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Ukraine: Rechtsradikale "Bürgerwehr" als Wahlbeobachter bei Präsidentschaftswahl zugelassen

Laut der Zentralen Wahlkommission der Ukraine wurde die rechtsradikale, zum Teil mit Neonazis bemannte "Nationale Bürgerwehr" als offizieller Wahlbeobachter für die Präsidentschaftswahl am 31. März zugelassen. In Deutschland und anderswo wird geschwiegen, die UN-Mission in der Ukraine schlägt Alarm.
Ukraine: Rechtsradikale "Bürgerwehr" als Wahlbeobachter bei Präsidentschaftswahl zugelassenQuelle: AFP © Genya Savilov

Von Zlatko Percinic

Vor einem Jahr wurde die "Nationale Bürgerwehr" gegründet, als eine Gruppe von 600 Personen mit dunklen Anzügen durch die Straßen von Kiew lief und dabei einen Eid auf die Gruppierung ablegte. In einem Video erklären sie ihr Credo: "Wir werden die Ordnung in der Ukraine herstellen." Anführer dieser neuen Bürgerwehr sind Andrei Biletski, der "Weiße Führer" der Asow-Bewegung und Chef der politischen Partei "Nationaler Korpus", Igor Michailenko, ein weiterer Asow-Anführer, der sich selbst als "Nationalist" bezeichnet, und Wladislaw Korenok, der als stellvertretender Kommandeur der ukrainischen Streitkräfte vorgestellt wird. Biletski ist sicherlich die charismatischste Figur in der rechtsextremistischen Szene der Ukraine.

Als die Menschen in der Ostukraine den Putsch in Kiew im Februar 2014 und vor allem die daran beteiligten rechtsradikalen und ultranationalistischen Kräfte nicht unterstützen wollten, gehörte das Asow-Bataillon zu den ersten freiwilligen Milizen, die einen Krieg gegen die abtrünnigen Provinzen führen wollten. Unvergessen auch das Interview, welches Andrei Biletski dem britischen The Telegraph gewährte: 

Die historische Mission unserer Nation in diesem kritischen Moment ist es, die weißen Rassen dieser Welt in einen letzten Kreuzzug für deren Überleben zu führen. Einen Kreuzzug gegen die von Semiten angeführten Untermenschen

Nun ist Biletski aber nicht irgendein durchgeknallter Spinner, wie ihn viele Kriege in ihren chaotischen Anfangsphasen produzieren. Er hat die AK-47 an der Front im Donbass gegen einen Bürostuhl im ukrainischen Parlament in Kiew eingetauscht und sitzt dort als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Verteidigung fest im Sattel.

Da die "Nationale Bürgerwehr" auch ganz offen für eine paramilitärische Ausbildung wirbt, sich immer wieder gegen die Regierung von Präsident Petro Poroschenko stark macht und dabei von staatlichen Stellen wie Justiz und Polizei geduldet wird, glauben viele in der Ukraine, dass hinter diesem Projekt Innenminister Arsen Awakow steckt.

Fiona Fraser, Leiterin der UN-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine, stuft die "Nationale Bürgerwehr" zusammen mit den bekannteren Extremistenparteien, wie den Nationalen Korpus (politischer Flügel des Asow-Bataillons), C-14, Rechter Sektor oder Swoboda, als Bedrohung für die Demokratie und Freiheit der Menschen in der Ukraine ein. Auch Maria Nikolakaki, Professorin für Erziehung und Pädagogik an der Universität von Peloponnes, beobachtete mit Sorge das Erscheinen dieser Gruppierung in den Straßen der Ukraine:

Nazis in der Ukraine. Wir dachten, wir würden es nicht erleben, solche Bilder wieder zu sehen. Dank den USA-EU geschieht es. Traurige Momente der menschlichen Geschichte.   

Während es also weltweit durchaus äußerst kritische Stimmen zur gefährlichen Entwicklung in der Ukraine gibt – nicht wenige vergleichen die "Nationale Bürgerwehr" mit der Sturmtruppe der Nazis – wird dieses Thema hierzulande totgeschwiegen. Kein einziges der großen deutschen Medienportale hat auch nur ansatzweise darüber berichtet. Lediglich die schweizerische Neue Zürcher Zeitung schrieb über "Kiews umstrittene Bürgerwehr". Exemplarisch für das Unterdrücken einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung zum Thema Neonazismus in der Ukraine ist die Reaktion der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken (Drucksache 19/3908). 

