Deutschland

Scholz: "Niemand in diesem Land hat vor, dass auf Demonstranten geschossen wird"

Als Scholz am Mittwoch im brandenburgischen Neuruppin ankam, wurde er von einer sich über die Politik empörenden Menge empfangen. Auf die Befürchtung der Menschen, die Bundeswehr könne Proteste künftig gewaltsam zerschlagen, entgegnete der Bundeskanzler: "Niemand hat vor, dass auf Demonstranten geschossen wird."

Bei einem Auftritt im brandenburgischen Neuruppin ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch auf lautstarken Protest der Anwohner gestoßen. Hunderte Protestierende skandierten "Volksverräter", "Lügner" und "Hau ab". Stellenweise war Scholz angesichts eines Pfeifkonzerts und aufgrund von Sprechchören kaum zu verstehen.

Grund für seinen Besuch war ein gemeinsamer Bürgerdialog mit der Bundestagsabgeordneten Wiebke Papenbrock (SPD), der auf dem Schulplatz der brandenburgischen Stadt stattfand. Sowohl die AfD als auch Die Linke hatten zuvor zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Dem Aufruf waren schätzungsweise mehrere Hundert Menschen gefolgt. Genaue Angaben zur Teilnehmerzahl gab es von der Polizei zunächst jedoch keine.

Scholz trat dennoch auf, obwohl er über eine Lautsprecheranlage gegen die Sprechchöre ankämpfen musste. Unter anderem bekräftigte der SPD-Politiker die Ankündigung, in den nächsten Tagen ein weiteres Paket zur Entlastung der Bürger gegen Inflation und hohe Energiekosten vorzustellen. Zwar würden die bisherigen Beschlüsse der Ampel-Koalition den Bürgern Entlastungen von rund 30 Milliarden Euro bringen, davon sei jedoch noch nicht alles bei den Steuerzahlern angekommen, versuchte Scholz zu beschwichtigen:

"Da muss noch mehr passieren."

Was genau, werde die Regierung in den nächsten Tagen entscheiden. Außerdem verteidigte der Bundeskanzler die zur Unterstützung der Gasversorger beschlossene Gasumlage.

Mit seinen Versprechen konnte er die aufgebrachte Menge vor Ort allerdings nicht beruhigen. Scholz ging deshalb auch auf mehrere Zwischenrufe der Protestierenden ein. Den Menschen im Land bereite es Sorge, dass die Bundeswehr ein "territoriales Führungskommando" erhalten hat, das ab Oktober für die "neuen Herausforderungen" im Bereich der inneren Sicherheit, darunter auch "Assistenzeinsätze" bei Demonstrationen, zuständig sein soll, hieß es aus der Menge an Scholz gewandt.

Es bestehe die Sorge, dass es zu einer gewaltsamen Zerschlagung von berechtigten Demonstrationen durch die Bundeswehr im Aufrag der Regierung kommt, so die Protestierenden weiter, woraufhin Scholz entgegnete: 

"Niemand in diesem Land hat vor, dass auf Demonstranten geschossen wird."

Wer solche Schauermärchen verbreite, so Scholz, "ist ein schlimmer Propagandist, wenn ich dass einmal ganz deutlich sage".

Soll die Bundeswehr künftig Proteste in Deutschland zerschlagen?  

In den vergangenen Wochen war vonseiten der Politik vermehrt über mögliche Massenproteste im Herbst gegen die Regierungspolitik spekuliert worden. Angeheizt worden waren die Spekulationen durch eine Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, welche die Grünen-Politikerin mit Blick auf den derzeitigen Gasmangel infolge westlicher Sanktionen gegen Russland gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) tätigte:

 "Die Kanadier haben gesagt: 'Wir haben viele Fragen.' Da haben wir gesagt: Das können wir verstehen. Aber wenn wir die Gasturbine nicht bekommen, dann bekommen wir kein Gas mehr, und dann können wir überhaupt keine Unterstützung für die Ukraine mehr leisten, weil wir dann mit Volksaufständen beschäftigt sind."

Auf die Nachfrage, ob sie wirklich mit Volksaufständen rechne, erwiderte die Außenministerin zwar, dass das "vielleicht etwas überspitzt" ausgedrückt gewesen sei. Sie betonte aber auch, dass ein solches Szenario tatsächlich drohe, "wenn wir kein Gas mehr hätten".

"Das ist ja genau mein Punkt, dass wir Gas aus Russland weiter brauchen."

