Gesellschaft

Ukrainischer Regierungschef spricht bei Neonazi-Konzert von der Bühne: "Danke, dass es euch gibt!"

Der ukrainische Premierminister Alexei Gontscharuk hat am Sonntag ein Konzert einer rechtsradikalen Metal-Band besucht – und hielt von der Bühne eine freundliche Ansprache an alle Anwesenden. Die Opposition fordert nun seinen Rücktritt.
Ukrainischer Regierungschef spricht bei Neonazi-Konzert von der Bühne: "Danke, dass es euch gibt!"© strana.ua

Man stelle sich folgende Zeitungsmeldung vor: "Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte als hoher Gast das Konzert der Rechtsrock-Band Landser am 1. Oktober zur Feier der Eingliederung des Reichsgaus Sudetendeutschland. 'Danke, dass es euch gibt', sagte das Staatsoberhaupt von der Bühne aus zur Band und den versammelten Fans."

Absurd, undenkbar, ein völlig irrealer Albtraum? In Deutschland schon, und daran dürfte sich in absehbarer Zeit glücklicherweise auch nichts ändern. In der Ukraine hingegen scheint es das Normalste der Welt zu sein, dass ein Politiker von höchstem Rang nicht nur einen solch "exquisiten" Musikgeschmack pflegt, sondern diesen auch offen zur Schau stellt – ganz zu schweigen von der Möglichkeit ganz legaler Auftritte für Bands mit offen faschistischer Gesinnung. 

Hymnen zu Ehren von Rudolf Heß und Pogrome

Kein Geringerer als der ukrainische Premierminister Alexei Gontscharuk erwies der rechtsradikalen Metal-Band Sokira Peruna ("Axt des Perun", Perun ist der Donnergott des altslawischen heidnischen Pantheons) bei deren Konzert im Lokal "Docker Pub" in der Landeshauptstadt Kiew am Sonntag die Ehre.

Neben der sogenannten "Anti-Terror-Operation" (ATO) der ukrainischen Regierung gegen ihr eigenes Volk im Südosten des Landes verherrlicht die Band in ihren Texten unverblümt den Nationalsozialismus, den italienischen Faschismus, zitiert Benito Mussolini, propagiert White-Power-Gedankengut und verwendet offen faschistische Parolen. So ist das Lied "17. August" dem Geburtstag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß gewidmet. Zum Text gehören unter anderem diese Zeilen:

An unserer Seite, stets an unserer Seite –

Rudolf Heß – Hilfe und Kraft für den Kampf!

Die Stunde des RaHoWa (Anm. d. Redaktion: racial holy war, des "Heiligen Rassenkrieges") wird kommen, der RaHoWa naht,

Und wir führen deine Sache zu Ende – in der Schlacht!

Neben Worten lassen die Bandmitglieder auch Taten sprechen: Der Schlagzeuger wurde für einen Angriff auf die Brodski-Synagoge in Kijew verurteilt. Der als "Bilodub" (dt. etwa "Eichenweiß") bekannte Frontmann der Band unterhält außerdem enge Verbindungen zur ebenfalls offen neofaschistischen paramilitärischen Terrorgruppierung "Freiwilligenregiment Asow", deren Ausbildungslager für Kinder und Jugendliche er besucht, sowie zur politischen Partei "Nationalkorps" mit derselben Gesinnung.

Ferner nimmt er an Aktionen von Neonazis teil: So hängte "Bilodub" im Jahr 2015 zusammen mit Aktivisten des "Rechten Sektors" auf dem Haus des ermordeten ukrainischen Journalisten, Regierungskritikers und Buchautors Oles Busina eine "Gedenktafel" zu Ehren seiner mutmaßlicher Mörder Andrei Medwedko und Denis Polischtschuk auf.

