Berichterstattung über Treffen von Putin und Trump: Das war der Gipfel

Gespannt wartete die Weltöffentlichkeit auf das Gipfeltreffen in Helsinki. Trump und Putin redeten Klartext, deshalb schäumen eine politische Klasse und ihre journalistischen Bannerträger. Ein Kommentar von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam.
Berichterstattung über Treffen von Putin und Trump: Das war der GipfelQuelle: Reuters

von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

 US-Präsident Trump hat der politischen Klasse der Transatlantiker und deren Lautsprechern in den gleichgeschalteten Massenmedien die vitalen Illusionen nebst Propagandatitel geraubt: Die Imperialmacht USA ist nicht konkurrenzlos. Die USA sind nicht die „Schutzmacht“ des Westens, sie waren es nie. Ihre NATO ist kein „Verteidigungsbündnis“, sondern nur das militärische, wichtigste Herrschaftsinstrument, allein dem Zweck „America first“ gewidmet. Russland ist politischer Gegner und geoökonomischer Konkurrent der USA, darf jetzt aber nicht länger als Feind behandelt werden. Es arbeitet zunehmend mit der VR China zusammen, beide schert die Sanktionspolitik der USA einen feuchten Dreck, sie entwickeln wirtschaftliche Überlegenheit. Das verursacht der herrschenden Klasse in den USA Fracksausen. Und das musste selbst ihren - oft genug als „chaotisch“ verunglimpften - Geostrategen Trump nach langem Zögern zu dem Versuch bewegen, die amerikanisch-russischen Beziehungen wieder zu verbessern – und damit zu versuchen, einen Keil in die Beziehungen Moskaus zu Peking zu treiben.

Sind „unsere“ öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Hinblick auf das Treffen der Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin in Helsinki ihrer Pflicht zu umfassender und unparteiischer, sachlicher Nachrichtengestaltung gerecht geworden? Nach einem Tag Beobachtung des „Ersten Deutschen Fernsehens“ und seiner Verantwortlichen, des ARD-aktuell-Chefredakteurs Dr. Kai Gniffke und des NDR-Chefredakteurs Andreas Cichowicz lautet das Fazit: erbärmlich. Mit der in ihren Programmen (Tagesschau, Brennpunkt), vermittelten Einschätzung, das Treffen habe „keine konkreten Ergebnisse“ gebracht, es bedeute für Putin einen „politischen Triumph auf der ganzen Linie“, lagen sie im Trend – und voll daneben.

Dass auch Donald Trump einen wichtigen Sieg errungen haben könnte, nämlich im Kampf gegen die Kriegshetzer in den USA, die Geheimdienst-Mafia und ihren „Tiefen Staat“, bedachte unsere öffentlich-rechtliche Journaille nicht. Sätze wie diese waren nur in der alternativen Presse zu lesen:

"Damit dürfte der Kampf zwischen Trump und seinen politischen Widersachern in neuer Schärfe entbrennen. ... Es ist also durchaus denkbar, dass die als Provokation gesetzten Äußerungen Trumps ein Signal sein könnten, dass er sich nun als stark genug ansieht, um zum Gegenangriff überzugehen."

In der Tagesschau um 20 Uhr hingegen dödelte Washington-Korrespondent Stefan Niemann live aus Helsinki:

„...auch hier in Helsinki zeigte sich Donald Trump hochzufrieden mit sich selbst. ... es eröffneten sich jetzt neue Möglichkeiten für Frieden und Stabilität. Was das konkret bedeutet: Donald Trump konnte oder wollte es nicht sagen.... Auch der überwiegende Teil der Begleitpresse hier reagierte entsetzt ... “ 

Nicht weniger bescheuert salbaderte NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz im anschließenden ARD-„Brennpunkt“ :

„Zwei der mächtigsten Männer der Welt trafen sich direkt hinter mir: Donald Trump und Wladimir Putin. Und? Hat es die Welt sicherer gemacht? Oder wird es jetzt gefährlich, weil beide Europa und Deutschland schwächen wollen? Das wollen wir in diesem Brennpunkt erörtern ....“

Bevor in seinem „Brennpunkt“ eine Erörterung stattfinden konnte, kam noch ein transatlantisch orientierender Filmbericht über das Helsinki-Treffen:  Beginnend mit der Feststellung, dass Putin „wie immer mit Verspätung“ erschienen sei und darlegend, wie im Westen gegen das Treffen demonstriert werde; wie russische oppositionelle Medienvertreter Putin bewerteten, und endend mit der Feststellung:

„Putins Gipfeltag: Fast ein Selbstläufer“

Und dann „erörterte“ Cichowicz mit dem putinfeindlichen Udo Lielischkies (ARD-Studioleiter in Moskau) und dem transatlantisch genormten Trump-Kritiker Stefan Niemann (ARD-Büroleiter in Washington) und lässt zuguterletzt noch Norbert Röttgen (CDU) geifern, den Washingtoner Liebediener und Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Die gemeinsame Sichtweise dieser „Erörterer“: Putin geschulter Geheimdienstler. Trump hätte ihn viel stärker angreifen müssen. Cichowicz zog folgendes Resümee dieser NATO-kalten Krieger:

