Meinung

Drosten macht die Welle: "Es muss gespannte Aufmerksamkeit in der Bevölkerung sein"

Christian Drosten, Lieblingsvirologe der Bundesregierung, läuft sich wieder warm und veröffentlicht nun sein neues Corona-Update als Podcast. Kritik am Lockdown hält er für "gewagt", hätte aber selbst regionale Lösungen befürwortet. Massenhafte PCR-Tests seien absolut zuverlässig.
Drosten macht die Welle: "Es muss gespannte Aufmerksamkeit in der Bevölkerung sein"Quelle: Reuters © Michael Kappeler

von Kani Tuyala

Seine Sommerpause liegt nun schon einige Zeit zurück – und so langsam läuft der Lieblingsvirologe der deutschen Medien- und Politiklandschaft, Christian Drosten, wieder zu alter Höchstform auf. Zuletzt warnte der Institutsleiter an der Berliner Charité vor einer noch "ganz anderen Dynamik", die das Coronavirus im kommenden Herbst an den Tag legen werde. Daher solle die Bevölkerung nun auch noch "Kontakttagebücher" führen, um der drohenden Gefahr die Stirn zu bieten, empfiehlt Drosten.

Zugutehalten muss man ihm, dass er aber – anders als sein derzeit noch wesentlich umtriebiger Kollege im Geiste, der SPD-Gesundheitsexperte, Gesundheitsmanager und Mediziner Karl Lauterbach – noch nicht die Gefahr der Verbreitung womöglich tödlicher Corona-Aerosole durch einen "Kamineffekt" auf dem stillen Örtchen sieht.

Dafür verbreitet der Virologe jedoch wieder seine Coronavirus-Updates als Podcast. Da bezog sich der Regierung liebster Experte zuletzt etwa auf die partout nicht leiser werdende Kritik, wonach der sogenannte Lockdown im Frühjahr gar nicht nötig gewesen sei.

Das ist natürlich schon ganz schön gewagt, was manche da so jetzt in der Öffentlichkeit sagen", ist Drosten überzeugt.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, ließe sich entgegnen. Zudem sei es allerdings fatal, wenn nun von Seiten einiger Mediziner der Eindruck erweckt würde, der Frühjahrs-"Lockdown" sei so gar nicht nötig gewesen. In dieser Aussage liegt – für den interessierten Beobachter – jedoch ein Schönheitsfehler, nämlich darin, dass es längst nicht mehr nur "Mediziner" sind, die (mittlerweile) eine andere Meinung zum Lockdown haben. Längst sind es auch Politiker wie etwa Gesundheitsminister Jens Spahn, die nun zurückrudern.

Man würde mit dem Wissen heute, das kann ich ihnen sagen, keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen, das wird nicht nochmal passieren", erklärte der gelernte Bankkaufmann Anfang September zum harschen Lockdown.

Doch später ist man immer klüger, lautet nun der Tenor in der bundesdeutschen Politik. Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit, denn schon im Frühjahr vertraten etliche renommierte Epidemiologen und Virologen einen besonneneren Standpunkt zum Thema Lockdown. Doch Drosten will selbst die aktuelle Argumentation für das Zurückrudern so nicht gelten lassen:

Es muss schon so eine gespannte Aufmerksamkeit allgemein in der Bevölkerung sein und nicht die gegenteilige Botschaft, also dieses, dass man sagt: 'Ach das wäre doch damals alles gar nicht nötig gewesen, mit heutigem Wissen hätten wir das damals alles ganz anders gemacht.' Das hätten wir sicherlich nicht", so Drosten.

Doch auch Drosten will sich nicht als Lockdown-Dogmatiker verstanden wissen.

Wir haben damals im Frühjahr in der Politikberatung zum Beispiel ähnliche Dinge gesagt. Beispielsweise damals in dieser Ministerpräsidentenrunde Mitte März ist nicht empfohlen worden, jetzt die Schule zu schließen. Was wir empfohlen haben ist: Man muss regional schauen", erklärte er in seinem Podcast am 15. September.

Bei all diesem hin und her zwischen virologischer Politikberatung und implementierter Politik mag dem interessierten Laien schon einmal schwindelig werden (und das nicht nur in Deutschland).

