Meinung

Ex-US-Botschafter Michael McFaul: Mein Leben hat sich wegen Putin dramatisch verändert

Soll man nun Mitleid mit dem ehemaligen US-Botschafter in Moskau haben? In einem Interview beschwerte er sich, dass seine akademische Karriere als Russlandexperte eigentlich am Ende sei. Aber wer ist dieser Michael McFaul, und was hat Putin mit seiner Karriere zu tun?
Ex-US-Botschafter Michael McFaul: Mein Leben hat sich wegen Putin dramatisch verändertQuelle: Reuters

von Zlatko Percinic

Nach dem Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin in Helsinki am 16. Juli geriet der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, unerwartet wieder ins Zentrum des medialen Interesses. Er selbst beschwerte sich darüber, dass sich sein Leben "dramatisch verändert" habe, seit er auf "Putins Feindesliste" stehe.

Der russische Präsident schlug nämlich vor, dass die USA ein Team mit Sonderermittler Robert Mueller nach Moskau schicken könnten, um dort der Befragung der von den USA angeklagten zwölf russischen Offiziere beizuwohnen. Im Gegenzug erwarte Putin aber, dass auch die USA Befragungen in den Vereinigten Staaten durchführen. Und wie in Russland, sollten diese Befragungen auch in den USA durch eigene Behörden durchgeführt werden, sprich durch US-Personal, und russische Agenten würden lediglich zuhören.

So weit, so gut. Doch plötzlich kam die Zeitung Washington Post und behauptete, dass eine der in Frage kommenden Personen der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, sei. Mit diesem Artikel trat die Zeitung des Amazon-Gründers Jeff Bezos eine regelrechte Hexenjagd los, die zu zahlreichen teils heftigen Reaktionen führte. Ehemalige US-Außenminister wie John Kerry und William Perry meldeten sich zu Wort, genauso wie James Clapper, der ehemalige Direktor aller Geheimdienste. Und bei allen herrschte derselbe Tenor: Es sei unerhört, dass die US-Regierung überhaupt daran denkt, einen US-Bürger und sogar noch einen ehemaligen Botschafter an "die Russen zum Verhör auszuhändigen".

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Doch von einer "Aushändigung zum Verhör" war überhaupt nie die Rede. Und auch der Name McFaul wurde nirgends erwähnt. Selbst in dem Artikel der Washington Post, in dem man angeblich die Personen "identifiziert" haben will, die Moskau gerne befragt sehen möchte, wird in dem "Beweis" der ehemalige US-Botschafter mit keiner Silbe erwähnt.

Der einzige Name, der tatsächlich gefallen ist, ist der von Bill Browder, dem umstrittenen Investor und Gründer von Hermitage Capital Management. Abgesehen von Browder wurde niemand weiter namentlich genannt. Lediglich dieser Satz des russischen Präsidenten scheint die Fantasien der US-Journalisten und Politiker beflügelt zu haben:

Dann würden wir erwarten, dass die Amerikaner eine Gegenleistung erbringen. Sie würden Beamte befragen, einschließlich Offiziere der Strafverfolgungsbehörde und Geheimdienste der Vereinigten Staaten, von denen wir glauben, dass sie etwas mit illegalen Handlungen auf dem Gebiet von Russland zu tun haben.

Nirgends wurde Michael McFaul erwähnt, und doch wird behauptet, dass es eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle, wenn Russland plötzlich gezielt Personen aus dem Regierungskreis aussuchen könne, um sie dann sogar nach Moskau zu "überführen". Ob es eine Art Freud'scher Versprecher oder das eigene schlechte Gewissen war, das die US-Medien und Politiker jeglicher Couleur diesem Fall von "Fake News" aufsitzen ließ?

Nachdem sich aber alle auf diesen ehemaligen US-Botschafter in Moskau stürzten, lohnt sich ein etwas genauerer Blick hinter die übliche Fassade von Lobhudeleien.

Wer ist Michael McFaul?

Der im US-Bundesstaat Montana geborene Michael McFaul ist kein Karrierediplomat. Er studierte an der Stanford University internationale Beziehungen und slawische Sprachen. Mit 20 Jahren besuchte er zum ersten Mal die Sowjetunion im Rahmen eines Auslandsstudiums und verfolgte nach seiner Rückkehr weiter eine akademische Karriere. Im Jahr 2009 wurde er von US-Präsident Barack Obama in den Nationalen Sicherheitsrat berufen, mit Zuständigkeit für Russland und Eurasien.

Obwohl ihn alle als Russland-Experten bezeichnen, sieht er das ganz offensichtlich nicht ganz so. In einem Interview sagte er mal:

Die meisten Russlandexperten sind Diplomaten, Sicherheitskräfte und Rüstungskontrolleure. Oder (in der) russischen Kultur (Bewanderte). Ich bin das nicht. Ich kann Puschkin nicht zitieren. Ich bin Spezialist in Demokratie, antidiktatorischen Bewegungen, Revolutionen.

Er gilt aber auch als Architekt des amerikanischen "Reset"-Programms mit Russland, sozusagen eines politischen Neuanfangs zwischen den beiden Nuklearmächten. Dafür wurde er 2011 mit der Nominierung als US-Botschafter in Moskau geehrt und bezog am 10. Januar 2012 die Räumlichkeiten im Spaso House, der Botschaftsresidenz.

Bereits wenige Tage später empfing McFaul russische Oppositionelle, die sichtlich überrascht waren, als sie von einem Journalistenteam vor der US-Botschaft begrüßt wurden. Auf die Frage, was sie denn hier täten, versuchten die meisten auszuweichen, aber Boris Nemzow antwortete, dass sie auf Einladung des US-Botschafters kämen.