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Die Fragesteller wollten mit Frage 10 konkret wissen, über welche Kenntnisse die Bundesregierung verfügt hinsichtlich "Aktivitäten, Aktivisten bzw. Mitgliederpotentiale, Finanzierung, Bewaffnung und gesellschaftliche Resonanz (auch hinsichtlich ihrer Darstellung in Massenmedien) ukrainischer rechtsextremer Gruppierungen". Dabei wurden eine ganze Reihe von Gruppierungen genannt, darunter auch die oben genannten Organisationen wie C14, Swoboda, Rechter Sektor und eben auch die "Nationale Bürgerwehr". Die Antwort der Regierung lautete:

Die Bundesregierung verfolgt aufmerksam und mit Sorge die Aktivitäten von der rechtsextremen Szene zugerechneten Gruppierungen in der Ukraine, die nach Einschätzung des Verfassers der zitierten Studie bisher nicht auf wachsende Resonanz in der Gesellschaft stoßen und spricht dieses Thema auch gegenüber der ukrainischen Regierung an. Nach sorgfältiger Abwägung ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass eine weitere Beantwortung der Frage 10 aus Gründen des Staatswohls nicht in offener Form erfolgen kann. Eine weitergehende Beantwortung dieser Frage würde Informationen zu Aufklärungsaktivitäten, Analysemethoden und zur aktuellen Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste des Bundes preisgeben. 

Die Frage 11 widmete sich nochmal konkret der "Nationalen Bürgerwehr" und in der Antwort bestätigt die Bundesregierung, dass gemäß der ukrainischen Gesetzgebung "Bürgerliche Formationen zum Schutz der Öffentlichen Ordnung lokale Selbstverwaltungen und Strafverfolgungsorgane unterstützen" und dabei sogar "physische Gewalt ausüben" dürfen. Nur zählt sie die "Nationale Bürgerwehr" offensichtlich nicht zu einer legitimen "Bürgerlichen Formation". Denn ansonsten gebe es keinen Grund für die weitere Ausführung:

Die Bundesregierung beobachtet Berichte über Registrierungen von Gruppierungen, die der rechtsextremen Szene zugeordnet werden, als bürgerliche Formationen zum Schutz der Öffentlichen Ordnung und der Staatsgrenze aufmerksam und mit Sorge. So sollen lokale Zellen der "Nazyonalny Druschini" (Nationale Bürgerwehr/Anm.) in den Gebieten Dnipropetrowsk, Wolhynien, Iwano-Frankiwsk und Saporischschja sowie der "Rechte Sektor" in der Region Riwne als bürgerliche Formationen zum Schutz der Öffentlichen Ordnung und der Staatsgrenze registriert sein.

Wenn also alles entsprechend der "ukrainischen Gesetzgebung" verläuft, die "bürgerliche Formation" registriert und genehmigt wurde, weshalb sollte die Bundesregierung dann die Berichte über die "Nationale Bürgerwehr" "aufmerksam und mit Sorge" beobachten? Vielleicht aus denselben Gründen wie viele Ukrainer selbst und andere ausländische Beobachter der Entwicklungen in der Ukraine auch. Dass nun eine solche Bewegung, mit einem "Weißen Führer" an ihrer Spitze, der einen "Kreuzzug gegen die von Semiten angeführten Untermenschen" propagiert, von der Zentralen Wahlkommission als Beobachter für die Präsidentschaftswahlen Ende März zugelassen wurde, spricht den ganzen Versicherungen der Bundesregierung und der EU über den demokratischen Fortschritt in der Ukraine blanken Hohn.

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Der "Nationalen Bürgerwehr" kann das aber alles egal sein. Sie zeigen sich stolz auf diese politische Legitimierung und die nationale Verantwortung, die ihnen die Zentrale Wahlkommission in Kiew zugesprochen hat. Auf ihrer Internetseite schreiben sie, dass "sehr bald die Präsidentschaftswahlen beginnen werden". "Unglücklicherweise wird der Wille der Ukrainer von einer großen Zahl an Verstößen begleitet." Deshalb lassen sie "alle, die den Wahlprozess stören wollen, wissen, dass unsere Kräfte ausreichend vorhanden sein werden, um unverhohlene Verbrechen zu verhindern".

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