Nahost

Schatten des Krieges über dem Persischen Golf

Es läuft nach einem ähnlichen Muster wie vor der US-Invasion des Irak ab. Zuerst wird der Gegner zu einer enormen Bedrohung hochstilisiert, Drohungen werden ausgesprochen, Diplomaten abgezogen, Kampfverbände verlegt. Was dann noch fehlt, ist ein Zwischenfall.
Schatten des Krieges über dem Persischen GolfQuelle: AFP © Atta Kenare

von Zlatko Percinic

Vergangene Woche sagte US-Außenminister Mike Pompeo kurzfristig seinen Besuch in Berlin ab, um zu einem Überraschungsbesuch nach Bagdad zu fliegen. Nach dem Treffen mit dem irakischen Ministerpräsidenten Adel Abdul Mahdi sagte er:

Wir haben mit ihnen darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass der Irak in der Lage ist, die Amerikaner in ihrem Land angemessen zu beschützen. Beide versicherten, dass sie verstanden haben, dass das ihre Verantwortung sei.

Dem Treffen vorausgegangen waren Warnungen des israelischen Geheimdienstes Mossad, dass der Iran Angriffe auf US-Ziele in der Region planen könnte. Ob es konkrete Hinweise gibt oder ob es lediglich eine Schlussfolgerung der iranischen Einstufung aller US-Streitkräfte im Operationsgebiet des Central Command (CENTCOM) als Terroristen war, ist nicht bekannt. Der iranischen Einstufung ging wiederum eine Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation durch die USA vor.

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Weshalb nur acht Tage nach dem Gespräch zwischen Pompeo und Mahdi die USA ihr "Nicht-Notfallpersonal" aus der Botschaft in Bagdad und dem Konsulat im kurdischen Erbil abziehen, ist ungewiss. Gibt es tatsächlich konkrete Hinweise auf einen bevorstehenden Angriff auf US-Personal, oder gehört es zum Teil der psychologischen Kriegsführung gegen den Iran? Und wie passt dann die Aussage des ehemaligen irakischen Vizepräsidenten Iyad Allawi zu den Gründen des Überraschungsbesuchs von Pompeo im Irak dazu?

In einem Interview erklärte Allawi, dass ihm ein US-Regierungsvertreter gesagt habe, dass der Mossad nicht nur über Satellitenfotos, sondern auch über Beweisfotos vom Boden von iranischen Abschussvorrichtungen für ballistische Raketen im Süden des Irak bei Basra verfüge. Diese sollen angeblich südlich ausgerichtet sein, um Ziele in Bahrain, Katar, Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten zu treffen. In diesen Ländern verfügen die USA auch über Stützpunkte und verlegten zuletzt eine Bomberstaffel auf die Al Udeid Air Base in Katar.

Die Informationen des Mossad wurden israelischen Angaben zufolge am 15. April beim Besuch von Meir Ben-Shabbat, dem Chef des Nationalen Sicherheitsrates, bei seinem Amtskollegen John Bolton in Washington übergeben. Daraufhin berief Bolton in den frühen Morgenstunden des 29. April ein Treffen im CIA-Hauptquartier in Langley ein, an dem CIA-Chefin Gina Haspel, der kommissarische Verteidigungsminister Patrick Shanahan, Außenminister Mike Pompeo, Generalstabschef Joe Dunford und der Chef der übergeordneten Behörde aller Geheimdienste, Dan Coats, teilnahmen.

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Dass sich Kabinettsmitglieder für Sitzungen des nationalen Sicherheitsrates im CIA-Hauptquartier einfinden, gilt als höchst ungewöhnlich und selten. Normalerweise trifft man sich dafür im Situation Room des Weißen Hauses. Angeblich soll es sich bei dem Treffen nicht um die Geheiminformationen gehandelt haben, die zur Entscheidung der Verlegung der Bomberstaffel nach Katar geführt haben.

