Meinung

Fall Epstein: Die mysteriöse Maxwell-Verbindung

Ghislaine Maxwell gilt als wichtigste Komplizin von Jeffrey Epstein. George Galloway hatte vor etwa 30 Jahren mit ihrem Vater zu tun, dem zwielichtigen Medienmogul Robert Maxwell. Lassen sich aus diesen Erfahrungen Rückschlüsse zu dem gegenwärtigen Skandal ziehen?
Fall Epstein: Die mysteriöse Maxwell-VerbindungQuelle: AFP © AFP / Getty Images North America / Laura Cavanaugh; AFP / Michel Clement

von George Galloway

George Galloway war fast 30 Jahre lang Abgeordneter im Unterhaus des britischen Parlaments. Er ist Filmemacher, Schriftsteller und ein angesehener Redner. Galloway präsentiert auch Fernseh- und Radiosendungen, unter anderem bei RT International.

Während Jeffrey Epsteins Komplizin Ghislaine Maxwell wie vom Erdboden verschluckt scheint, haben die Medien kaum noch in Erinnerung, wie ich einen langen Krieg gegen Ihren Vater Robert führte und welche Rolle ich bei seinem Untergang spielte.

Es würde sich kaum lohnen, an diese weit zurückliegenden Ereignisse zu erinnern, wenn dadurch nicht Licht auf die Rolle von Roberts Lieblinkskind Ghislaine geworfen würde – oder besser gesagt, eine Wolke des Misstrauens. Denn sie steht jetzt im Zentrum einer dunklen und faszinierenden Geschichte, die ebenso bizarr ist wie jene, die ihren verstorbenen Vater umhüllte.

Ich traf Robert Maxwell zum ersten Mal, als er in den frühen 1980er Jahren ein enorm mächtiger und einschüchternder Medienmogul war. Es war im grünen Raum des damaligen BBC-Flaggschiffprogramms Question Time, das von Sir Robin Day – damals der Doyen der Mächtigen in der BBC – präsentiert wurde.

"Ah, Mr. Galway" (sic!), dröhnte Robert Maxwell, "der PLO-Mann" – und schlug mir so hart auf den Solarplexus, dass ich mich krümmte, mit Tränen in meinen Augen. So wie damals das britische Establishment, so wandten auch meine Mitstreiter und Sir Robin selbst ihre Augen ab und taten so, als ob sie nichts gesehen hätten.

Zu der Zeit und fast über ein Jahrzehnt war ich eng mit dem damaligen britischen Satiremagazin Private Eye verbunden, schrieb regelmäßig und lieferte Geschichten und Aufmacher für andere, besuchte regelmäßig die legendären Private-Eye-Essen im "Coach and Horses" in Soho, denen der Gründer und Herausgeber der Zeitschrift, Richard Ingrams, vorsaß.

Etwa ein Jahr nach Maxwells erstem Schlag gab ich eine Geschichte an Private Eye, die – von anderen noch verfeinert – veröffentlicht wurde. Gegen diese klagte der Medienmogul und kämpfte eine epische Schlacht vor Gericht gegen uns. Und er gewann. Obwohl Herausgeber Ingrams eine Nacht in der Zelle verbrachte, weil er sich weigerte, mich als Quelle zu nennen, war meine Urheberschaft für Maxwell bald offensichtlich. Wir begannen einen Zermürbungskrieg, der bis zu seinem Tod andauerte.

Im Oktober 1991 ließ mir der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Autor und Journalist Seymour Hersh an einem Samstag spätabends eine Aktensammlung überreichen, eine Zusammenfassung seines Buches, in dem er schwere Vorwürfe gegen Maxwell erhoben hatte.

So furchtgebietend war Maxwells Macht zu jener Zeit, dass er gerichtlich Verfügungen gegen eine mögliche Vorveröffentlichung erwirkt hatte, die sich gegen jeden richteten, der irgendein Wort davon veröffentlichte, gegen jeden, der es druckte, gegen jeden, der es verteilte, gegen jeden, der es verkaufte. In Großbritannien existierte das Hersh-Buch nicht.

Ich allerdings war als Mitglied des britischen Parlaments bei allem, was ich im Parlament sagte oder im Order Paper des Parlaments veröffentlicht habe, von diesem Verbot ausgenommen. Ebenso jeder, der über das berichtete, was ich dort sagte oder schrieb. Und so tat ich es.

Unter anderem beschuldigte ich Maxwell, ein Dieb zu sein, der die Pensionskassen seiner eigenen Angestellten gestohlen hatte, Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad zu sein, und den Verbleib des tapferen israelischen jüdischen Whistleblowers Mordechai Vanunu in London verraten zu haben. Dieser war in der Folge entführt, betäubt und – seine Kiefer verdrahtet wie bei Hannibal Lector, damit er schweigt – nach Israel geschafft worden, wo er schließlich Jahrzehnte in Einzelhaft verbrachte und selbst jetzt noch nicht frei ist, um zu reden oder zu reisen.

Meine Vorwürfe platzten in das Leben von Robert Maxwell wie eine Atombombe.

Er befahl seinen journalistischen Schergen (eben denen, deren Renten er gestohlen hatte), "Galloway komplett anzupissen", und sie taten es prompt. Auf den Titelseiten aller sechs seiner nationalen Zeitungen nannten Sie mich "einen Schakal", der Misthaufen durchstöbere, einen "Freund arabischer Terroristen" ("Ah, Mr. Galway (sic!), der PLO-Mann") und vor allem schrieben sie, dass ich über ihren Besitzer gelogen hätte.

Innerhalb von Wochen wurde der Diebstahl der Renten öffentlich, und Maxwell war tot, nachdem er vor den Kanarischen Inseln von der Rückseite seiner Jacht – der Lady Ghislaine – gefallen, gesprungen oder gestoßen worden war. Robert Maxwell erhielt ein Staatsbegräbnis auf dem Ölberg, dabei waren der israelischen Präsident, der Premierminister und nicht weniger als sieben ehemalige oder amtierende Oberhäupter des Mossad. In der Laudatio wurde dem "außergewöhnlichen Dienst", den Herr Maxwell Israel erwiesen hatte, Tribut gezollt. Die ganze Geschichte, welche genauen "Dienste" er geleistet hatte, wurde mit ihm in Jerusalem begraben.

Die schicksalhafte Jacht wurde "Lady Ghislaine" genannt, weil diese Tochter sein Lieblingskind war (er hatte noch andere Töchter), und war sie aus einem bestimmten Grund sein Lieblingskind. Von allen Geschwistern war Ghislaine diejenige, die Robert Maxwell am ähnlichsten war. Der Körper ihres Vaters verlor sich in den tiefen und trüben Gewässern internationaler Intrigen. Wo sie wieder auftauchen wird, ist noch unbekannt. Welchen "außergewöhnlichen Dienst" sie geleistet hat und für wen, bleibt ebenfalls noch abzuwarten.

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