Nahost

Nordsyrien: Gegenseitige Schuldzuweisungen nach Schüssen und Artilleriefeuer trotz Waffenruhe

Trotz des Abkommens über einen Waffenstillstand in Syrien ist es am Freitag nahe der nordsyrischen Grenzstadt Raʾs al-ʿAin zu Schüssen und Artilleriefeuer gekommen. Die Türkei verweist auf kurdische Kämpfer, die wiederum die Schuld bei Ankara sehen.
Nordsyrien: Gegenseitige Schuldzuweisungen nach Schüssen und Artilleriefeuer trotz WaffenruheQuelle: Reuters © REUTERS/Stoyan Nenov

Trotz des Pakts der USA mit der Türkei zum Vorgehen in Syrien ist es am Freitag nahe der nordsyrischen Grenzstadt Raʾs al-ʿAin zu Schüssen und Artilleriefeuer gekommen. Aus einem Teil der Stadt stieg zudem Rauch auf. Der Hintergrund war zunächst ebenso unklar wie die Frage, ob es Opfer oder Schäden gab.

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Die Türkei und kurdische Kämpfer wiesen sich gegenseitig die Schuld für die Verletzung der vorläufigen Waffenruhe zu. Das türkische Verteidigungsministerium warf den Kurdenmilizen am Samstag vor, für 14 Anschläge mit schweren Waffen in den Grenzstädten Tell Abiad und Raʾs al-ʿAin verantwortlich zu sein. Ankara halte sich an den mit den USA vereinbarten Deal, teilte das Ministerium weiter mit. Die vorläufige Waffenruhe war am Donnerstag in Kraft getreten.

Die von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) beschuldigten dagegen die türkische Seite, die Öffnung eines humanitären Korridors für die umkämpfte Grenzstadt Raʾs al-ʿAin nicht zuzulassen. Die kurdische Selbstverwaltung hatte dies gefordert, um Zivilisten und Verletzte in Sicherheit zu bringen.

Aktivisten zufolge nahmen die von der Türkei unterstützten Rebellen Raʾs al-ʿAin am Samstag vereinzelt weiterhin unter Beschuss. Dort seien im Zuge der Kämpfe mindestens sechs Menschen ihren Verletzungen erlegen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Die Rebellen hätten zuvor einen Ärzte-Konvoi, der 38 verletzte Zivilisten und Kämpfer in Sicherheit bringen sollte, an der Einfahrt nach Raʾs al-ʿAin gehindert.

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US-Vizepräsident Mike Pence und US-Außenminister Mike Pompeo stünden in der Pflicht, die Türkei zur Einhaltung der Waffenruhe zu bewegen, teilten die SDF mit. Die Vereinbarung folgte auf ein Treffen von Pence mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Ankara am Donnerstag. Pompeo war Teil der hochkarätig besetzten US-Delegation.

Trotz des anhaltenden Kontakts mit der amerikanischen Seite und ihren Versprechen, dieses Problem zu lösen, gab es keine Fortschritte", teilten die SDF mit.

Die Feuerpause sollte den Kurdenmilizen Gelegenheit geben, sich aus einem Gebiet auf der syrischen Seite der Grenze zurückzuziehen, in dem die Türkei eine sogenannte Sicherheitszone errichten möchte. Aktivisten zufolge kam es bereits wenige Stunden nach Verkündung der vorläufigen Waffenruhe rund um Raʾs al-ʿAin weiterhin zu Granatenbeschuss und Maschinengewehrfeuer.

Die Türkei hatte am 9. Oktober im Norden Syriens eine Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG gestartet, die von ihr als Terrororganisation angesehen wird. Ankara begründet den Einsatz mit dem Recht auf Selbstverteidigung.

Am Donnerstag hatten sich die USA und die Türkei auf Schritte geeinigt, die zu einer Beruhigung der Lage in der zuletzt umkämpften Region in den kommenden fünf Tagen sorgen soll. Washington und Ankara interpretierten den Pakt jedoch unterschiedlich: Während die USA von einer "Waffenruhe" sprachen, lehnte die Türkei diesen Begriff ab und erklärte, es gehe um eine "Pause" ihrer Offensive von fünf Tagen, um "Terroristen" in der Region den Abzug zu ermöglichen. Auch war unklar, ob die von der Kurden-Miliz YPG angeführten Kämpfer der SDF die Vereinbarung akzeptieren.

Am Donnerstag hatte Pence nach einem Treffen mit Erdoğan in Ankara erklärt, binnen 120 Stunden solle sich die kurdische Miliz YPG aus der Region zurückziehen. Sobald sie sich vollständig aus der in Nordsyrien geplanten Sicherheitszone zurückgezogen hätten, werde das türkische Militär seinen Einsatz komplett einstellen. Es seien US-Soldaten im Einsatz, um einen friedlichen Abzug der YPG zu organisieren.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte, es sei verabredet, dass die Türkei die Kontrolle über die geplante Sicherheitszone übernehme. Die Zone solle eine Tiefe von 32 Kilometern ab der türkischen Grenze haben und auch die Gebiete östlich des Euphrat bis zur irakischen Grenze umfassen. Schwere Waffen der YPG sollten eingesammelt und deren Stellungen zerstört werden.

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Die von den YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) erklärten, man werde tun, was nötig sei, damit der Pakt funktioniere. Das Abkommen umfasse aber nicht die Ziele der türkischen Offensive, sagte SDF-Kommandeur Mazlum Kobanê dem Sender Ronahi TV. Es sei begrenzt auf das Gebiet zwischen den Grenzstädten Raʾs al-ʿAin und Tell Abad. Die Türkei strebt dagegen die Einrichtung einer Sicherheitszone entlang des kompletten Verlaufs der türkisch-syrischen Grenze an.

Kritiker von Trumps Abzugsentscheidung fürchten auch, dass IS-Kämpfer, die bislang auf dem Gebiet in Nordsyrien gefangen gehalten wurden, freikommen und neue Anschläge planen könnten. Trump hatte angesichts der Kritik erklärt, er werde die türkische Wirtschaft "vollständig zerstören", sollte die Türkei etwas tun, das er als falsch bewerte. Erdoğan hatte zuletzt allerdings gesagt, US-Sanktionen bereiten ihm keine Sorgen. Auch nach dem Abkommen vom Donnerstag erklärte die türkische Seite, keinerlei Zugeständnisse gemacht zu haben. "Wir haben genau das bekommen, was wir wollten", sagte ein Regierungsvertreter. Trump hingegen twitterte: "Dies ist ein großer Tag für die Zivilisation." Millionen Menschenleben würden gerettet.

Laut Reuters hielt der zerbrechliche Waffenstillstand am Samstag, wobei einige türkische Militärfahrzeuge die Grenze überquerten. Präsident Tayyip Erdogan sagte am Samstag, dass die Türkei ihre Offensive im Nordosten Syriens fortsetzen und die "Köpfe der Terroristen zerschlagen" würde, wenn das Waffenstillstandsabkommen über den Abzug kurdischer Kämpfer aus dem Gebiet nicht vollständig umgesetzt würde. 

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(reuters/ rt deutsch)

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