Meinung

Israel und die deutsche Staatsräson in den Medien: Die Kunst des Weglassens

Seit dem 13. November hagelt es Raketen auf Israel. Darüber wird auch breit in den Medien berichtet. Weit weniger erfährt man jedoch darüber, was diesen Angriffen von israelischer Seite vorausging. Gastautor Jochen Mitschka wirft einen Blick auf wenig bekannte Hintergründe.
Israel und die deutsche Staatsräson in den Medien: Die Kunst des WeglassensQuelle: Reuters

von Jochen Mitschka

Am 13. November 2019 hörte man in den Nachrichten, dass die "Bewegung des Islamischen Dschihad in Palästina" von Gaza aus über 100 Raketen auf Israel abgeschossen habe. Daraufhin hätten israelische Luftangriffe die Organisation angegriffen und dabei aber die Hamas weitgehend verschont. Durch diese Art des Nachrichtenframings wurden die Medienkonsumenten allerdings (bewusst?) in die Irre geführt.

Auf innenpolitischer Ebene tobt derzeit in Israel ein Kampf um die Führung des Landes. Dabei übertreffen sich die Protagonisten mit rechtsextremen Forderungen und rassistischen Parolen. Einer der Bewerber für die Position des Ministerpräsidenten, Benny Gantz, ehemaliger Generalstabschef, warb zum Beispiel damit, wie viele Palästinenser er bei einem von ihm geführten Angriff gegen Gaza getötet hatte, und nutzte Bilder der auf seinen Befehl hin zerbombten Wohngegenden in Gaza für seine Wahlwerbung. Der jüdische Journalist David Sheen hat in einer Vorlesung dargelegt, wie sich die Situation der Parteien in Israel darstellt. In einem Satz beschrieben: Die Gesellschaft wird derzeit von rechtsextremen und rassistischen Strömungen dominiert.

Was passierte vor den Raketen auf Israel?

Vor diesem Hintergrund des innenpolitischen Wettbewerbs darum, wer denn der härteste Gegner der Palästinenser ist, müssen die den Raketenangriffen vorausgehenden Mordanschläge gegen führende Mitglieder des Islamischen Dschihad gesehen werden. Israel bombardierte ein Haus in Gaza, wobei die Familie eines Anführers der Organisation getötet und mehrere Menschen verletzt wurden, sowie ein Haus in Damaskus. Bei dem Angriff in der syrischen Hauptstadt wurde der Sohn des "Zielobjektes" getötet und mehrere Personen verletzt.

Die Unterstützer der israelischen Politik der außergesetzlichen Tötungen, durch die bereits weit mehr als 3.000 Menschen außerhalb Israels ermordet wurden, führen regelmäßig an, dass dies nur der Selbstverteidigung gegen Terrorismus dient. Und so antworten sie auf die Frage "Was passierte vor den Raketen auf Israel" mit den Hinweisen auf Anschläge durch die Hamas oder den Islamischen Dschihad und dass diese außergesetzlichen Tötungen der Sicherheit des Landes dienen würden.

Allerdings hatten auch diese Anschläge einen Vorläufer. Nämlich den Angriffskrieg Israels gegen Palästina und die darauffolgende Besatzung. Darauf wird oft erwidert, dass auch dies nur ein Akt der Selbstverteidigung gegen einen bevorstehenden Angriff durch Ägypten gewesen wäre. Dies steht allerdings im Widerspruch zu den Darlegungen des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin. Dieser hat in Bezug auf den sogenannten Sechstagekrieg 1967 erklärt

Im Jahr 1967 hatten wir wieder eine Wahl. Die ägyptische Armee, die sich auf der Sinai-Halbinsel konzentrierte, bewies keineswegs, dass Nasser wirklich einen Angriff vorbereitete. Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein. Wir entschlossen uns, sie anzugreifen.

Bliebe noch das Argument, die israelische Zivilgesellschaft Israels vor "Terrorismus" zu schützen. Dazu muss gesagt werden, dass sich die Sicherheit der Gesellschaft durch diese Taktik nicht verbessert hat, geschweige denn, dass eine Befriedung eingetreten wäre. Gleichzeitig ist der bewaffnete Widerstand gegen die israelische Besatzung durch die Hamas und den Islamischen Dschihad vom Völkerrecht und durch UNO-Resolutionen legitimiert. Da spielt es völkerrechtlich auch keine Rolle, dass vor allem westliche Staaten erklären, die beiden Organisationen wären "Terrororganisationen". Eine solche Zuweisung hatten westliche Länder auch gegenüber dem ANC und Nelson Mandela praktiziert, teilweise bis in die 2000er-Jahre hinein. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Recht von kolonialisierten Völkern und insbesondere Palästinensern bestätigt, sich mit

allen verfügbaren Mitteln besonders auch dem bewaffneten Kampf" zu widersetzen.

Die UNO-Generalversammlung hatte außerdem erklärt, sie

verurteile scharf alle Regierungen, die das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Menschen unter kolonialer und ausländischer Herrschaft sowie Unterjochung durch Fremde nicht anerkennen, insbesondere den Kampf der Menschen von Afrika und des palästinensischen Volkes.

Also gehen wir die Schritte noch mal rückwärts durch:

Was passierte nach den Raketenangriffen auf Israel?

Die israelische Armee reagierte mit einer "groß angelegten" Militäroperation in Gaza, einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt mit nach wie vor zahlreichen zerstörten Häusern aus den letzten Angriffen Israels. Deutsche Medien hatten die "Raketen auf Israel", die zumindest kaum materiellen Schaden verursachten, zum Mittelpunkt ihrer Berichterstattung gemacht. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass Israel die Hamas bei darauf antwortenden Luftangriffen "verschont hätte". In diesem Zusammenhang ein kurzer Exkurs zur Beziehung Israels zur "Terrororganisation" Hamas:

Das gegenseitige Ausspielen von Widerstandsbewegungen gegen die Besatzung hat in Israel Tradition.

Den ehemaligen israelischen Beamten Avner Cohen und David Hacham zufolge ermutigte Israel in den 1980er Jahren die Entwicklung der Hamas, die sie als 'Gegengewicht' zur PLO und der Fatah ansah. Tel Aviv beobachtete in den 1980er Jahren, dass 'durch die Muslimbruderschaft mehr Gewalt gegen die nationalistischen palästinensischen Gruppen gerichtet wurde als gegen die Besatzungsbehörden Israels'. Als Folge wurde die Muslimbruderschaft und die mit ihr verbundene Hamas 'weniger hart behandelt als die Nationalisten' (Quelle Seite 166).

Hier lässt sich die Kontinuität in der Besatzungspolitik Israels erkennen. In einer erfolgreichen Politik des "Teile und herrsche" wird der Widerstand unterschiedlich hart "bestraft". Die fortwährende Zerstörung Gazas durch Luft- und Artillerieangriffe wird in den deutschen Medien oft nur nebenbei erwähnt und als reine Verteidigungsreaktionen auf Angriffe aus dem Gazastreifen heraus dargestellt. Es spricht Bände, dass Bilder von den massiven Zerstörungen in Gaza etwa vom Exekutivdirektor der Menschenrechts-NGO Human Rights Watch, Kenneth Roth, jahrelang als Bebilderung für die "Zerstörungswut" des "Assad-Regimes" in Syrien genutzt wurden: 

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