Meinung

Merkels Nebelkerzen zünden nicht mehr

Angela Merkel kritisiert die Linke für ihre Unterstützung der Gelbwesten in Frankreich. Die Partei solle sich klar und deutlich von der Gewalt dort distanzieren. Damit versucht Merkel einmal mehr vom eigentlichen Problem abzulenken: der sozialen Spaltung.
Merkels Nebelkerzen zünden nicht mehrQuelle: Reuters © Annegret Hilse

von Andreas Richter

Angela Merkel hat bei der Fragestunde im Bundestag am Mittwoch die Linke scharf für ihre Unterstützung der französischen Gelbwesten angegriffen. Der Linksfraktion sagte Merkel unter Beifall von Union und FDP sowie von Abgeordneten der SPD und der Grünen (zu sehen im Video unten):

Im Übrigen finde ich, dass Ihre uneingeschränkte Unterstützung des Protestes der Gelben Westen durch den Vorstand der Linken skandalös ist, weil Sie kein Wort zu der Gewalt sagen, die dort auf den Straßen angewandt wird, und Sie sollten sich klar und deutlich von Gewalt bei Demonstrationen distanzieren.

Wir haben es hier mit einer klassischen Merkel'schen Nebelkerze zu tun. Wieder einmal soll die Stimme derer diskreditiert werden, die sich laut zu Wort melden, weil sie bei der Politik kein Gehör finden. Oder eben in diesem Fall die Stimme ihrer Unterstützer. Dies geschieht durch die Betonung von Randaspekten der Proteste, hier der Gewalt, als ob diese den Kern der Proteste ausmachten, als ob die Gewalt nur oder auch nur in erster Linie von den Demonstranten ausginge, und durch das völlige Ausblenden ihres eigentlichen Inhalts: der sozialen Frage.

Im Falle von Chemnitz hatte dies aus Merkels Sicht noch prima funktioniert. Eine ganze Stadt wurde von Politik, Medien und einem großen Teil der Gesellschaft in die Nazi-Ecke gestellt, über das eigentliche Anliegen der Demonstranten, die innere Sicherheit, auch das ein Aspekt der sozialen Frage, wurde großspurig und mit dem Gestus der moralischen Überlegenheit hinweggegangen.

Diese Ablenkungsmanöver Merkels, eine Variation des alten "Haltet den Dieb", funktionieren immer weniger. Das liegt auch daran, dass sie sich abnutzen, vor allem aber daran, dass die sozialen Probleme auch für die Mitte der deutschen Gesellschaft immer deutlicher und schmerzhafter greifbar und spürbar werden. Sprüche wie der vom "besten Deutschland aller Zeiten" oder dem "Land, in dem wir gut und gerne leben" klingen von Tag zu Tag hohler. Auch in diesem Land wird der Tag kommen, an dem die soziale Spaltung die Menschen mobilisieren wird.

Natürlich ist die Kanzlerin nicht die Einzige, die sich solcher Taschenspielertricks bedient. Der gesamte politisch-mediale Komplex beherrscht sie. Vor ein paar Tagen lieferten die Medien dafür ein schönes Beispiel. Aus dem Umstand, dass sich unter den 167.000 Unterstützung der Bewegung "Aufstehen" 100 (in Worten: Einhundert) AfD-Mitglieder befinden sollen, machten einige Zeitungen doch tatsächlich eine Nachricht nach dem Motto: "Aufstehen zieht AfDler an."

Noch ein Wort zu Merkels Kritik an der Linken. Sie ist natürlich auch deshalb scheinheilig, weil Merkels Verurteilung von Gewalt offenkundig sehr selektiv ist. Die Luftangriffe westlicher Staaten auf Syrien im Frühjahr dieses Jahres fand sie "angemessen", im Jahr 2003 unterstützte sie sogar den Irakkrieg ihres Freundes George W. Bush. An der mit diesen kriegerischen Akten verbundenen Gewalt ganz anderen Ausmaßes hat sie sich nicht gestört.

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