"Heute haben wir auch geringe Zahlen, die gemeldet werden", fährt Drosten in seinem jüngsten Podcast fort, "aber wir haben natürlich schon diese Situation, dass natürlich jüngere viel infiziert sind. Deren Symptome sind nicht so offensichtlich, die neigen vielleicht auch dazu, sich nicht sofort diagnostizieren zu lassen. Und so kommt es eben doch zu eher überraschenden Ausbrüchen (...) Im Moment müssen wir sagen: Es gibt wenig Infektionen – das ist mal so der Allgemeineindruck und der ist sicherlich für Deutschland im Moment auch nicht falsch – aber es muss eben nicht mehr lange so bleiben (...) und wir müssen ja nur mal in die Nachbarländer schauen", ergänzt Drosten.

Sind tatsächlich "jüngere viel infiziert"? Und wo kam es im Bundesgebiet aufgrund dessen zu nennenswerten "überraschenden Ausbrüchen"? Für den Laien, der für sich in Anspruch nimmt, mit seinem gesunden Menschenverstand zu arbeiten, dürfte zur entsprechenden Einordnung vor allem auch die Zahl der tatsächlich an COVID-19 Verstorbenen eine Rolle spielen.

Unter diesen 0 bis 70 Jahren sind mit und an COVID-19 0,7 Prozent gestorben. Das heißt 99,3 Prozent sind nicht gestorben. Die meisten davon waren überhaupt nicht ernsthaft krank. In Amerika weiß man, dass ungefähr 6 Prozent, die "COVID-Opfer sind", echte Opfer waren. Die anderen 94 Prozent hatten schwere Vorerkrankungen", ordnet der sehr renommierte, aber sehr selten zu Talkshows eingeladene Infektionsepidemiologe Prof. Dr. Sucharit Bhakdi die Situation ein.

Bhakdi zielte mit seiner Rechnung – basierend auf den Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) – auf die Sinnhaftigkeit, mit der jetzt fieberhaft an der Entwicklung von Impfstoffen gearbeitet wird.

Zudem stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage die Bundesregierung nach wie vor von einer "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" spricht, wenn weder die Infektionszahlen noch die zu beklagenden Krankheitsverläufe die verheerende Letalität auch nur ansatzweise hergeben. Bis heute schätzt das RKI "die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch". Nur zur weiteren Einordnung: Der Anteil der auf Corona positiv Getesteten unter allen Intensiv-Patienten liegt in Deutschland seit Monaten bei etwa einem Prozent. Die höchste Anzahl an Intensiv-Patienten, die wegen oder mit COVID-19 (neben einer anderen) Erkrankung behandelt wurden, lag am 21. April bei 2.910 Personen – und zwar bundesweit.

Und wenn überhaupt ohnehin vor allem vorerkrankte Menschen tatsächlich – in welcher Form auch immer – Opfer von COVID-19 werden, wäre es dann aus Präventionssicht nicht wesentlich effektiver, in die allgemeine Gesundheit aller Menschen zu investieren, also quasi die wahren Krankheiten zu bekämpfen und nicht nur die hohe Anfälligkeit für Coronaviren oder deren Symptomatik, etwa durch die Jagd nach einem Impfstoff? Warum geschieht dies nicht? Lässt sich damit nicht schon genug Profit erwirtschaften? Zu welchem logischen Schluss sollte man sonst gelangen, wenn es doch vermeintlich stets um den "Schutz des Lebens" aller geht.

Und apropos Ausland. Wenn – wie in Italien, Frankreich und Spanien – die Corona-Lage nach wie vor oder wieder angespannt ist, die Corona-Maßnahmen der Regierungen denen in Deutschland aber sehr ähneln oder sogar darüber hinaus gehen, muss man sich dann nicht fragen, ob es andere Faktoren sind, die dabei eine Rolle spielen? Und selbst in Italien soll es nach Aussagen während der Anhörungen im Corona-Ausschuss keine "Übersterblichkeit" gegeben haben – selbst in der Lombardei, mit Ausnahme zweier Orte: Bergamo und Brescia aufgrund regionaler Spezifika.

