Deutschland

So wird der Umbruch nichts: Vorne drei schnelle Mopeds – hinten undicht

Noch einmal werden die Defizite der Nationalelf deutlich. Trotz einer ordentlichen Vorstellung gegen Holland und der "drei schnellen Mopeds" Sané, Werner und Gnabry bleibt am Ende der Lohn aus. Auch für das Jahr 2019 lauern Gefahren.
So wird der Umbruch nichts: Vorne drei schnelle Mopeds – hinten undicht© Leon Kuegeler

Nach einem Jahr wie im falschen Film steht "Regisseur" Joachim Löw mit seinem abgestürzten Nationalteam vor einem komplizierten Neuaufbau 2019. Die Bilanz des Jahres 2018 liest sich wie ein Horrorbuch: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat erstmals seit 33 Jahren ein Länderspiel-Jahr mit einer negativen Bilanz abgeschlossen. Von 13 Spielen gewann die Mannschaft von Löw lediglich vier. Mit sechs Niederlagen gab es so viele wie noch nie in einem Jahr in der deutschen Länderspiel-Geschichte. Unter Teamchef Franz Beckenbauer lautete die Bilanz 1985: vier Siege, zwei Unentschieden, fünf Niederlagen. 

Das letzte Kapitel gegen Holland offenbarte noch einmal das Dilemma: Deutschland hat einige Trends im Weltfußball verschlafen – und das ist nun auch mit radikalen Veränderungen in der Elitemannschaft des DFB nicht im Eiltempo aufzuholen. "Eine junge Mannschaft braucht manchmal eine solche Erfahrung, um es in Zukunft besser zu machen", kommentierte Löw das ernüchternde und zugleich Mut machende 2:2 gegen die aufstrebenden Niederländer zum Abschluss des desolaten Fußball-Jahres 2018. In der Nations League muss das DFB-Team nun als siegloser Gruppenletzter aus der Top-Gruppe eins in Division zwei absteigen.

Löws Kurskorrektur erst rund vier Monate nach den WM-Qualen von Russland zeigte in den jüngsten drei Spielen in Frankreich (1:2), gegen Russland (3:0) und nun gegen den Erzrivalen Oranje zwar erste positive Wirkungen. Doch erstens kommt sie deutlich zu spät und zweitens ist sie demzufolge auch noch nicht ausgereift. Allein die Dynamik der drei jungen Stürmer Leroy Sané, Serge Gnabry und Timo Werner reicht nicht, um im Turbo-Tempo an die Weltspitze zurück zu sprinten. Schnelligkeit allein kann es nicht sein.

"Da denkst du, du bist im falschen Film", sagte Thomas Müller nach seinem 100. Länderspiel-Einsatz zum Fünf-Minuten-Rückschlag in Gelsenkirchen. Der reichte, um den Holländern noch zwei Tore durch Quincy Promes und Virgil van Dijk sowie den Gruppensieg in der Nations-League-Gruppe A1 zu schenken. "Vielleicht passt das ganz gut zu diesem Jahr 2018", bemerkte Müller. Die knapp 30 Minuten als unglücklich agierender Einwechselspieler machten den 29-Jährigen zum 14. Mitglied des exklusiven "Clubs der Hunderter" im deutschen Fußball.

Sein Jubiläum konnte Löws schwächelnder Tore-Garant nur bedingt genießen. "Ich bin hergekommen, um das Spiel zu gewinnen und das Glücksgefühl des Sieges zu erfahren", meinte Müller. "Man hat gesehen, dass es geht. Aber am Ende haben wir uns nicht belohnt", sagte der Leipziger Werner, einer der drei "Mopeds" im neuen Offensivkonzept des Bundestrainers. Den Begriff hatte Ex-Weltmeister Mats Hummels nach der 0:3-Hinspielblamage vor einem Monat in den Niederlanden und vor dem 1:2 in Paris geprägt – und da noch die gegnerischen Stürmer gemeint.

Die Moped-Rolle übernahmen dieses Mal bis zu ihrer Auswechslung die Torschützen Werner (9. Minute), Sané (20.) und auch Gnabry. Löw verteidigte den Austausch seiner Besten: "Sie sind weite Wege gegangen, haben viele Sprints absolviert und in der Defensive gut gearbeitet. Deshalb waren sie ein bisschen müde."

Die Entscheidung hatte auch das Trio trotz weiterer bester Torchancen vergeben – einer der großen Makel des ganzen Teams im WM-Jahr. Danach zeigte sich, dass die Balance in Löws Mannschaft noch immer nicht stimmt. Das war eine Hauptursache des WM-Debakels. "Das ist sehr ärgerlich. Es muss ein 2:0 auch mal reichen", erklärte Ex-Weltmeister Toni Kroos: "Da müssen wir hinkommen. Hinten raus ist er für uns natürlich sehr, sehr bitter." Der Umbruch bleibt kompliziert.

Erst im März mit Beginn der Qualifikation für die Multinationen-EM 2020 taucht das DFB-Team wieder auf. "Wir müssen 2018 jetzt abhaken und im nächsten Jahr alles besser machen", sagte Jungstar Werner. Allerdings lauern auch einige Gefahren. Unabhängig von der Lostopf-Zuordnung wird es bei den meisten Spielen eher um zweit- und drittklassige Kontrahenten gehen. Was kaum Aussagewert über eine angestrebte Titeltauglichkeit für die EURO-Endrunde haben dürfte.

"Ich habe viel mehr Positives als Negatives gesehen", sagte Löw nach der Vorstellung in Gelsenkirchen vor nur 42.186 Fans, die trotz eines lange beschwingten und mutigen Spiels der Gastgeber wenig Begeisterung zeigten. Den Zuspruch des zahlenden Anhangs muss sich seine Mannschaft erst wieder erarbeiten. "Ich glaube nicht, dass so viele Zuschauer enttäuscht nach Hause gegangen sind. Ich habe andere Reaktionen vernommen", bemerkte dazu Löw.

"Klar, das Ergebnis spricht jetzt nicht für uns. Da muss man die letzten zehn Minuten konzentriert und konsequent arbeiten. Aber ich glaube, wir haben schon 80 Minuten gezeigt, dass wir sehr stark sein können und Mannschaften wie Holland in arge Bedrängnis bringen können." Die Entwicklung mache ihm "schon viel Mut", meinte Löw.

"Mein Gefühl ist einfach, dass wir wieder auf einem sehr guten Weg sind. Dass wir für das nächste Jahr gut aufgestellt sind. Da werden wir wieder eine gute Mannschaft auf den Platz schicken, die wieder erfolgreichen und guten Fußball spielt", sagte der Bundestrainer. Das allerdings hatte Löw auch in diesem Jahr mehrmals versprochen.

"Wir sind selber Schuld, dass wir in diesen Schlamassel reingeraten sind", bemerkte Marco Reus, der im Nationalteam weiter auf die ganz großen Momente wartet. Der Dortmunder sieht aber keinen Grund zum Schwarzmalen: "Wir sind immer noch Deutschland." Die Länderspiel-Pause tue jetzt ganz gut: "Und dann greifen wir als Team wieder an."

Man darf gespannt sein, ob den Worten diesmal Taten folgen werden. Die Bilder des erstmaligen Ausscheidens einer deutschen Nationalmannschaft während der Vorrunde einer Weltmeisterschaft sind jedenfalls noch in guter Erinnerung:

(rt deutsch/dpa)

 

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.