Und natürlich sorgt Sokira Peruna regelmäßig für musikalische Untermalung bei Aktionen der ukrainischen Rechtsextremen. Übrigens sind beide Tatverdächtige längst auf freiem Fuß. Das Sokira-Peruna-Konzert wurde von Medwedko organisiert, schreibt das Nachrichtenportal strana.ua mit Verweis auf den Anführer der neofaschistischen Organisation C14 Jewgeni Karas. Die Einnahmen sollen der "Veteranenbewegung der Ukraine" und der politischen Organisation "Würde der Nation" sowie einem Militärhospital zugutekommen.

Die Bilder von Fans der Band sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache.

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Stramme "Veteranen" und Treuebekenntnis des Premierministers

Gemäß dem Sprichwort "Sag mir, wer deine Freunde sind ..." kann man den Premierminister der Ukraine anhand seines Konzertbesuchs sicher einordnen – oder vielmehr, anhand seines Auftritts mit der Band: Gontscharuk stand zusammen mit den Rechtsrockern auf der Bühne und hielt eine Ansprache. Bei dieser dankte er der Band und ihren Fans dafür, dass es sie gibt – nicht zuletzt aber auch den "Veteranen" der "Anti-Terroristischen Operation" gegen die Donbass-Region: Solche waren unter dem hitlergrüßenden Publikum zahlreich vertreten, darunter Angehörige der erwähnten "Veteranenbewegung der Ukraine".

Die Tatsache, dass es euch gibt, ermöglicht es uns, in einem friedlichen Land unter einem friedlichen Himmel zu leben und das zu tun, was wir, meine ich, nicht schlecht drauf haben. Wir arbeiten für euch. Ich arbeite für euch. […] Wir wollen Mittel haben, um unsere Armee finanzieren zu können[...] Danke euch und feiert gut! Ihr seid sehr cool", gab Premierminister Gontscharuk zum Besten. 

Dass er auch mitgesungen habe, sei ebenfalls nicht ausgeschlossen, so strana.ua.

Aufgrund der zwiegespaltenen Reaktion der ukrainischen Gesellschaft dementierte der Premier, das eigentliche Konzert der Band angehört zu haben. Er habe sich nur "mit den Veteranen unterhalten", zitiert ihn uakorrespondent.net. Doch selbst dann stellen sich zwei Fragen:

Erstens, warum er sich mit den "Veteranen" ausgerechnet bei einem neofaschistischen Konzert treffen musste.

Zweitens, wie es kommt, dass in der Ukraine eine "Veteranenbewegung" Mitglieder mit offen faschistischer Gesinnung haben darf.

Beides signalisiert eine so tiefe Verwurzelung der Rechtsradikalen in der ukrainischen Politiklandschaft, dass im um Demokratie und Toleranz stets besorgten Wertewesten längst die Alarmglocken hätten läuten müssen.

Rücktrittsforderungen: "Auftritt vor dem Abfall der Gesellschaft"

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: So forderte die Partei "Oppositionsplattform fürs Leben" in einer offiziellen Erklärung den sofortigen Rücktritt des Premierministers aufgrund seiner Anwesenheit beim Konzert der faschistischen Rocker:

Der Auftritt des Premierministers Alexei Gontscharuk auf dem Konzert der Nazi-Band 'Sokira Peruna' – vor dem Abfall der Gesellschaft, der offen faschistische Symbolik demonstriert und menschenverachtende Ideen vertritt –, ist mehr als symptomatisch. Noch symptomatischer ist die Tatsache, dass das Konzert von Andrei Medwedko organisiert wurde, der dringend des Mordes an Oles Busina verdächtig ist.

Gontscharuks Auftritt sei ein Anzeichen für die Unterstützung der neonazistischen Ideologie durch die amtierende ukrainische Regierung, die die Rechtsradikalen als Verbündete behandele.

Aufgrund der zum Himmel schreienden Respektlosigkeit gegenüber dem ukrainischen Volke, das im Großen Vaterländischen Krieg den Sieg über den Faschismus erkämpfte, aufgrund der demonstrativen Unterstützung national-radikaler Organisationen, deren Aktivitäten von allen gesunden Kräften in der Welt verurteilt werden, verlangen wir den Rücktritt des Premierministers Gontscharuk.

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