Lateinamerika

"Zynische PR-Strategie": Venezuela und die Blockade eines Grenzübergangs, der nie geöffnet war

Washington drängt Caracas auf die Aufhebung der Blockade eines Grenzübergangs, über den US-Hilfsgüter zu den "hungernden Menschen" in Venezuela transportiert werden sollen. Dabei floss dort nie der Verkehr - denn Kolumbien blockiert den Übergang bereits seit langem.
"Zynische PR-Strategie": Venezuela und die Blockade eines Grenzübergangs, der nie geöffnet warQuelle: Reuters

Bilder sagen bekanntlich oft mehr als Worte. Im Zusammenhang mit der Krise in Venezuela sorgte in der vergangenen Woche besonders ein Foto für Aufsehen: Von der venezolanischen Regierung abgelegte Container und ein quergestellter Tankauflieger blockieren die Autobahn nach Kolumbien auf der Tienditas-Brücke. Washington nutzte unverzüglich die Gunst der Stunde, um die gewählte Regierung Venezuelas unter Präsident Nicolás Maduro als volksfeindlich zu verunglimpfen und um Unterstützung für den selbsternannten "Interimspräsidenten" Juan Guaidó zu werben, der von den USA und anderen westlichen Staaten bereits als Venezuelas Staatschef anerkannt wurde.

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In einem Tweet teilte US-Außenminister Mike Pompeo eben jenes Foto, um zu behaupten, dass "das venezolanische Militär unter Maduros Befehl die Hilfe... blockiert. Das Maduro-Regime muss die Hilfe für die hungernden Menschen durchlassen." Und die Medien auch in Europa griffen seine Vorlage dankbar auf.

Doch die Behauptung des US-Diplomaten hat einen Haken: Der Grenzübergang wird bereits seit 18 Monaten blockiert – nämlich von Kolumbien. Darauf machte der Blogger Justin Emery in einem Artikel auf medium.com aufmerksam. So zeigt ein im Juni 2017 veröffentlichtes Foto, wie der Grenzübergang auf kolumbianischer Seite durch einen Metallzaun und Betonblöcke verriegelt wurde.

Die den Grenzfluss Río Táchira überspannende Brücke verbindet die kolumbianische Stadt Cúcuta mit dem venezolanischen Ureña. Laut lokalen Medienberichten wurden die Arbeiten an der Brücke Anfang 2016 abgeschlossen. Aufgrund der vielen Flüchtlinge, die Venezuela wegen der wirtschaftlichen Misere in Richtung des Nachbarlandes verließen, hatte Kolumbien seinerzeit ein striktes Grenzregime eingeführt – der Tienditas-Grenzübergang wurde daher laut Emerys Recherche nie offiziell eröffnet.  

In der Region gibt es zwei weitere Brücken, die die beiden Länder miteinander verbinden, benannt nach den Unabhängigkeitskämpfern Simón Bolívar beziehungsweise Francisco de Paula Santander. Auch wenn die venezolanischen Grenzbeamten den USAID-Hilfskonvoi, der Ende vergangener Woche auf kolumbianischer Seite eintraf, nicht ins Land lassen, bleiben beide Brücken weiter für den grenzüberschreitenden Verkehr geöffnet.

Dass die USA der rechtmäßigen Regierung in Caracas vorwerfen, einen Grenzübergang zu blockieren, der nie geöffnet war, bezeichnet der Journalist Adam Johnson als eine "durchsichtige, zynische PR-Strategie zur Delegitimierung einer lateinamerikanischen Regierung", die Washington zu stürzen versuche. In einem Artikel weist Johnson darauf hin, dass der vom US-Außenministerium eingesetzte Sondergesandte für Venezuela, Elliott Abrams, bereits in der Vergangenheit reiche Erfahungen im Missbrauch sogenannter Hilfslieferungen als Deckmantel für Waffentransfers gesammelt hatte.

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Damals ging es um den sogenannten Iran-Contra-Skandal, bei dem die US-Regierung unter Präsident Ronald Reagan Einnahmen aus geheimen Waffenverkäufen an den Iran an die rechte Guerilla ("Contras") in Nicaragua weitergeleitet hatte, damit diese die linksgerichtete Regierung der Sandinisten gewaltsam stürzen.

Zynisch mutet Washingtons Sorge um die "hungernden Menschen" in Venezuela auch deshalb an, weil die von den USA verhängten Sanktionen das Elend der Venezolaner seit langem gezielt fördern sollen. Wie der ehemalige UN-Sonderberichterstatter Alfred de Zayas in einem Bericht für die Vereinten Nationen festhält, hätten die US-Sanktionen unter anderen den Mangel an Medikamenten verschärft und somit "zum Tod vieler (Menschen) beigetragen".

Die gegen Venezuela verhängten Sanktionen könnten "gemäß Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen", heißt es in dem Bericht, dessen Kapitel zu den Sanktionen mit der Aussage abschließt: "Wirtschaftliche Sanktionen töten!" 

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