"Putins Spiele" und die Qualitätsmedien (XVI) - Die apokalyptischen Visionen des reitenden Schusters

Fußballweltmeisterschaft – und das auch noch in Russland! Diese explosive Mischung, kurz "Putins Spiele" genannt, versetzte die deutschen Qualitätsmedien in strudelnde Erregung. – Ein abschließender Blick auf Berichterstattung und Kommentare.
"Putins Spiele" und die Qualitätsmedien (XVI) - Die apokalyptischen Visionen des reitenden Schusters

von Leo Ensel

Es ist vollbracht. Die WM ist zu Ende, und alle leben wir noch!

Die Weltmeisterschaft in Russland hat weder Menschenleben gekostet noch Schwerverletzte gefordert, kein Hooligan, kein Homophober, kein Islamist konnte sich austoben, und selbst bei den ausgelassensten Freudenfeiern auf Straßen und Plätzen wurde niemand versehentlich erdrückt. So gesehen war es nicht nur die, laut Infantino, beste Fußball-WM aller Zeiten, sondern - denkt man die Schreckensszenarien, die zuvor allenthalben im deutschen Mainstream verbreitet wurden, konsequent zu Ende - auch die langweiligste. - Gott sei Dank!

"Massives Foulspiel des Kremls beim Turnier..."

Was war nicht alles an Horrorszenarien im Vorfeld prognostiziert worden! Werfen wir einen kurzen Blick zurück und schauen wir uns exemplarisch die Visionen des prominentesten deutschen apokalyptischen Reiters an. Bereits im Januar warnte dieser, einen bekannten Kreml-Kritiker zitierend, der russische Geheimdienst könnte "das Turnier mit brutalsten Mitteln manipulieren". Dass "Präsident Putin die Fußball-WM im Land für sich nutzen" werde, diese Binse war ja jedem Erstklässler eh bereits bekannt. Klar, dass da noch was draufgelegt werden musste! Und so versprach denn auch schon die Überschrift jede Menge Sport, Spiel und Spannung: "Massives Foulspiel des Kremls beim Turnier - bis hin zu Mord". Ahnen Sie nun, weshalb es dann tatsächlich die langweiligste WM aller Zeiten wurde?

Das Elend begann bereits mit der "Auslosungs-Show im staatlichen Kremlpalast: einem weißen Beton- und Glaskasten, der 1961 an der Stelle extra abgerissener historischer Gebäude für die Parteitage der Kommunisten errichtet wurde und den historischen Kreml verschandelt". Nun kann man dem russischen Präsidenten ja manches vorwerfen - gewiss jedoch nicht das Parteitagsgebäude der ehemaligen KPdSU! Halten wir uns aber nicht weiter mit den ohnehin bekannten Softcorevorwürfen auf wie dem von Jelzins Namensvetter suggerierten "Corriger la fortune" bei der Gruppenauslosung, den Bestechungsgeldern und der beliebten Frage, wie viele Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Universitäten man für die verbratenen 12,2 Milliarden Euro denn hätte errichten können. Kommen wir lieber zu den schärferen Sachen!

"Das Putin-Regime", so zitierte Boris den bekannten Kreml-Kritiker, "braucht einen neuen Sieg wie die Luft zum Atmen. Und es wird mit den ihm eigenen Mitteln für diesen Sieg kämpfen - mit den Mitteln der Geheimdienste, die in Russland de facto an der Macht sind". Doping allein werde diesmal nicht reichen, um ein erfolgreiches Abschneiden Russlands in einer Mannschafts-Sportart sicherzustellen.

"... bis hin zu Mord!"