„Man hat das Gefühl, Putin hat Trump massiv in der Hand“

Zumindest an einem Großteil ihres Publikums polemisierte die ARD mit solchen Angeboten vorbei. Eine typische Zuschauer-Reaktion auf tagesschau.de:

„Man muss sich wirklich schämen, aber nicht für Herrn Trump ... Gespräche zu suchen und zu führen ist doch um Einiges besser als diese Kriegsrhetorik ... Man mag gar nicht glauben, was die da alle von sich geben. Das sind die viel beschworenen westlichen Werte? ...“

Nüchterner als die öffentlich-rechtlichen, staatskonformen Sender zeigten sich viele Medien in den USA. Sie lassen allmählich merken, dass sie das Märchen von der „Einmischung russischer Hacker in den Präsidenten-Wahlkampf“ nicht mehr vorbehaltlos als Faktum zu verbreiten gedenken; anders ist die Ausführlichkeit kaum zu deuten, mit der sie die dümmlichen Journalistenfragen zu diesem Komplex zitierten und dann zeigten, dass die den US-Präsidenten mittlerweile vollkommen kalt zu lassen scheinen.

Die Berichte zeigen auch, dass es nicht mehr weit her ist mit der vorgespielten „Führungsrolle“ der USA-beherrschten Westlichen Wertegemeinschaft. Das überragende amerikanische Selbstbewusstsein ist getroffen: Trump ließ die Masse der US-Medien und viele seiner Landsleute als Deppen dastehen, die nicht begreifen können oder wollen, dass Geopolitik nicht ideologischen (Aber-)Glaubensbekenntnissen folgt, sondern ökonomischen Interessen, und dass die Interessenlage der USA heute zu anderen Politikstrategien führen muss als noch vor 20 Jahren. Selbst konservative Blätter wie die Chicago Tribune berichten darüber relativ frei von Pawlowschen Speichelreflexen:

„Trumps warmherzige rhetorische Umarmung Putins, der habe ihm extrem stark und überzeugend erklärt, dass Russland Amerikas Demokratie nie angegriffen habe, war ein außergewöhnlicher Schlussstein dieses ersten formellen Treffens zwischen den derzeitigen Führern der nuklearen Supermächte. Es löste Angst und Entsetzen aus unter vielen in Washington und auf der ganzen Welt.“ (Original: Trump's warm rhetorical embrace of Putin, who he said had given him an "extremely strong and powerful" denial that Russia assaulted America's democracy, marked an extraordinary capstone to the first formal meeting between the current leaders of the world's nuclear superpowers and sparked trepidation and horror among many in Washington and around the globe.

Pepe Escobar, weltweit bekannter Publizist der Asia Times, titelte im Portal Russia Insider:

„Trump hat Recht: Die NATO ist überflüssig, und wenn Europa gegen eingebildete Feinde kämpfen will, sollte es dafür selbst bezahlen.“ Original: Trump Is Right - NATO Is Obsolete, and if Europe Wants to Fight Imaginary Enemies, It Should Pay Its Own Way)

Das ist zwar sicher nur bedingt richtig, denn die USA brauchen dennoch die NATO als Machtmittel weltweit; nicht von ungefähr sollen (in Südamerika) gerade Kolumbien als NATO-Mitglied aufgenommen werden, (in Europa) Mazedonien, und wenn sich’s denn gegen Russland durchsetzen ließe, auch Georgien und Moldawien. Aber der Kern der Aussage Escobars ist stimmig und zeigt Trumps Strategie: Die „verbündeten“ europäischen Heloten sollen für die militärische Garantie ihrer eigenen Rechtlosigkeit gefälligst auch noch selbst bezahlen. „America first!“ Das ebnet Trump seinen Erfolgsweg in den USA.

Der ehemalige US-Unterstaatssekretär Paul. C. Roberts, heute Publizist, fragt in seinem Aufsatz:

„Ist Präsident Trump ein Verräter, weil er Frieden mit Russland will?“ (Original: Is President Trump A Traitor Because He Wants Peace With Russia?)

Die Publizistin Caitlin Johnstone destillierte die durchaus sichtbaren und sehr konkreten Ergebnisse des Gipfeltreffens in Helsinki in der Titelzeile ihrer Betrachtung auf der Plattform medium.com, einem Internet-Portal für sozialen Journalismus

Friedensgespräche zwischen den nuklearen Supermächten beschämen Amerikas Arschlöcher und Dummbeutel (Original: Peace Talk Between Nuclear Superpowers Offends America’s Assholes And Morons)

Deutsche Politiker und Medienleute eröffnen jetzt den Zwei-Fronten-Krieg: Gegen die Präsidenten der USA und Russlands – und bereit, unsere Zukunft zu verspielen, denn zumindest in ökonomischer Hinsicht ist die nur mit Russland (und der VR China) zu sichern, mit den USA allein sicher nicht. Typisch deutsch: Viel Feind’, viel Ehr’! Das Treffen in Helsinki lässt auch die Kriegstreiberfraktion im Berliner Reichstag und die antirussischen Hetzer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dem entblößendem Licht erscheinen, das Johnstone auf die US-Szene wirft: „Assholes“, Dummschwätzer.

Zu den Autoren: 

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 im NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1985 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni in Taipeh.  

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