Die hohen Gaspreise seien für viele Menschen in Deutschland eine große Belastung, so Baerbock weiter. Tatsächlich könnte die Außenministerin nicht falsch liegen, denn laut einer Insa-Umfrage hätten 44 Prozent der Deutschen erkennen lassen, dass sie an Demonstrationen gegen hohe Energiepreise teilnehmen würden. Deshalb müssten die Energiepreise in Deutschland auch sinken, erklärte Baerbock.

"Das ist unsere wichtige Aufgabe für den Winter, wir müssen dafür sorgen, dass dieser Krieg nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führt."

Lambrecht senkte Berechtigungsschwelle 

Es war Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht, die mit der Gründung eines "territorialen Führungskommandos" den Grundstein dafür legte, die Bundeswehr künftig auch gegen die protestierende Bevölkerung in Deutschland einsetzen zu können. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist aber mit hohen gesetzlichen Hürden verbunden. Innerhalb Deutschlands darf die Bundeswehr so nur in bestimmten Ausnahmefällen aktiv werden.

Einer davon ist der innere Notstand. Hier darf die Bundeswehr laut Grundgesetz (Art. 87a Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 91 Abs. 2 GG) zum Schutz von zivilen Objekten und bei der "Bekämpfung nicht staatlicher Gegner" eingesetzt werden, "wenn diese organisiert und militärisch bewaffnet sind". Dies gilt gemäß einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages derzeit allerdings nur, wenn die "freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes gefährdet ist" und die Kräfte von Polizei und Bundespolizei nicht ausreichen, was im Fall einer Massenprotestbewegung vermutlich zutreffen würde.

Allerdings liegt ein solcher Fall dann auch "oberhalb der Einsatzschwelle". Das bedeutet, dass bei einem solchen Szenario auch militärische Mittel eingesetzt werden. In einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 2010 heißt es dazu:

"Es ist sicherzustellen, dass die Streitkräfte niemals als innenpolitisches Machtinstrument eingesetzt werden – abgesehen von dem extremen Ausnahmefall des Staatsnotstandes, in dem nur zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer als letztes Mittel auch Kampfeinsätze der Streitkräfte im Inland zulässig sind (Art. 87a Abs. 4 GG)."

Unklar bleibt jedoch, wer oder was aus welchem Grund als Gefahr für die "freiheitlich-demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes" eingestuft werden kann und ab wann die als "nicht staatliche Gegner" definierten Personen, die auf Amtsdeutsch auch "Gefährder" genannt werden, als "organisiert" oder "bewaffnet" gelten. Dies ist Auslegungssache des Justizapparats.

Zivile Reserve wird in Stellung gebracht 

Kürzlich wurde bekannt, dass die Bundeswehr die bisherigen 16 Reservistenverbände in Deutschland derzeit zu insgesamt fünf Heimatschutzkompanien unter der Führung des für Inlandseinsätze zuständigen territorialen Führungskommandos der Bundeswehr zusammenlegt. Durch die neue Regimentsstruktur erhofft sich das Bundesverteidigungsministerium, Heimatschutzkräfte im Ernstfall schneller mobilisieren zu können – eben auch bei womöglich eskalierenden Demonstrationen, wie sie in Deutschland wegen der verfehlten Corona- sowie Energiepolitik erwartet werden.

In solchen Fällen sollen die Reservesoldaten die "aktive Truppe" in erster Linie zwar nur "entlasten", etwa indem sie in Notstandslagen auch mal Aufgaben zum Schutz bestimmter Einrichtungen sowie kritischer Infrastruktur wahrnehmen. Das sollen sie laut Angaben der Bundeswehr im Ernstfall allerdings schwer bewaffnet tun. Laut Bundesaußenministerin Annalena Baerbock müsse es der Bundesregierung angesichts der sozialen Verwerfungen in Deutschland gelingen, "die sozialen Kompetenzen abzufedern".

Ob die Bundesregierung dies mithilfe der Bundeswehr und ihrer Reservisten versucht, ließ die Grünen-Politikerin allerdings offen. Ähnliche Äußerungen tätigte in diesem Zusammenhang auch Deutschlands ranghöchster Soldat, General Eberhard Zorn. "Ich kann Ihnen aktuell keine Beruhigung der Lage versprechen; eher im Gegenteil, alles nimmt zu, die Krisen werden mehr", mahnte Zorn vor einigen Wochen auf einer Veranstaltung des Verbandes der Reservisten im saarländischen Eppelborn:

"Es müssen viel mehr Truppenteile in der Lage sein, innerhalb kürzester Zeit mit Gerät und Personal präsent zu sein."

Weshalb die Truppenteile dazu in der Lage sein "müssen", erläuterte der General nicht.

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