Nordamerika

USA: Texas und Washington kämpfen um Stacheldraht an der Grenze

Die Auseinandersetzung um die Migrationspolitik und insbesondere um die Sicherung der Südgrenze prägt die US-Politik seit Jahren. In den letzten Tagen aber hat sie in Texas einen Punkt erreicht, an dem sogar bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Bundes- und Staatstruppen möglich sind.
USA: Texas und Washington kämpfen um Stacheldraht an der GrenzeQuelle: www.globallookpress.com © 1sg Suzanne Ringle/Texas Nationa

Der Streit zwischen dem US-Bundesstaat Texas und der Bundesregierung in Washington um den Umgang mit der Staatsgrenze zu Mexiko verschärft sich zusehends. Am Montag entschied das oberste Gericht der Vereinigten Staaten, der Supreme Court, mit einer knappen Mehrheit von 5 zu 4 Richtern, dass die Grenzwachen, die der Bundesregierung unterstehen, den Stacheldraht abbauen dürfen, den die texanische Nationalgarde an neuralgischen Punkten der Grenzüberquerung gezogen hatte.

Die Auseinandersetzung konzentriert sich insbesondere um einen Staatspark an der Grenze, den Shelby Park bei der Stadt Eagle Pass. Die texanische Nationalgarde verwehrt den Grenzwachen den Zutritt zum Park.

Bereits im Oktober vergangenen Jahres klagte der texanische Generalstaatsanwalt Ken Paxton gegen die Biden-Regierung wegen "Zerstörung von Staatseigentum", weil die Grenzwachen Stacheldraht entlang des Rio Grande zerschnitten hätten, um Migranten "zu helfen, illegal die Grenze zu überqueren".

Der Bezirksrichter urteilte zugunsten der Grenzwachen und sagte, sie hätten keine Gesetze verletzt, als sie den Stacheldraht durchschnitten, um Menschen in Gewahrsam zu nehmen, die den Fluss illegal überquerten. Texas legte Berufung ein, und das Berufungsgericht setzte die Gültigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aus bis zur Entscheidung im Hauptverfahren. Daraufhin ging die Biden-Regierung vor das Oberste Gericht, um diese Aussetzung aufzuheben.

Die Begründung seitens der US-Bundesregierung lautet, dass die Grenzwachen selbst in Notsituationen keinen Zugang zum Shelby Park erhielten, was am 12. Januar dazu geführt habe, dass drei Migranten beim Versuch der Überquerung des Rio Grande ertrunken seien.

Der US-Bundesstaat Texas allerdings sieht sich durch die Menge der eintreffenden Migranten völlig überfordert. In den vergangenen Monaten setzte er sich unter anderem dadurch zur Wehr, das die Menschen busladungsweise in den Norden der Vereinigten Staaten gebracht wurden, vor allem in solche (demokratisch regierte) Großstädte, die sich zu "sanctuary cities", Zufluchtsstädten, erklärt hatten. In Chicago hat das mittlerweile zu einer völligen Veränderung der Stimmung insbesondere in der armen schwarzen Bevölkerung geführt, weil an anderen kommunalen Leistungen gespart werden muss, um die Betreuung der Migranten zu finanzieren.

Der Sprecher des texanischen Gouverneurs Greg Abbott hatte nach Verkündung des Urteils erklärt:

"Das Fehlen von Stacheldraht und anderen Abschreckungsstrategien lädt Migranten zu unsicheren und illegalen Überquerungen zwischen den Einreisestellen ein, während es die Arbeit der Grenzschützer erschwert und gefährlicher macht. Dieser Rechtsstreit ist noch nicht zu Ende, und Gouverneur Abbott wird weiter für den Schutz des texanischen Eigentums und seine verfassungsrechtliche Befugnis zur Sicherung der Grenze kämpfen."

Die Entscheidung des Supreme Court erfolgte allerdings ohne Begründung und besagte nicht explizit, dass den Grenzwachen Zugang zum Park gewährt werden müsse oder dass der Bundesstaat den Stacheldraht entfernen müsse. Die texanische Nationalgarde hat daraufhin begonnen, den Stacheldraht weiter zu verstärken.

Am Mittwoch nun veröffentlichte Greg Abbott eine Erklärung, in der er der Bundesregierung vorwarf, den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und dem Bundesstaat Texas gebrochen zu haben. Texas hat verfassungsrechtlich eine gewisse Sonderstellung, weil es als Staat per Beschluss den Vereinigten Staaten beigetreten ist und sich dabei vorbehalten hat, diese auch wieder verlassen zu können.

"Die Exekutive der Vereinigten Staaten hat nach der Verfassung die Pflicht, Bundesgesetze zum Schutz der Staaten durchzusetzen, eingeschlossen das derzeit gültige Einwanderungsrecht. Präsident Biden hat sich geweigert, diese Gesetze durchzusetzen, und hat sie sogar verletzt. (…) Trotz mehrfacher Benachrichtigung in einer Reihe von Briefen – einen davon habe ich ihm persönlich übergeben – hat Präsident Biden die Forderungen von Texas ignoriert, seinen verfassungsgemäßen Pflichten nachzukommen."

Sechs Millionen illegale Immigranten hätten die südliche Grenze in den letzten drei Jahren überquert. Die Gründungsväter der US-Verfassung hätten vorgesehen, dass die Bundesstaaten nicht Präsidenten ausgeliefert sein sollten, die den Schutz der staatlichen Grenzen missachten; die Pflicht des Bundes, vor "einer Invasion zu schützen", sei ebenso Teil der Verfassung wie "das souveräne Recht der Staaten, ihre Grenzen zu schützen".

Er, Greg Abbott, habe bereits erklärt, dass Texas sich einer Invasion gegenübersehe, und berufe sich auf das Selbstverteidigungsrecht der verfassungsgemäßen texanischen Regierung, die in diesem Zuammenhang jedes Bundesrecht übertreffe.

"Die Nationalgarde von Texas, das texanische Amt für öffentliche Sicherheit und andere texanische Beschäftigte handeln auf Grundlage dieser Autorität wie auch der Staatsgesetze, um die texanischen Grenzen zu sichern."

Die texanischen Demokraten ihrerseits tragen nichts zur Beruhigung des Konfliktes bei. Der Kongressabgeordete Joaquin Castro hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, die texanische Nationalgarde unmittelbar der Bundesregierung zu unterstellen, und sein Kollege Greg Casar erklärte:

"Wenn Abbott sich dem gestrigen Urteil des Supreme Court widersetzt, muss Präsident Biden die ausschließliche Kontrolle des Bundes über die texanische Nationalgarde sicherstellen."

Augenblicklich stehen sich besagte texanische Nationalgarde und die Grenzwachen am Rand des Shelby Parks gegenüber. Und die Äußerungen des von Abbott ernannten Kommandeurs von Nationalgarde und texanischer Staatsgarde lassen auch keine einfache Lösung erwarten; der Generalmajor der Air Force, Thomas Suelzer, betonte, seine Truppen würden ohnehin jede Stelle reparieren, an der die Grenzwachen den Stacheldraht durchschnitten. In einer offiziellen Erklärung der Behörde hieß es:

"Die Militärbehörde von Texas hält weiter die Stellung im Shelby Park, um ein ungesetzliches Eindringen in den Staat Texas zu verhindern oder davon abzuschrecken. Wir bleiben entschlossen in unseren Handlungen, um unsere Grenze zu sichern, die Herrschaft des Rechts zu verteidigen und die Souveränität unseres Staates zu schützen."

Inzwischen haben mehrere US-Bundesstaaten erklärt, in diesem Konflikt auf der Seite von Texas zu stehen. So der Gouverneur von Oklahoma, Kevin Stitt, Republikaner wie Abbott.

"Oklahoma steht an der Seite von Texas."

Im US-Kongress sind eine Änderung der Grenzpolitik und die Gewährung von zusätzlichen Mitteln zum Grenzschutz die Hauptforderung der republikanischen Opposition und der Grund, warum die von der Biden-Regierung gewünschten 61 Milliarden US-Dollar für die Ukraine blockiert werden. Die weitere Entwicklung dieser Auseinandersetzung hat also nicht nur derzeit nicht absehbare Folgen für die US-Innenpolitik – schließlich stehen mit der texanischen Nationalgarde und der Grenzwache bewaffnete Truppen einander gegenüber – sondern auch für die US-Außenpolitik.

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