Lateinamerika

Schweinebucht 2.0 in Venezuela und die Rolle von US-Söldnern: "Sie spielten Rambo"

Ein Jahr lang verfolgte der ehemalige US-Elitesoldat und Söldner Jordan Goudreau seinen Plan, den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro zu stürzen. Der Versuch scheiterte am 3. Mai und diese "Operation Gideon" erinnert in vielem an die misslungene US-Invasion an der Schweinebucht in Kuba 1961.
Schweinebucht 2.0 in Venezuela und die Rolle von US-Söldnern: "Sie spielten Rambo"© Twitter @camilateleSUR

Die sogenannte Sicherheitsbranche in den Vereinigten Staaten von Amerika boomt seit dem 11. September 2001, nachdem zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York City krachten. Diese Unternehmen beschäftigen oft ehemalige Soldaten aus verschiedenen Ländern als Söldner, um sie für die Schattenkriege der US-Regierung einzusetzen, die aus politischen Gründen nicht mit der regulären US-Armee geführt werden können oder sollen. Ein relativer Newcomer in dieser Branche nennt sich Silvercorp USA und wird geführt von dem in Kanada geborenen Jordan Goudreau.

Goudreau war einst Elitesoldat beim 1st Special Forces Command, der ältesten Spezialeinheit der US-Armee, und diente in Afghanistan und Irak. Dreimal wurde er mit dem "Bronze Star" ausgezeichnet, der für "heldenhafte oder verdienstvolle Leistung" verliehen wird. 2016 schied er aus der US-Armee aus und arbeitete zunächst in Puerto Rico für ein Sicherheitsunternehmen, bevor er 2018 sein eigenes Unternehmen in Florida gründete. Den Zweck des Unternehmens umschreibt er so:

Silvercorp USA wurde aus einem Grund gegründet. Wir bieten Regierungen und Unternehmen realistische und zeitgemäße Lösungen für irreguläre Probleme.

Nach eigener Darstellung sei das Unternehmen in 50 Ländern aktiv und würde von ehemaligen ranghohen Militärs und Diplomaten beraten. Nähere Angaben dazu wollte Goudreau auf Anfrage der Nachrichtenagentur AP nicht bekanntgeben. Auf der Homepage sieht man aber, dass Silvercorp bei dem Venezuela Aid Live-Konzert als Security eingesetzt war, das von dem Milliardär Richard Branson in Kolumbien an der Grenze zu Venezuela im Februar 2019 organisiert wurde. Auf Instagram veröffentlichte er ein kurzes Video mit dem Kommentar:

Venezuela Aid Live. Kontrolliere das Chaos an der venezolanischen Grenze, wo ein Diktator mit Sorge zuschaut.

Diese Erfahrung muss in ihm offensichtlich den Wunsch geweckt haben, für viel mehr als nur für die Sicherheit eines Konzerts zu sorgen. Ehemalige Weggefährten erzählten gegenüber AP, dass die Rhetorik der US-Regierung und die Aufrufe zum Sturz von Maduro den ehemaligen Elitesoldaten in seiner Haltung bestärkt hätten. Dann kam der April 2019, als der selbsternannte sogenannte "Interimspräsident" Juan Guaidó tatsächlich den Umsturz mit seiner "Operation Freiheit" wagte. Dieser Umsturzversuch radikalisierte Goudreau endgültig, auch wenn Guaidó bekanntlich am Ende kläglich scheiterte. 

Der Silvercorp-Inhaber wurde durch einen Branchenkollegen Keith Schiller vorgestellt, der lange Zeit für Donald Trump als Personenschützer gearbeitet hatte. Schiller, der über Kontakte zum Umfeld von Guaidó verfügte, nahm den für Maduros Sturz brennenden Goudreau mit – zu einem Treffen in Miami, wo man sich um die Verstärkung der Sicherheit für den "Interimspräsidenten" kümmern wollte. Zuvor vermittelte ihm Schiller aber auch noch den Kontakt zu Lester Toledo, einem engen Vertrauten Guaidós.

Diese kurzzeitige Bekanntschaft mit Schiller nutzte Goudreau in den folgenden Monaten, um zu behaupten, dass er über Kontakte ins Weiße Haus verfüge. Doch Trumps ehemaliger Personenschützer brach nach dem Treffen in Miami den Kontakt zu dem gebürtigen Kanadier ab, nachdem der ihn über seine Absichten in Venezuela informiert hatte.

Davon ließ sich Goudreau keineswegs entmutigen. Er reiste in die kolumbianische Hauptstadt Bogota – wohlwissend, dass sich dort die nach dem Putschversuch geflüchteten venezolanischen Deserteure aufhielten. Auch Lester Toledo war vor Ort. Nach einem Treffen der beiden Männer befand Guaidós Mann Goudreau für genügend vertrauenswürdig, ihn dem Ex-General Cliver Alcalá vorzustellen. Im Verlauf weiterer Gespräche, die sich über zwei Tage lang in dem Marriott-Hotel  in Bogota erstreckten, besprachen sie die Möglichkeit einer militärischen Invasion mit dem Ziel, Maduro zu stürzen. Das haben zumindest drei Personen gegenüber AP ausgesagt, die an den Gesprächen teilgenommen haben, aber anonym bleiben wollen.

Alcalá meinte, dass er dafür 300 Mann zur Verfügung habe, die aber für diesen Einsatz vorbereitet werden müssten. Diese Aufgabe sollte Goudreau zufallen, der über ausreichend Kampferfahrung in Kriegsgebieten verfügte. Ein Problem, das es zu lösen galt, war die Beschaffung von Finanzmitteln für diese Operation. Deswegen wandte sich Goudreau an seinen Geschäftspartner Drew White, der ebenfalls früher ein US-Elitesoldat des 1st. Special Forces Command war.

Die Anfrage seines Geschäftspartners und Waffenbruders betrachtete White allerdings mit Skepsis und Sorge. "Sein Kopf war nicht in der Welt der Realität", sagte er über Goudreaus Absichten und Pläne. Am Ende zerbrach daran die Freundschaft. "Nichts was er sagte, machte Sinn", meinte er.

Auch von diesem schmerzhaften Rückschlag ließ sich der Silvercorp-Gründer aber nicht entmutigen. Er glaubte an Juan Guaidó und Cliver Alcalá und auch daran, wofür die Männer einstanden. Bei so vielen reichen Unterstützern in den USA und selbst aus der US-Politik würde sich bestimmt ein Weg finden lassen, die Operation zu finanzieren. Und er sollte bei Juan Guaidó fündig werden, wie Jordan Goudreau gegenüber der venezolanischen Journalistin Patricia Poleo in einem Interview bekanntgab.

Laut dem Vertrag, den er ihr als Beweis vorlegte, wurde am 16. Oktober 2019 ein "Servicevertrag" über 212,9 Millionen US-Dollar zwischen der Bolivarischen Republik Venezuela – vertreten durch den "Präsidenten" Guaidó – und Silvercorp USA geschlossen. Als beglaubigter Zeuge fungierte Manuel Retureta, der eine Anwaltskanzlei in Washington betreibt. Zu dessen Klienten gehörte Juan Antonio "Tony" Hernández, Bruder von Juan Orlando Hernández, dem Präsidenten von Honduras, der von den USA wegen Drogenschmuggel größten Ausmaßes angeklagt wurde.

Goudreau veröffentlichen den Vertrag eigentlich aus Frust gegenüber Guaidó, weil er nach eigener Auffassung übers Ohr gehauen wurde und keinen einzigen Cent für die geplante Operation erhielt. Zuvor hatte der venezolanische Oppositionspolitiker abgestritten, dass es überhaupt einen Vertrag mit Silvercorp USA gab, nachdem der Ex-General Alcalá genau das behauptet hatte. Goudreau veröffentlichte auch einen Mitschnitt eines Telefonats kurz vor der Vertragsunterzeichnung, das mit Juan Guaidó geführt worden sein soll. Die Authentizität des Mitschnitts und der Teilnehmer konnte nicht unabhängig verifiziert werden. 

Obwohl also gar kein Geld in dem geforderten Umfang geflossen sein soll und der wichtigste Mann hinter dem Plan, Cliver Alcalá, sich Ende März der US-Drogenbehörde DEA in Kolumbien stellte, hielt Goudreau an dem Vorhaben fest. Immerhin hatte er noch den "Panther" und Antonio José Sequea an seiner Seite, weitere desertierte Offiziere der venezolanischen Streitkräfte, die die "Operation Gideon" operativ leiten sollten. Als Zeitpunkt für die Invasion wurde der 3. Mai auserwählt, genau ein Jahr nach der "Operation Freiheit" von Juan Guaidó, die bereits gescheitert war.

In bewundernswert prophetischer Vorahnung meldete sich am 1. Mai John Bolton, der als Kriegstreiber berüchtigte US-Politiker und frühere Nationale Sicherheitsberater von Präsident Trump, als er in einem knappen Tweet eine Anspielung auf irgendein noch stattfindendes Ereignis in Venezuela machte:

Der Morgen kommt nach Venezuela – Wieder. 

Was genau Bolton damit meinte, ist nicht bekannt. Auch nicht, ob er etwas von der bevorstehenden "Operation Gideon" wusste, wie nun viele Kommentatoren behaupten.

Auf jeden Fall war sich aber Jordan Goudreau seiner Sache ziemlich sicher. Noch am selben Tag der Operation, die in den frühen Morgenstunden am 3. Mai begann, ließ der Silvercorp-Chef ein aufgezeichnetes Video zusammen mit Javier Nieto Quintero, einem ehemaligen Kapitän der Bolivarischen Nationalgarde, der jetzt in den USA lebt, über die Journalistin Poleo veröffentlichen, in dem sich die beiden Männer relativ offen über das äußerten, was in Venezuela passieren sollte. 

Dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Videos die erste Welle der "Operation Gideon" bereits zu Ende war, noch bevor sie richtig begann, konnten die beiden Männer da natürlich nicht ahnen. Ihre Pläne wurden vom venezolanischen Geheimdienst aufgedeckt und man ließ die erste Gruppe von Söldnern in La Guaira, der "Pforte Venezuelas", wo sie an Land gehen wollten, in eine Falle tappen. Sie wurden von Spezialkräften der Armee und Polizei bereits erwartet und umgehend unter schweren Beschuss genommen. Dabei wurden acht Männer getötet, darunter auch Robert Colina, der "Panther".

Obwohl Goudreau sich darüber im Klaren sein musste, dass der Plan zum Scheitern verurteilt ist, bestätigte er am 4. Mai über Twitter, dass ein "Einfall einer Kampftruppe nach Venezuela" stattfände, an dem 60 Venezolaner und zwei ehemalige US-amerikanische Green Berets (so werden die Elitesoldaten des dienstältesten 1st Special Forces Command der US-Spezialeinsatzkräfte genannt) teilnehmen. Er wolle mit seinem Tweet sogar den Präsidenten Donald Trump persönlich darüber in Kenntnis setzen. 

Noch am selben Tag wurden allerdings auch die beiden Ex-US-Soldaten von Fischern aufgespürt, als sie sich möglicherweise nach dem gescheiterten Landgang in Sicherheit bringen wollten. Die venezolanischen Sicherheitskräfte nahmen sie gefangen, und ihre Ausweise wurden am Abend vom Präsidenten Nicolás Maduro im Staatsfernsehen wie Trophäen präsentiert. Die beiden Männer, die als Airan Berry und Luke Denman identifiziert wurden, haben "Rambo gespielt", meinte Maduro. 

Außer einer Stellungnahme vom Sonntag, in der Juan Guaidó den Schlag gegen die "Operation Gideon" als Täuschungsmanöver der Regierung Maduro bezeichnete, hält sich der selbsternannte "Interimspräsident" mit weiteren Meldungen zurück. Über Twitter versuchte er zwar Zweifel zu säen und bezichtigte die Regierung der Lüge, aber seit die Veröffentlichungen von Goudreaus Videos im Netz sind, ist es um und von Guaidó wieder still geworden.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte auf Anfrage gegenüber dem US-Nachrichtenmagazin TIME, dass man "wenig Grund habe, irgendetwas zu glauben, das aus dem ehemaligen Regime kommt". Jordan Goudreau selbst scheint ebenfalls um Haltung bemüht zu sein. Auf die Frage, warum seine Leute ausgerechnet in der Nähe der Hauptstadt Caracas an Land gehen wollten, antwortete er, dass er sich an dem Beispiel vom Welteroberer Alexander der Große orientierte, der jeweils "tief im Herzen des Feindes zugeschlagen" hatte. "Ich war mein ganzes Leben ein Freiheitskämpfer. Das ist alles, was ich weiß", meinte er.

Als die venezolanische Korrespondentin Érika Ortega Sanoja für RT den Tweet von Goudreau ins Spanische übersetzte, drohte er ihr sogar umgehend mit Mord:

Söldner werden bezahlt. Um die Welt von Maduro-Verstehern wie dir zu befreien, bin ich gerne bereit diese Arbeit kostenlos zu erledigen. 

Diese Morddrohung wurde zwischenzeitlich von Twitter gelöscht. Aber die Russische Botschaft in Washington, D.C. nahm das zum Anlass, um auf die Doppelstandards im Umgang der US-Behörden und -Menschenrechtsaktivisten mit Verletzungen der Meinungsfreiheit außerhalb der USA hinzuweisen. Auch in diesem Fall hüllen sie sich in Schweigen.

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