Deutschland

Truppenübungsplatz der Bundeswehr in Hör- und Sichtweite? – Klinik in Tannheim wehrt sich

Der Bundeswehr-Übungsplatz in Donaueschingen soll ausgebaut werden – bis dicht an die Nachsorgeklinik Tannheim für krebs-, herz- und mukoviszidosekranke Kinder. Die Klinikverwaltung wehrt sich gegen die Störung dieser "Oase der Ruhe" und startete eine bundesweite Petition.
Truppenübungsplatz der Bundeswehr in Hör- und Sichtweite? – Klinik in Tannheim wehrt sichQuelle: www.globallookpress.com © Max Kovalenko via www.imago-images.de

Die Bundeswehr plant einen Ausbau ihres Truppenübungsplatzes bei Donaueschingen (Baden-Württemberg). Dort sollen auf einer über 500 Hektar großen Fläche Soldaten des 292. Jägerbataillons den Umgang mit Waffen üben – unter anderem mit Übungshandgranaten und -panzerfäusten. Während die erste Ankündigung von der Verwaltung Donaueschingens im Sommer 2020 freudig empfangen wurde, reagierten Bürger und Organisationen in den betroffenen Ortschaften Brigachtal, Villingen-Schwenningen und Tannheim mit großer Skepsis.

Besonders betroffen ist die in Tannheim gelegene, bundesweit bekannte Nachsorgeklinik für krebs-, herz- und mukoviszidosekranke Kinder. