Meinung

Der Tagesspiegel über RT Deutsch und #aufstehen – Ein Fall für Fielmann

Schon 85.000 Menschen interessieren sich für die neue Sammelbewegung. Wenn andere über diese schreiben, ist es Berichterstattung. Wenn RT Deutsch es tut, "Trommeln" für das Projekt – findet jedenfalls der Tagesspiegel. Er hätte genauer hinschauen sollen.
Der Tagesspiegel über RT Deutsch und #aufstehen – Ein Fall für FielmannQuelle: Reuters © Mario Anzuoni

von Timo Kirez

"Ihr habt uns überwältigt" - unter diesem Titel postete die neue linke Sammelbewegung "#aufstehen" am Dienstag ein Video auf Youtube. Der Hintergrund: Mittlerweile haben sich schon 85.000 Menschen bei der Bewegung eingetragen - dabei geht es erst ab dem 4. September richtig los. Nur zum Vergleich: Die FDP kam zum Jahresende 2017 auf insgesamt 63.050 Mitglieder. Die Grünen auf 65.257, und die Linke auf 62.298. Das ist in der Tat beachtlich und zeigt, dass die Initiative von Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und Bernd Stegemann offensichtlich einen Nerv getroffen hat. Anders lässt sich so viel Zuspruch in so kurzer Zeit nicht erklären.

Apropos Nerven: Die scheinen bei einigen deutschen Leitmedien blank zu liegen. Selten wurde eine politische Bewegung schon im Vorfeld dermaßen diskreditiert. Ganz gleich, wie man zu Sahra Wagenknecht und ihrer Bewegung steht: Ein Mindestmaß an Manieren und Fairness sollte man erwarten dürfen. Wenn jedoch Historiker wie Michael Wolffsohn die neue Bewegung in der BILD-Zeitung mit der NSDAP vergleichen dürfen, darf man getrost von einem journalistischen Tabubruch sprechen. 

Auch der Spiegel gibt sich redlich Mühe, "#aufstehen" in die Schmuddelecke zu stecken. "Gealterte Politstars, treue Helfer, Theaterleute - und eine Kabarettistin mit Verschwörungstheorien", schreibt das "Sturmgeschütz der Demokratie" - was kann da schon bei rumkommen? Die Liste der Vorurteile gegenüber "#aufstehen" ist lang und wird täglich länger. Doch bisher fehlte ein spezieller Vorwurf, der sonst bei jeder passenden wie auch unpassenden Gelegenheit von den Mainstreammedien gerne aus dem Giftschrank geholt wird - der geneigte Leser ahnt schon, es geht um Russland. Vorhang auf für Matthias Meisner vom Tagesspiegel.

In einem Artikel am Mittwoch legt sich Meisner mächtig ins Zeug, um die neue Bewegung in die Nähe des Kreml zu rücken. Als Beleg für diese These, die natürlich keine Verschwörungstheorie ist, das machen bekanntlich nur die Russen, muss unter anderem das Profilbild  des Dramaturgen Bernd Stegemann auf Twitter herhalten. Meisner schreibt: 

Als sein Profilbild in dem Kurznachrichtendienst wählte er ein Foto, das ihn an der Kremlmauer nahe des Roten Platzes in Moskau zeigt.

Das ist eine Form der Beweisführung, die vermutlich noch nicht einmal bei einem Sonntags-Tatort durchgehen würde. Dass es darüberhinaus so etwas wie eine "Metaebene" oder auch "Ironie" gibt, weiß Meisner offenbar nicht. Wie könnte er auch - er ist ja kein Dramaturg. Zum Glück für das deutsche Theater, muss man da sagen. Ähnlich humorfrei geht es in dem Beitrag von Meisner dann auch weiter. Als er sich endlich den "russischen Medien" widmen darf, passieren ihm jedoch zwei Schnitzer. Wir möchten hier nicht von "Fake News" sprechen, denn das machen bekanntlich nur die Russen.

Zunächst schreibt Meisner in seinem Beitrag: "Der Propagandakanal RT Deutsch trommelt seit Monaten für das Projekt." Richtig, RT Deutsch berichtete von Beginn an über die geplante linke Sammlungsbewegung. Aber das machten und machen andere Medien ebenso. Wer Lust und Zeit in eine kleine Recherche investieren möchte, kann gerne in den Suchmaschinen von RT Deutsch und des Tagesspiegel nachprüfen, wer bis jetzt mehr zu diesem Thema geschrieben hat - es ist eindeutig der Tagesspiegel. Mit anderen Worten: Wenn der Tagesspiegel über etwas schreibt, läuft es unter normaler Berichterstattung. Wenn es RT Deutsch tut, ist es "Trommeln". Warum? Weil es ein russischer Staatssender ist. Und: russischer Staat gleich böse. Capisce?

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Diese Argumentation, wenn man sie denn überhaupt so bezeichnen mag, macht der Redewendung "von der Wand bis zur Tapete denken" alle Ehre. Doch nun zu den Schnitzern. Meisner schreibt weiter in seinem Beitrag: 

Politisch vielversprechend" sei die Initiative, hieß es dort [bei RT Deutsch] vor zwei Wochen in einem Kommentar. Beklagt wurde in dem Meinungsartikel, dass die Linkspartei ihren "einzigen Superstar" - gemeint war Wagenknecht - "öffentlich demontiert". Und weiter hieß es: "Das Beharren der Kritiker auf einem 'versteckten rechten Kern' der Sammlungsbewegung ist unseriös und unbelegt."

Es ist richtig, dass es diesen Meinungsbeitrag auf RT Deutsch gibt. Doch erstens stammt er nicht "von vor zwei Wochen", wie Meisner schreibt, sondern die von ihm zitierten Textpassagen stammen aus einem Beitrag vom 19. August, und zweitens erschien dieser Meinungsbeitrag zeitgleich mit einem weiteren Artikel, der sich klar kritisch mit der linken Sammlungsbewegung auseinandersetzt. Wie auf diesem Bild auch eindeutig zu sehen:

Zudem setzt Meisner in seinem Beitrag zwar Hyperlinks, aber nicht auf den angesprochenen Beitrag von RT Deutsch, der Leser könnte sich ja ein eigenes Urteil bilden, sondern auf ältere, eigene Beiträge, die de facto nichts mit den vorgebrachten Vorwürfen gegen RT Deutsch zu tun haben. So viel Chuzpe muss man erstmal haben.

Warum aber wird der andere, kritische Beitrag von RT Deutsch zu der linken Sammlungsbewegung mit keiner Silbe erwähnt? Haben Meisner - das Thema Nerven wurde schon erwähnt - hier die Sehnerven einen Streich gespielt? Wohl kaum. 

Es ist lediglich nur ein weiterer hilfloser Versuch, eine "Russland-Connection" herbeizuschreiben, wo keine ist. RT Deutsch muss mit derartiger Verleumdung seit Jahren leben - für die Mitglieder der neuen Sammlungsbewegung dürfte es eine neue Erfahrung sein. Willkommen im Deutschland des Jahres 2018. 

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