Meinung

"Nur mal so" – SPD-Außenpolitiker Roth bezichtigt Russland der Verschleppung von Kindern

Der SPD-Abgeordnete Michael Roth hat beim Twittern tief in die Kiste der antirussischen Klischees gegriffen. Die 280 Zeichen seiner Mitteilung nutzte Roth, um mit den Begriffen "Schnellverfahren", "Verschleppen" und "Russifizieren" überwunden geglaubten historischen Jargon wiederzubeleben.
"Nur mal so" – SPD-Außenpolitiker Roth bezichtigt Russland der Verschleppung von Kindern© IMAGO/Christian Thiel/www.imago-images.de

von Mirko Lehmann

Michael Roth, der frühere bundesdeutsche "Staatsminister für Europa" und jetzige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, war sich in einem Tweet am vergangenen Freitag nicht zu schade, ganz beiläufig – "nur mal so" – drei, vier der gängigsten antirussischen Klischees aufzuwärmen. Dabei bezog er sich auf das seit dem Frühjahr 2019 vereinfachte Verfahren für Bewohner des Donbass, die russische Staatsbürgerschaft und damit wieder international anerkannte Reisepässe erhalten zu können.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und jetzige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses behauptete, Russland würde "Fakten schaffen". Allein dies soll schon nach egoistischem, regelwidrigem, gegen die berechtigten Interessen anderer gerichtetem Verhalten klingen, das womöglich auch noch mit gewalttätigen Methoden durchgesetzt würde. Kein Wort dagegen über die Ukraine, die tatsächlich seit Jahren Fakten geschaffen hatte – indem große Gruppen in der ukrainischen Gesellschaft diskriminiert wurden, nicht zuletzt deren russischsprachiger Teil.

Tatsächlich bezog sich Roth auf die vereinfachten Verfahren, nach denen die geplagten Bewohner des Donbass einen russischen Pass beantragen können. Dafür verwendete er den irreführenden Begriff "Schnellverfahren", was eher an beschleunigte Gerichtsprozesse, etwa vor einem Kriegsgericht, denken lässt – die standrechtlich folgende Exekution womöglich eingeschlossen.

Nachdem er solchermaßen seine Twitter-Gemeinde auf Nachrichten über robustes russisches Vorgehen eingestimmt hatte, behauptete Roth schließlich, Russland habe "über 200.000 Kinder" aus dem Donbass nach Russland "verschleppt". Damit liegt er ganz auf der Linie der "grünen" Außenministerin, die – ebenso wie er – glaubte, dass bestimmt keine Frauen und Kinder freiwillig aus dem Donbass nach Russland evakuiert werden wollten.

Welche Assoziationsketten sollen beim Leser aktiviert werden, woran appelliert der frühere Parlamentarische Staatssekretär damit? Wider besseres Wissen erwähnt er nicht, dass in den vergangenen Monaten tatsächlich Tausende von Kindern, aber auch Frauen und alte Menschen freiwillig aus den Donbass-Volksrepubliken nach Russland evakuiert werden wollten. Sie haben ihre Wohnstätten – soweit noch nicht zerbombt –  und ihre ukrainische Heimatregion verlassen, weil die Kiewer Truppen bereits vor dem 24. Februar den Beschuss der Wohngebiete in den abtrünnigen Republiken wieder einmal verschärft hatten. Bei Roth findet sich auch kein Wort von den Angriffen der Kiewer Truppen auf zivile Ziele in den Volksrepubliken, durch die über die Jahre zuvor seit 2014 annähernd 14.000 Menschen das Leben genommen wurde, drei Viertel davon auf der Seite der unabhängigen Republiken. Die evakuierten Donbass-Bewohner konnten so ihr Leben und die Gesundheit retten, noch bevor die militärische Operation Russlands in der Ukraine begann. In Russland befinden sie sich seither in Sicherheit, und von "Verschleppung" kann nun dabei gar keine Rede sein.

Bleibt noch das vierte Klischee, an das Roth meinte, appellieren zu müssen: das von der zwangsweisen "Russifizierung". Das klingt danach, als ob Moskau kleine ukrainische Kinder ihren Eltern wegnehmen würde, um sie in ein Umerziehungslager zu stecken. Dort würden sie dann wohl zwangsweise Russisch lernen müssen. Wie soll man sich das konkret vorstellen? Kommt dann dazu etwa noch ein russischer Staatsbürgerkundeunterricht im Kinderlager und schließlich eine Gesinnungsprüfung, bevor die jungen Neu-Russen ihren neuen Pass bekommen dürfen? Erstens sprechen die Kinder und Jugendlichen im Donbass, ganz wie ihre Eltern, ohnehin ganz überwiegend Russisch – und zweitens beantragen die Erwachsenen, ob noch im Donbass oder im russischen Exil, ganz freiwillig die russische Staatbürgerschaft, auch für ihre Kinder. Aber Fakten stören ja nur – und die braucht ein deutscher Außenpolitiker, wenn es um Russland geht, wohl weder zu kennen noch zu nennen.

Und doch blieben Roths antirussische Parolen nicht unwidersprochen – hier eine Auswahl der Erwiderungen. Auf die Kritik und sachliche Argumente ist der Spitzenpolitiker der Sozialdemokraten bisher noch nicht eingegangen:

Manche Nutzer konnten auf Roths Propaganda nur mit Sarkasmus reagieren:

Und Roth wurde auf weitere Hintergründe für das russische Vorgehen hingewiesen:

Sollte Roth seinen Tweet wider Erwarten korrigieren wollen, bliebe ihm nur, ihn besser gleich ganz zu löschen. Doch dann müsste dieser ehemals humanitären Zivildienst leistende Abgeordnete ja auf seine "zeitgemäße" antirussische Stimmungsmache verzichten.

Mehr zum Thema - Komische Welt: Selenskij will "leidenden" Russen ukrainische Pässe anbieten

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
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