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Der talentierte Mr. Maaßen - ein Rückblick

Jetzt hat es ihn doch noch erwischt. Hans-Georg Maaßen wurde gestern seines Postens als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz enthoben. Und gleich zum Staatssekretär weiterbefördert. Zeit für einen Rückblick auf die besten Anekdoten seines Wirkens.
Der talentierte Mr. Maaßen - ein RückblickQuelle: Reuters © Pawel Kopczynski

"Totgesagte leben länger" heißt ein Sprichwort, und so könnte man auch den Abgang des nun ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) kommentieren. "Und sie leben nicht schlecht", möchte man hinzufügen. Der nicht mehr haltbare Präsident wurde weg- und hochbefördert auf den Posten eines Staatssekretärs, mit Gehaltsaufschlag ca. 3.000€.

Nahles und Merkel haben diesen Deal mit Herrn Seehofer ausgehandelt und bekommen jetzt ordentlich Feuer von der Opposition. Aber es ist Wahlkampf, und das weiß auch Merkel. Maaßen musste gerettet werden, um die CSU kurz vor der Landtagswahl in Bayern nicht völlig bloßzustellen.

Seine Ablösung ist dabei gar nicht so verwunderlich. Eigentlich ist es doch erstaunlich, dass er überhaupt so lange durchgehalten hat. Schon früher, noch vor Seehofers Regentschaft als Heimatminister, hat Maaßen sein außerordentliches Talent gezeigt, stets zur richtigen Zeit das Falsche zu sagen. Eine kleine Auswahl.

Murat Kurnaz und die Professur

Noch vor seiner Berufung zum Amt des Präsidenten hatte Maaßen schon Ärger auf sich gezogen. Die rechtswissenschaftliche Fakultät der FU Berlin wollte aus dem Lehrbeauftragten einen Honorarprofessor machen. Doch der Akademische Rat entschloss sich gegen die Aufnahme. Der Grund: ein Rechtsgutachten über den Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz aus dem Jahr 2002 stieß auf Empörung bei Professoren und Politikern. Kurnaz war türkischer Staatsbürger mit unbegrenzter Aufenthaltserlaubnis für Deutschland. Über ein Jahr hatte Kurnaz zum damaligen Zeitpunkt im US-Gefängnis Guantanamo Bay Naval Base gesessen. Die rot-grüne Bundesregierung untersuchte, ob Kurnaz nach Deutschland zurückkehren dürfte. Maaßen, damals Referatsleiter Ausländerrecht, urteilte nach geltendem Recht, dass Kurnaz nicht wieder einreisen dürfe. Das Aufenthaltsrecht verfalle, wenn man sich länger als sechs Monate im Ausland aufhalte. 

Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) bezeichnete das Rechtsgutachten als „falsch, empörend und unmenschlich“. Maaßen beharrte auf seinem Standpunkt: "Genau diese Regelung findet sich auch im Zuwanderungsgesetz." Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich musste sich schon bei der Nominierung Maaßens in die Bresche werfen.

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Der NSU-Skandal und offene Panzerschränke

Angetreten war er 2013, um die Trümmer im BfV zu beseitigen, die der NSU-Skandal hinterlassen hatte. Das Vertrauen in die Behörde lag am Boden. Bald jedoch fand er sich selbst im Kreuzfeuer wieder. Das BfV blockierte die Arbeit des Sonderermittlers des Bundestags, Jerzy Montag und täuschte ihn bewusst. Der verstorbene V-Mann mit dem Decknamen Corelli hatte insgesamt 23 Mobiltelefone, die aber erst nach und nach in der zuständigen Kölner Behörde auftauchten, auch nachdem Maaßen längst die Öffnung des Schranks angewiesen hatte. Eine Demütigung für den Amtsleiter.

Dabei war Maaßen einer, dem man zutraute, dass er den Laden in den Griff kriegen könnte. Als langjähriger Mitarbeiter im Innenministerium und Referatsleiter kannte er sich aus. Doch die große Politik schien ihn überfordert zu haben. Vor dem Untersuchungsausschuss kam es dann zum Eklat, da Maaßen sich allzu kämpferisch gab. Die Abgeordneten sprachen nach einer Sitzung mit dem Präsidenten des BfV von Respektlosigkeit und undemokratischem Verhalten.

Die Anklage von netzpolitik.org

Im Jahr 2015 erließ Maaßen Strafanzeige gegen netzpolitik.org. einen Politikblog im Internet. Die Bundesanwaltschaft ermittelte wegen Landesverrats gegen das Portal, weil es Auszüge aus dem Haushaltsplan des BfV aus 2013 veröffentlicht hat. Die Dokumente legten die Pläne des Verfassungsschutzes zur massenhaften Ausspähung von Daten offen. Insgesamt 2,75 Millionen Euro sollten für eine neue Behördeneinheit ausgegeben werden. Brisant war vor allem, dass Maaßen bereits zwei Autoren verklagt hat. Später jedoch ruderte er zurück, als sich ein Sturm der Entrüstung in den Medien erhob. Es ging im lediglich darum, die Maulwürfe in seiner Behörde zu finden. Das von Maaßen erstellte Gutachten für den Generalbundesanwalt Harald Range über die Anklage wegen Landesverrats wurde vom damaligen Justizminister Heiko Maas als "geheim" eingestuft. Range, der dem Minister einen "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" vorwarf, wurde daraufhin von Maas in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Trotz damaliger Forderungen nach Rücktritt blieb der eigentliche Anzeigen-Ersteller Maaßen verschont.

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Das NSA-Desaster

Maaßen machte aber auch vor dem Untersuchungsausschuss zum NSA-Abhörskandal im Jahr 2016 keine gute Figur. Er griff den NSA-Enthüller Edward Snowden hart an und vermutete in ihm einen russischen Agenten, der "wie kein zweiter zuvor einen US-Nachrichtendienst ausgeplündert hatte." Vor dem Untersuchungsausschuss erinnerte er an den Fall von einem ehemaligen Oberst, Alexander Potejew, der sich 2010 in die USA abgesetzt hatte und einen Spionagering des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR enthüllt hatte. Indirekt deutete Maaßen damit an, dass Moskau mit Snowden eine Revanche für diese Schmach haben wollte. Beweise für das Motiv oder für Snowdens angebliche Agententätigkeit? Fehlanzeige. Der Skandal sei auch nicht die Abhörtätigkeit des NSA sondern die Tatsache, dass das enge Verhältnis zwischen den USA und der Bundesrepublik gelitten habe:

Er [Snowden] hat einen Keil getrieben zwischen die USA und Verbündete, vor allem USA und Deutschland. Nur in Deutschland haben wir so eine große Diskussion. Das ist antiamerikanisch.

Jetzt hat es ihn doch erwischt. Gefallen ist er letztendlich wegen einer Mischung aus seinen fragwürdigen Äußerungen über die "Hetzjagden" in Chemnitz und seiner mutmaßlichen Nähe zur AfD. Innenminister Seehofer konnte jedoch mit der Versetzung sein Gesicht wahren. Und die SPD, die mit dem Bruch der Koalition gedroht hat, wird sich nun mit der Entscheidung von Andrea Nahles auseinandersetzen müssen. Auch die Grünen toben. Mit seinem letzten Streich hat Maaßen wahrlich nicht enttäuscht.

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