Auf Initiative von Verwandten der Opfer von Bergamo wird bereits gegen den italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte Conte und sechs Minister, darunter auch gegen Gesundheitsminister Luigi Speranza, bereits strafrechtlich ermittelt. Vorgeworfen werden ihnen:

Epidemische Straftaten, fahrlässige Verbrechen gegen die Gesundheit, Totschlag, Amtsmissbrauch, Angriff auf die Verfassung, Angriff auf die politischen Rechte der Bürger (Artikel 110, 438, 452 und 589, 323, 283, 294 des Strafgesetzbuches).

Nun basierte aber die auch durch die Medien hervorgerufene Corona-Angst größtenteils auf den Schreckensbildern aus Italien.

Doch zurück zu den Infektionszahlen in Deutschland.

Es ist nicht der Fall, dass reihenweise falsch positive Meldungen in die Statistiken eingehen, hinter denen gar keine Krankheitsfälle stehen. Und wenn es grenzwertige Befunde gibt, werden die Proben überprüft und erneut getestet", versichert Drosten mit Bezug auch auf die sogenannten Querdenker-Demos, auf denen etwa die Aussagekraft positiver Testergebnisse bezweifelt wurde.

Auch das Deutsche Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin (EBM) ist dazu gänzlich anderer Meinung als Drosten und verurteilt etwa die aktuelle Praxis immer weiter um sich greifender PCR-Tests als unwissenschaftlich. "Anlasslose Massentestungen an klinisch Gesunden" würden zudem "zu einer hohen Fehlerquote" führen, heißt es.

Die tägliche Berichterstattung der gemeldeten absoluten Fallzahlen ist kaum interpretierbar, wenn nicht bekannt ist, wie viele Tests bei welchen Personen durchgeführt werden. Denn je mehr getestet wird, umso häufiger lassen sich auch richtig oder falsch positiv getestete Personen finden. Schlimmer noch: Je häufiger gesunde und beschwerdefreie Menschen  untersucht werden, umso häufiger gibt es auch bei diesen noch (falsch-) positive Ergebnisse – von also fraglicher Bedeutung. Die Falsch-Positiv-Rate müsste dementsprechend erwähnt werden", wird vom EBM gefordert.

Ähnliches erklärte vor wenigen Tagen auch die Ex-Frau vom SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach, dieEpidemiologin Angela Spelsberg.

Wir haben steigende Testpositiven-Zahlen, weil wir derzeit Massentestungen unstandardisiert vornehmen, die auf jeden Fall sofort beendet werden können, denn sie führen zu keinen aussagekräftigen Ergebnissen. Ein testpositives Ergebnis bei einem symptomlosen Menschen hat noch gar keine Bedeutung", erläutert die Leiterin des Tumorzentrums Aachen.

Die nun verbreitete Argumentation, wonach es vor allem die rigiden Corona-Maßnahmen der Bundesregierung samt Lockdown gewesen seien, die der Bevölkerung Schlimmeres erspart hätten, hält sie zudem für ausgemachten Blödsinn.

Es wurde gesagt, es ist ein neuartiges Virus, gegen das unser Immunsystem in keiner Weise geschützt ist. Diese Annahme war eindeutig falsch, denn nicht der Lockdown hat dazu geführt, dass die Infektionsausbreitung sich abgebremst hat und schließlich das Virus nicht mehr Infektionen ausgelöst hat, sondern unser Immunsystem hat das vermocht", ist Spelsberg überzeugt.

In Sachen Corona-Test plädiert Drosten mit Blick auf die kalte Jahreszeit in seinem Podcast für den Einsatz von Corona-Schnelltests (sogenannte Antigen-Tests). Diese stehen aufgrund ihrer geringeren Spezifität allerdings noch stärker in der Kritik als die herkömmlichen PCR-Tests – die auf dem deutschen Markt nicht zulassungs- sondern nur anzeigepflichtig sind.

Aber die Antigen-Tests haben einen riesigen Vorteil: Sie sind sehr schnell und vor Ort verfügbar. Was nützt mir ein PCR-Test, der sehr empfindlich ist, aber auf dessen Ergebnis ich drei, vier Tage warten muss, weil die Labore überlastet sind?

Nun darf man gespannt sein, wie sich die Situation weiterentwickelt. Wenn bald jeder stinknormale Schnupfen als Corona-Symptom fehlinterpretiert und womöglich auch noch fehldiagnostiziert wird, könnte uns aus epidemiologischer Sicht tatsächlich ein "heißer Herbst" bevorstehen.

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