Und nun wurde es spannend! "Das kann von Bestechung über Erpressung von Schiedsrichtern und Spielern bis hin zu leichten, schwer nachweisbaren Vergiftungen reichen - Stoffe dafür gibt es in den Giftlaboratorien des FSB, also des früheren KGB, genug." Und sowas könne dann konkret folgendermaßen aussehen: "Ein Torwart und ein Stürmer nehmen einen Schluck Wasser aus der Pulle vor dem Spiel gegen Russland - Ersterer sieht plötzlich den Ball doppelt, Letzterer kann kaum noch laufen." Aber damit selbstverständlich nicht genug. "Die Geheimdienst-Leute, die heute die Macht haben im Kreml, sind es gewohnt, ihre Ziele mit allen Mitteln durchzusetzen - auch mit illegalen und grob unfairen. Betrug, Provokationen, Morde, Fälschungen - das ist für sie keine Schande, wenn es ihrer 'Sache' dient." Fraglos starker Tobak!

Heute sind wir schlauer und können verifizieren, inwieweit die apokalyptischen Visionen des reitenden Schusters eingetroffen sind. Fangen wir mit dem Sieger an! Nun, dass der am 15. Juli Wladimir Putin heißen würde, das wusste bekanntlich Qualitätsjournalistin Christina Hebel bereits exakt zum WM-Start am 14. Juni. Aber das war ja, wie Sie schon ahnen, metaphorisch gemeint.

Also die Sbornaja. In der Tat schnitt sie überraschend gut ab, wenn sie auch nicht gerade Weltmeister wurde. Also, um welches Spiel könnte es sich gehandelt haben, als die gegnerischen Stürmer kaum noch laufen konnten und der Torwart plötzlich doppelt sah? Das Spiel gegen Uruguay, das die Sbornaja, wie man weiß, 0:3 verlor, scheidet schon mal aus. Die Elfmeterschießen im Achtelfinale gegen Spanien oder im Viertelfinale gegen Kroatien? Dann hätte der FSB den jeweiligen gegnerischen Torwarts - alle Elfmeterschützen konnten schließlich laufen - den speziellen Schluck aus der Pulle in der extrem kurzen Pause zwischen Verlängerung und Elfmeterschießen, noch dazu in aller Öffentlichkeit, verabreichen müssen. Unwahrscheinlich! Und im Viertelfinale war es ja ausgerechnet der russische Verteidiger Fernandes, der so grandios am kroatischen Tor verbeischoss. Sollte dem FSB da etwa eine peinliche Verwechselung unterlaufen sein...? Nicht auszudenken! - Also natürlich das 5:0 gegen die Saudis. Eine FIFA-Sonderkommission sollte sich unter UN-Aufsicht das Spiel nochmals intensiv unter dem Gesichtspunkt "Doppeltes Ball-Sehen" des saudischen Torwarts ansehen!

Aber die Morde während der WM und für den Sieg der Sbornaja? Bislang ist nichts bekannt geworden! Heißt das, dass sie so perfekt verübt wurden, dass die Opfer bis heute noch nicht mal vermisst werden? Oder ist dem FSB schlicht das Nowitschok ausgegangen? Fragen über Fragen!

"Drei im Regen - einer unterm Schirm!"

Eines aber kann man jetzt schon festhalten: Die Visionen von Boris, dem apokalyptischen Reiter, haben sich nicht erfüllt! Da lag Kollegin Hebel mit ihrer Voraussage schon besser. Boris zum Trost gab es aber dann doch wenigstens ein peinliches Debakel, das selbst er nicht vorhersehen konnte und das es verdient, für die Nachwelt festgehalten zu werden: Bei der Pokalvergabe nach dem Finale hatte nur Wladimir Putin einen Regenschirm dabei! Was auch am folgenden Tage im Deutschlandfunk von Matthias Friebe postwendend moniert wurde.

In der Tat: Not very British, Mr. President! Blumensträuße für Angela Merkel sind eben nicht alles. Als echter russischer Kavalier hätten Sie wenigstens die kroatische Präsidentin noch unter Ihren Schutz und Schirm nehmen können!

Aber glücklicherweise ist ja nichts im Leben umsonst! Und so wohnt auch diesem Critical Incident ein nicht unerwarteter Zauber inne: Wenn es auch mit dem deutschen Orakel von Delphi nicht so recht geklappt hat, den kleinen Fauxpas am Ende einer rundum gelungenen WM wird die Hohepriesterin der Putinkritik garantiert gebührend würdigen!

Wetten, dass…?!

(Ende der Serie)

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