Europa

EU-Haushalt nach Ende 2020: Kanzlerin Merkels Forderung sorgt für gespaltene Reaktionen

In Brüssel starten die Verhandlungen über den EU-Haushalt ab 2021. Leicht dürften die Debatten nicht werden. Vor allem Kanzlerin Merkels Vorschlag, EU-Gelder an die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen zu knüpfen, sorgt für Unmut.
EU-Haushalt nach Ende 2020: Kanzlerin Merkels Forderung sorgt für gespaltene ReaktionenQuelle: www.globallookpress.com

Der aktuelle Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Union läuft bis Ende 2020 und soll nun neu aufgestellt werden. Die Staats- und Regierungschefs der 27 verbleibenden EU-Länder diskutierten erstmals über Finanzierung, Aufgaben und Schwerpunkte nach dem 2019 bevorstehenden Austritt Großbritanniens. Durch den Brexit werden bis zu 14 Milliarden Euro jährlich fehlen. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger will die Hälfte davon einsparen, den restlichen Betrag durch höhere Zahlungen der verbleibenden EU-Staaten decken.

Der Sondergipfel ist der Auftakt einer sehr schwierigen Debatte, denn unter den 27 Mitgliedern herrschen deutliche Differenzen, wie diese Haushaltsausfälle ausgeglichen werden sollen. Bevor der mehrjährige Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis Ende 2020 feststand, wurde 29 Monate lang debattiert. Dieses Mal dürfte es sicherlich nicht leichter werden.

Frankreich möchte mehr Geld dafür ausgeben, eine funktionierende Landwirtschaft in der EU zu erhalten. Die Niederlande fordern hingegen einen kleineren Haushalt, da die EU auch kleiner wird. Die Agrarstaaten warnen vor Kürzungen bei den Bauern, die östlichen Staaten wollen keine Einschnitte bei Fördertöpfen - ebenso wenig wie die deutschen Bundesländer. Bisher gehen 80 Prozent des Haushalts in Agrar- und Strukturhilfen. Künftig könnte mehr Geld in den Grenzschutz, in die Verteidigung oder das Studentenprogramm Erasmus fließen.

Merkel: Aufnahme von Flüchtlingen bei Verteilung von EU-Geldern berücksichtigen 

Nun sorgte die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Forderung am Donnerstag im Deutschen Bundestag, die Verteilung von EU-Geldern mit der Aufnahme von Flüchtlingen sowie der Einhaltung so genannter europäischer Werte zu verknüpfen, schon im Voraus für Spaltung. Zuspruch erhielt sie von ihrem dänischen Kollegen Lars Løkke Rasmussen:

Für mich liegt es auf der Hand, dass man Bedingungen braucht. Mitglieder der Europäischen Union sind Vollmitglieder, und das bedeutet Rechte und Pflichten.

Unterstützung für Bedingungen signalisierten auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte und der italienische Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte zwar, Bedingungen für EU-Hilfen könne er "grundsätzlich nachvollziehen", fügte aber zugleich an: "Ich würde nur bitten, da nicht nur ständig auf Flüchtlinge zu fokussieren." Man müsse die Menschen an EU-Außengrenzen stoppen und nicht auf Europa verteilen.

Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel warnte am Freitag: "Wer wird nachher bestraft? Nicht die Regierungen, aber die Bürger." Am Ende würden Bauern oder Studenten dafür bestraft, dass ihre Regierung sich nicht an Abmachungen gehalten habe.

EU-Kommissionschef Juncker warnt vor Spaltung in Europa

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerte sich unterdessen besorgt, dass der Haushaltsstreit die Gemeinschaft noch weiter entzweien könnte.

Ich wünsche keine neue Spaltung in Europa, davon hatten wir genug", sagte er am Freitag.

Merkels Forderung setzt vor allem Länder wie Polen und Ungarn unter Druck, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen. Scharfe Kritik an Merkels Aussage kam am Freitag entsprechend von Polens Europaminister Konrad Szymanski. "Wer immer ein solches politisches Manöver plant, dem kann ich nur sagen: Das wäre ein Fehler", sagte Szymanski vor dem EU-Sondergipfel der Zeitung Die Welt.

Er bekräftigte, sein Land werde eine Umverteilung von Flüchtlingen nach Quoten unter keinen Umständen akzeptieren: "Wir werden niemals zulassen, dass unsere Kompetenzen im Bereich der Außengrenzenkontrolle und Migration ausgehebelt werden." Sollten Flüchtlingsquoten gegen den Willen einiger Mitgliedsstaaten per Mehrheitsbeschluss durchgesetzt werden, werde dies "zu einer echten politischen Krise mit weitreichenden Folgen für die Einheit der Union führen".

Anders als sein Europaminister Szymanski wählte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki in Brüssel versöhnliche Worte: Das künftige EU-Budget müsse auf einem "gesunden, guten Kompromiss" basieren. "Polen ist zu so einem Kompromiss bereit."

Nach der Debatte der Staats- und Regierungschefs am Freitag soll nun der EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger einen ersten detaillierten Vorschlag für den künftigen Finanzrahmen vorlegen. Dies sollte nicht vor Anfang Mai dieses Jahres passieren. Danach dürften die Diskussionen erst richtig an Fahrt aufnehmen. Wie lange die Debatten andauern werden, ist schwer zu prognostizieren. Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich zuletzt skeptisch, dass es vor 2020 eine Einigung geben kann.

Mit dem so genannten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) wird jeweils für sieben Jahre die Höhe der Einnahmen und Ausgaben der EU verbindlich festgelegt. Die Mitgliedsstaaten müssen sich grundsätzlich bereits jetzt darüber einig werden, wofür die EU im kommenden Jahrzehnt wie viel Geld ausgeben soll. Die Entscheidung muss am Ende einstimmig fallen. Der aktuelle MFR hat einen Umfang von rund 1.000 Milliarden Euro.

Mehr zum ThemaOettinger: Deutschland wird Brexit-Lücke mit bis zu 3,5 Milliarden Euro füllen

(rt deutsch/dpa)

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.