.

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