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Österreich: Regierungsexperten waren gegen Corona-Lockdown

Österreichs Regierung galt mit ihren rigiden Corona-Bestimmungen als Vorbild – unter anderem für Deutschland. Nun zeigen interne Dokumente, dass die Experten der Regierung einen ganz anderen Weg zur Bewältigung der Lage vorgeschlagen hatten.
Österreich: Regierungsexperten waren gegen Corona-LockdownQuelle: www.globallookpress.com © photonews.at/Georges Schneider via www.imago-images.de

Die österreichische Regierung hat bei ihrem Krisenmanagement in der Corona-Krise nicht auf die Expertise der eigenen Wissenschaftler und Beamten vertraut. Das berichtet das Wiener Wochenmagazin Falter unter Bezug auf interne Dokumente aus dem Innen- und Gesundheitsministerium, die der Zeitschrift vorliegen.

Bereits vor zwei Wochen sorgte ein an den ORF-Radiosender Ö1 durchgestochenes Gesprächsprotokoll aus dem Beraterstab des grünen Gesundheitsministers Rudolf Anschober für Aufmerksamkeit. Aus diesem ging hervor, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz bei der Umsetzung der rigiden Maßnahmen auf Angst statt auf Aufklärung setzte, um der Bevölkerung wirtschaftliche und soziale Zumutungen verkaufen zu können.

Die nun bekannt gewordenen Unterlagen zeigen, dass die Experten in den Krisengremien der Ministerien gegen einen Lockdown waren, gegen eine Schließung von Einzelhandel, Gastronomie, Kindergärten, Schulen und Universitäten.

Die Unterlagen stammen aus den beiden wichtigsten Krisengremien des Landes, dem wissenschaftlichen Beraterstab der "Taskforce Corona" im Gesundheitsministerium und dem "SKKM Koordinationsstab SARS-CoV-2/COVID-19" im Innenministerium. Der Falter berichtet, dass die Experten bereits früh vor Engpässen bei Schutzausrüstung warnten, ihre Warnungen aber zu spät aufgegriffen worden seien.

Der nationale Krisenstab habe auf Kontrollen und "Cocooning", also die Isolation und Absonderung kranker Personen in Unterbringungen wie Kasernen, gesetzt, seine Strategie sei aber nicht oder kaum berücksichtigt worden. Der Beraterstab der "Taskforce Corona" im Gesundheitsministerium war sich in einer Sitzung vom 28. Februar einig, dass "striktes Containment nur in totalitären Systemen möglich" und "soziale Distanzierung" das effektivste Mittel sei. Institutionen wie Universitäten können höchstens für zwei Wochen geschlossen werden. Ganz ähnlich sahen es die Experten des Innenministeriums.

Auch in weiteren Sitzungen Anfang März argumentierten die Experten einhellig für ein differenziertes Risikomanagement und den Schutz "vulnerabler" Personengruppen und gegen generelle Maßnahmen wie die Schließung von Kindergärten und Schulen. So erklärte Ivo Steinmetz, Vorstand des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Graz am 9. März:

Ältere Menschen sollten persönliche soziale Kontakte möglichst einschränken. Die Absage von Veranstaltungen mit jungen Menschen ist gar nicht so wichtig wie der Schutz der älteren Personen.

Am 12. März beschloss die Regierung dann ihre strikten Lockdown-Maßnahmen, die am Tag darauf verkündet wurden und am 16. März in Kraft traten. Im Protokoll des Treffens vom 12. März finden sich die bereits erwähnten Angst-Zitate: "Die Menschen sollen Angst vor einer Ansteckung haben, Angst davor, dass die Eltern und Großeltern sterben", "Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist", "100.000 Tote".

Inspiriert zu seinem rigiden Vorgehen und dem Übergehen des Rates seiner Experten wurde Bundeskanzler Kurz nach Angaben des Falter von dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu. Eine Telefonkonferenz mit ihm und einer Reihe von EU-Regierungschefs am 9. März habe ihn "wachgerüttelt". In der Folge habe sich Kurz zusammen mit Netanjahu und sechs weiteren Premiers als "Smart Movers" in der Corona-Krise inszeniert. Gerade auch in Deutschland wurde er mit seinem vermeintlich "entschlossenen Vorgehen" zum Vorbild auf Landes- und Bundesebene.

Die Wissenschaftler sahen das Vorgehen der Regierung kritisch. Der Public-Health-Experte Martin Sprenger verließ das Gremium des Gesundheitsministeriums, um die Regierung öffentlich kritisieren zu können. Andere Experten warnten in internen Mails vor den Folgen des Lockdowns. 

Franz Allerberger, Leiter des Bereichs Humanmedizin der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), schrieb am 14. März:

Das Virus ist so weit verbreitet, dass alles andere dazu führen wird, alles lahmzulegen, was Kollateralschäden verursacht, die weit über COVID-19 hinausgehen. Jede Botschaft, die als 'ganz gefährliches Virus' missinterpretiert werden kann, ist kontraproduktiv. SARS-CoV-2 ist für über 80 Prozent der Bevölkerung nicht gefährlich.

Günter Weiss, Internist und geschäftsführender Direktor der Medizinischen Universität Innsbruck, warnte vor den Folgen einer ausschließlichen Konzentration auf COVID-19:

Wir müssen verhindern, dass aufgrund des Ressourcen­drives zu COVID-19 alle anderen Patienten auf der Strecke bleiben oder die 'vulnerablen' Alten unterversorgt sind und dann mehr Menschen durch diese Maßnahmen zu Tode kommen als durch das Virus selbst.

Der Falter spricht von einem "schleichenden Bedeutungsverlust" der Experten im Krisenmanagement, der sich aus den Unterlagen entnehmen lasse. Den Unterlagen lässt sich ferner entnehmen, welche Bedeutung die Öffentlichkeitsarbeit für die Regierung einnahm. Offenbar wurde den Medien eine Tageslosung vorgegeben, die am 4. März etwa lautete:

Sachliche Berichterstattung: 'Stabile Lage' – Thematische Ablösung durch 'Flüchtlingsfrage'

Im Artikel wird auch von der Operation "Ernten der Früchte" berichtet, das öffentlichkeitswirksame Einfliegen von zwei Flugzeugen mit Schutzausrüstung von China nach Österreich. In der Agenda des Krisenstabes hieß es, es handle sich um eine "Geste des Dankes des Reichs der Mitte an Österreich". Die Schlagzeilen bejubelten die Aktion, dabei ging unter, dass das Material nicht für Österreich bestimmt war, sondern für eine Firma in Südtirol.

Die österreichische Regierung rechtfertigte das Nichtberücksichtigen der eigenen Experten mit der notwendigen Interessenabwägung – und dem angeblichen Erfolg der getroffenen Maßnahmen. Auf eine Anfrage des Falter hieß es:

Letztlich muss aber die Politik immer alle Interessen abwägen und dann die Entscheidungen treffen, und diese wurden von der Regierung immer gemeinsam getroffen. Wie der Rückgang der Infektionszahlen im internationalen Vergleich zeigt, hat die Regierung schnell und richtig mit klaren Maßnahmen gehandelt, und diese wurden von der Bevölkerung in einem sehr hohen Maße mitgetragen.

Die Folgen des Lockdowns und der anderen im Zuge der Corona-Krise getroffenen Maßnahmen treffen Österreichs Wirtschaft und Gesellschaft schwer. Die Arbeitslosigkeit ist drastisch gestiegen, über eine Million Beschäftigte befinden sich in Kurzarbeit. Hunderttausende Selbstständige und Kleinunternehmen haben mit existenziellen Schwierigkeiten zu kämpfen.

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