Obwohl es für Vertreter Washingtons in Russland völlig normal ist, sich mit Oppositionellen und Kremlkritikern zu treffen, scheint der Großteil der russischen Bevölkerung das nicht so zu sehen. An einer Online-Umfrage, was sie davon hielten, dass "Vertreter der nicht-systemischen Opposition den amerikanischen Botschafter besuchen", nahmen insgesamt 35.448 Menschen teil. Davon antworteten 76,8 Prozent, dass sie dem "extrem negativ" gegenüberstünden, 7,7 Prozent war es egal, und nur vier Prozent sagten, dass sie damit "vollkommen einverstanden" seien.

Die Teilnehmer, die dem Ruf des US-Botschafters gefolgt waren, waren der inzwischen leider ermordete Oppositionspolitiker und ehemalige Vizeministerpräsident Boris Nemzow, Jewgenija Tschirikowa von der Organisation Strategy 31, Lew Ponomarew von der Menschenrechtsorganisation Moscow Helsinki Group und Lilija Schibanowa von der Organisation GOLOS.

Das Bindeglied zwischen diesen Organisationen und dem US-Botschafter ist das National Endowment for Democracy (NED). Obwohl offiziell als unabhängige Nichtregierungsorganisation gegründet, ist der Einfluss staatlicher Organen so groß, dass sogar zugegeben werden musste, dass die Finanzierung "größtenteils durch den US-Kongress" stattfindet. Der Kongress hält bei seiner Beschreibung des NED fest, dass im Falle einer Anstellung bei der Organisation von US-Regierungsmitgliedern, "keine Reisekostenerstattung bei Dienstleistungen für das NED" durch die Regierung stattfinde.

All diese russischen Organisationen haben in der Vergangenheit Geld aus Washington erhalten, vorzugweise über das NED, in dessen Vorstand die Crème de la Crème der Regime-Change-Vertreter sitzt. Die Moscow Helsinki Group erhält sogar von mehreren Organisationen Geld, unter anderem von der Europäischen Kommission, USAID und George Soros' Open Society Foundation.

Es ist Teil der US-Außenpolitik, sehr viel Geld in die "Demokratisierung" anderer Länder zu stecken. Die Debatte über Sinn oder Unsinn dieser Politik wird in Washington im Verborgenen geführt, jedoch setzten sich in den letzten 15 Jahren stets die Befürworter durch.

In einem geheimen Rapport des US-Kongresses wird deutlich, dass sich durchaus die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Unterstützung für NGOs und Oppositionelle in Russland eigentlich zum Gegenteil dessen führt, was man ursprünglich vorhatte. Die russische Regierung sehe demnach diese Förderung von manchmal fragwürdigen NGOs als "Einmischung in interne Angelegenheiten" an, was wiederum die Beziehungen zwischen den beiden Nuklearmächten trübe. Es waren aber laut dem Bericht insbesondere die Senatoren John McCain und Joseph (Joe) Biden, die gegen Moskau agitiert und sich am Ende durchgesetzt haben. Biden wurde ja schließlich Vizepräsident unter Barack Obama.

Russlanddirektor im Nationalen Sicherheitsrat legt Grundstein für Farbrevolution

Wie tief diese Einmischung in die interne Angelegenheiten Russlands reicht, zeigt diese von WikiLeaks veröffentlichte Depesche vom 11. Februar 2010. Zwei Jahre, bevor Michael McFaul zum Chef der US-Botschaft in Moskau wurde, traf er sich in seiner Position als Obamas Russlandberater mit vier "Oppositionsführern" in der Botschaft. Darunter auch wieder Boris Nemzow. Das Thema lautete: "Politische Opposition in Russland fokussiert zur Verhinderung von Putins Rückkehr".

Einer der Teilnehmer, Georgi Bowt, beschwerte sich darüber, dass die

Zivilgesellschaft momentan schläft und es unwahrscheinlich ist, sie in eine aktive Opposition gegen das gegenwärtige Regime durch irgendeinen politischen Prozess hineinzuziehen.

Die russischen Bürger seien offensichtlich mit dieser Gesamtsituation zufrieden, und die einzige "wirkliche Bedrohung einer Instabilität für das Regime" sei das "steigende Potenzial für großangelegte Notsituationen", so Bowt weiter.

Der einzige Kommentar dazu, der von US-amerikanischer Seite freigegeben wurde, kommt von McFaul selbst:

'De-Putinisierung' muss aus Russland selbst kommen, vom Blickwinkel ziviler Erziehung heraus, die das Verlangen innerhalb der Gesellschaft nach erhöhter Freiheit weiter erhöht.

Und genau das ist es, das die russische Regierung ihm und den verschiedenen US-Organisationen völlig zu Recht zum Vorwurf macht. Indem Washington NGOs finanziert und ausbildet, die dann den Bürgern in Russland (und natürlich in allen anderen Ländern, in denen nach demselben Schema verfahren wird) eine "Erziehung" zuteilwerden lassen, die erst ein "Verlangen" nach etwas entfachen soll, das es zuvor gar nicht vermisst oder gebraucht hat, dann ist das exakt das Grundrezept für eine "großangelegte Notsituation". Nur dass diese Notsituation nicht etwa durch eine verfehlte Regierungspolitik, sondern durch die Beeinflussung von außen herbeigerufen würde. Die perfekte Zutat für eine Farbrevolution.

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