Meinung

Die AfD: Soziale Heimatpartei oder neoliberaler FDP-Abklatsch?

In den Medien ist die AfD vor allem durch ihre Migrationspolitik präsent. Doch was bietet die Partei jenseits von Abschiebungen und Grenzkontrollen? Kann sie sich auch als eine soziale Alternative etablieren? Eine Suche nach einer Antwort.
Die AfD: Soziale Heimatpartei oder neoliberaler FDP-Abklatsch? Quelle: www.globallookpress.com

von Hasan Posdnjakow

Nicht nur die AfD selbst, auch die etablierten Medien beteiligen sich kräftig daran, der "Alternative" stets im Zusammenhang mit ihrer radikalen Migrationspolitik mediale Präsenz zu verschaffen. Es entsteht der Eindruck, die Partei habe jenseits ihrer negativen Haltung zur Migrationspolitik der Großen Koalition nur wenige andere Inhalte. Doch einige AfD-Politiker versuchen, ihrer Partei auch als soziale Alternative Geltung zu verschaffen. Das erinnert an den Kurs der österreichischen FPÖ, die sich als "soziale Heimatpartei" profiliert.

Doch was steckt hinter dieser Imagekampagne? Entsprechen die tatsächlich von der AfD befürworteten politischen Ziele dem Bild einer sozialen Partei? Um diese Frage zu beantworten, müssen die programmatischen Dokumente der AfD betrachtet werden.

In ihrem Grundsatzprogramm, beschlossen auf dem AfD-Bundesparteitag im Jahr 2016, präsentiert sich die Partei als marktradikale, gar libertäre Kraft. Gleich in der Einleitung fordert die AfD, der Staat müsse sich wieder auf seine "Kernaufgaben" beschränken, also "innere und äußere Sicherheit, Justiz, auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung":

Aufgaben jenseits dieser vier Kerngebiete bedürfen besonderer Rechtfertigung. Wir wollen prüfen, inwieweit vorhandene staatliche Einrichtungen durch private oder andere Organisationsformen ersetzt werden können.

Diese grundlegende Ansage zeigt, dass die Parte sich am minimalistischen Modell des Nachtwächterstaates orientiert. Zunächst also sind die Erwartungen an eine soziale Profilierung der AfD eher gedämpft.

Auch im weiteren Verlauf des Grundsatzprogramms treten die marktradikalen Züge der AfD-Politik zutage, etwa wenn festgestellt wird:

Je mehr Wettbewerb und je geringer die Staatsquote, desto besser für alle. (…) Gegebenenfalls erforderliche staatliche Eingriffe (…) sind auf das notwendige Minimum zu begrenzen und müssen für in- und ausländische Investoren kalkulierbar sein.

An diesen Stellen fällt es schwer, einen Unterschied zwischen der Programmatik der FDP und der AfD auszumachen. Wie die extremen Vertreter des Neoliberalismus, die Mövenpick-Partei, konstatieren auch die Nationalkonservativen:

Mit Sorge beobachten wir zu viele und ineffiziente Regulierungen. Wir wollen unternehmerischen Geist neu entfachen und Unternehmensgründungen dadurch helfen, dass wir bürokratische Hindernisse beseitigen. Bürokratieabbau darf sich dabei nicht nur auf eine bessere Ausgestaltung der Regeln beschränken, sondern beinhaltet auch eine Überprüfung der Notwendigkeit bestehender Regeln.

Was die AfD hier verschweigt, ist, dass seit 30 Jahren immer dieselbe alte Leier bemüht wird, wenn es darum geht, die Rechte von Beschäftigten und soziale Errungenschaften, die für die Masse der Bevölkerung vorteilhaft sind, zu zerschlagen: "Bürokratieabbau! Regeln vereinfachen!"

Die rechtskonservative Partei verkündet in ihrem zentralen programmatischen Dokument zudem, dass sie die "staatlichen Subventionen reduzieren und befristen will". Dies sei unter anderem erforderlich, um "die Staatsaufgaben zu reduzieren".

Entgegen den Forderungen vieler sozialer Bewegungen verspricht die AfD, die Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer ganz abzuschaffen. Das würde die Konzentration des gesellschaftlichen Reichtums in den Händen einer kleinen Minderheit weiter verschärfen.

Für die dringenden Fragen der Wohnungsnot und Mieterhöhung versprechen sich die Nationalkonservativen Abhilfe vor allem durch die Förderung von Eigentumswohnungen. Doch das wäre wohl kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Zudem würde nur eine kleine Schicht von solchen Maßnahmen profitieren.

Statt Hartz IV schlägt die AfD eine "aktivierende Grundsicherung" vor:

Dabei schmilzt der staatliche Unterstützungsbetrag der Grundsicherung mit wachsendem Einkommen immer weiter ab, bis ab einem bestimmten Einkommen Einkommenssteuer zu entrichten ist (…). Wer arbeitet, wird auf jeden Fall mehr Geld zur Verfügung haben als derjenige, der nicht arbeitet, aber arbeitsfähig ist.

Unklar ist allerdings, wie hoch diese "Grundsicherung" ausfallen soll. Insofern lässt sich auch schwer abschätzen, ob sich dieser Vorschlag tatsächlich als ein sozialer Fortschritt für die Millionen von Hartz-IV-Abhängigen erweisen dürfte.

Trotz der Bestrebungen einzelner AfD-Politiker, sich als neue soziale Alternative darzustellen, zeigen die wesentlichen programmatischen Äußerungen der Partei, dass sie politisch fest im Lager der marktradikalen Parteien steht. Um tatsächlich ein soziales Profil zu gewinnen, müssten die Rechtskonservativen mit der herrschenden Ideologie der Marktgläubigkeit brechen. Bisher gibt es wenige Anzeichen dafür, dass dieses Szenario in absehbarer Zeit eintreten wird.

Das lässt die Frage aufkommen, wie lange die Partei den Teil ihrer Wählerschaft, der aus sozial schwachen Schichten stammt, noch an sich binden kann. Zwar ist die Migrationspolitik diversen Umfragen zufolge weiterhin das wichtigste Thema für viele Deutsche, doch das dürfte sich bei der nächsten wirtschaftlichen Krise ändern – und diese sind im Kapitalismus vorprogrammiert. Deutschlands vermeintlicher wirtschaftlicher Erfolg basiert auf einer nicht nachhaltigen Politik einer Exportorientierung auf Kosten der Löhne der abhängig Beschäftigten. Daher ist die deutsche Wirtschaft auch sehr krisenanfällig. Es ist sehr wohl möglich, dass das gesamte "Wirtschaftswunder" wie ein Kartenhaus zusammenbricht.

Wird sich die Ein-Themen-Partei AfD dann weiterhin behaupten können? Oder wird sie den Herausforderungen der Zukunft nicht standhalten? Nur die Zukunft wird auf diese Frage eine endgültige Antwort geben können. Doch anhand der jetzigen Indizien lässt sich die Prognose aufstellen, dass die AfD für die Zeiten, in denen die Migrationspolitik nicht das bestimmende Thema ist, schlecht aufgestellt ist.

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