Gegenüber dem US-Sender NBC sagten ehemalige CIA-Angehörige, dass es zwei Gründe für dieses ungewöhnliche Treffen geben könnte. Sollte an den Informationen, die der Mossad gesammelt und den US-Amerikanern übergeben hat, etwas dran sein, dann könnten die CIA diese bestätigt oder entkräftigt haben. Die Besprechung dieser Ergebnisse könnte dann aber allerdings ausschließlich in Langley stattfinden.

Die andere Möglichkeit wäre, dass John Bolton – wie schon im Vorfeld des Irak-Feldzuges der damalige US-Vizepräsident Dick Cheney – die Informationen des CIA nicht gutheißt und immer wieder die Analysten "grillte", doch gefälligst solche Berichte zu produzieren, die die nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen des irakischen Diktators Saddam Hussein beweisen sollten.

Dass es eher in diese Richtung gehen könnte, zeigt auch die jüngste Reaktion des stellvertretenden Kommandeurs der von den USA angeführten Operation Inherent Resolve (OIR) gegen den sogenannten Islamischen Staat in Syrien und im Irak. Der britische Generalmajor Christopher Ghika teilte die Einschätzung seiner US-Kollegen über die angebliche iranische Bedrohung keineswegs. In einem Video-Briefing aus Bagdad für das Pentagon sagte Ghika:

Nein, es gibt keine gesteigerte Bedrohung von vom Iran unterstützten Kräften im Irak und in Syrien.

Diese Aussage des britischen Generals muss die US-Planer von CENTCOM bis ins Mark erschüttert haben. Nur kurz nach dessen Aussage veröffentlichte das US Central Command eine Stellungnahme, die den Briten bloßstellte und genau das Gegenteil behauptete:

Die jüngsten Kommentare des OIR stellvertretenden Kommandeurs widersprechen den identifizierten glaubwürdigen Bedrohungen, die den Nachrichtendiensten der USA und Verbündeten in Bezug auf vom Iran unterstützte Kräfte in der Region zur Verfügung stehen. Das US Central Command hat in Abstimmung mit der Operation Inherent Resolve die Truppenstärke für alle im Irak und in Syrien stationierten Soldaten erhöht. Infolgedessen steht OIR jetzt unter einer hohen Alarmbereitschaft, da wir weiterhin glaubwürdige und möglicherweise bevorstehende Bedrohungen für US-Truppen im Irak genau beobachten.

Die USA verteidigen also ihr Bedrohungsszenario vehement und scheuen selbst nicht davor zurück, einen so treuen Verbündeten wie Großbritannien öffentlich zu brüskieren. Ob Generalmajor Ghika noch bis zum Ende seiner Einsatzzeit auf dem Posten bleiben wird, bleibt abzuwarten.

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Obwohl US-Präsident Donald Trump die Berichte über die mögliche Verlegung von 120.000 Soldaten zum Persischen Golf als "Fake News" bezeichnete und angab, dass die USA auch "nicht dafür geplant" hätten, wollten sich Beamte des Pentagons nicht gänzlich davon distanzieren. Sie bestätigten gegenüber Newsweek, dass John Bolton tatsächlich eine Veränderung von militärischen Plänen angeordnet hatte und dass die 120.000 Mann eine logistische Vorhut für eine viel größere Streitmacht darstellen würden.

Sollten sie verlegt werden, wäre ihre Rolle die logistische Unterstützung und der Aufbau der benötigten Infrastruktur für eine Invasionsarmee. Und das wiederum entspricht der Aussage von Trump, dass wenn tatsächlich eine militärische Auseinandersetzung zwischen dem Iran und den USA bevorstehen würde, Washington "verdammt viel mehr Truppen schicken würde als das". Dennoch sollte man diese Entwicklung nicht als Kriegsvorbereitung deuten, sagte der Beamte des Pentagons, es sei "nur eine Anspannung von Muskeln".

Unterdessen hat auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seine Kriegsrhetorik gegen den Iran wieder verschärft, nachdem die äußerst schrillen Drohungen aus den Jahren 2009 bis 2012 nicht zum gewünschten Angriff geführt haben. Bereits im Februar sorgte er mit einem Video für Wirbel, in dem er für "unser gemeinsames Anliegen eines Krieges mit dem Iran" mit arabischen Teilnehmern warb.

Was in dieser von den USA – unter Führung von John Bolton und Duldung des US-Präsidenten – künstlich extrem verschärften Situation besonders gefährlich ist, ist die Gefahr von einem Zwischenfall, der tatsächlich das Feuer des Krieges entzünden kann. Die nach Katar verlegte Bomberstaffel hat bereits mit "Abschreckungsmissionen" begonnen, der Iran drohte in den vergangenen Wochen mit der Schließung der für die Weltwirtschaft so wichtigen Straße von Hormus. Als Reaktion auf die Flüge der US-Bomber und die Berichte über die Verlegung von weiteren US-Truppen erklärte der iranische Verteidigungsminister Amir Hatami am Mittwoch:

Wir werden die amerikanisch-zionistische Front besiegen.

Im Irak und in Syrien operieren Tausende vom Iran unterstützte Milizen und eigene Soldaten in unmittelbarer Nähe zu US-Truppen. Im Persischen Golf schwirren Schnellboote der iranischen Revolutionsgarden durch das Meer und kommen immer wieder den riesigen Öltankern und Kriegsschiffen gefährlich nahe. Es braucht in diesem Umfeld nur einen Unfall, ein falsches Signal bei einem der "Abschreckungsmissionen" der US Air Force oder ein Gefecht zwischen US-Truppen und iranischen Soldaten bzw. vom Iran unterstützten Milizen und die gesamte darauffolgende Dynamik könnte ein Eigenleben entwickeln, das niemand mehr unter Kontrolle hat.

Selbst wenn Donald Trump nicht auf einen Krieg aus ist, sein Nationaler Sicherheitsberater ist es gewiss. Dieser wird den Commander-in-Chief – und andere Lobbyisten in den USA, die seit Jahren einen Krieg gegen den Iran fordern – sicherlich an seine vollmundigen Drohungen erinnern, die er von sich gab, und so versuchen, ihn auf psychologischer Ebene zu einer Antwort zu drängen. Dass das funktioniert, hat Trump schon einige Male unter Beweis gestellt.

Es ist daher nicht überraschend, dass in diesem hochaufgeladenen Umfeld die Bundeswehr und auch die niederländische Armee ihre Ausbildungsmissionen im Irak aufgrund der "zunehmenden regionalen Spannungen" aussetzen oder die spanische Fregatte Méndez Núñez den Kampfverbund um die USS Abraham Lincoln verlassen hat.

Die Europäer zeigen kein Interesse an einer Eskalation zwischen den USA und dem Iran; das haben sie beim EU-Außenministertreffen am 13. Mai in Brüssel deutlich gemacht. Selbst der britische Außenminister Jeremy Hunt zeigte sich über die Entwicklung besorgt, obwohl Großbritannien in der Vergangenheit dem größeren angelsächsischen Bruder oft mit Eifer in militärische "Abenteuer" mit schrecklichen Konsequenzen folgte.

Doch davon lassen sich jene Kräfte, die die USA unbedingt in einen folgenschweren Krieg verwickeln wollen, nicht beeindrucken. Ob die vermeintliche Sabotage an saudischen Tankern oder der angebliche Drohnenangriff auf eine Pipeline: Der Finger zeigt dabei stets auf den Iran. Nun haben sogar US-Diplomaten davor gewarnt, den Persischen Golf zu überfliegen. Die Flugzeuge könnten "falsch identifiziert" werden, was unschöne Erinnerungen an den Abschuss eines iranischen Passagierflugzeugs durch das Kriegsschiff USS Vincennes im Jahr 1988 mit 290 Todesopfern weckt.  

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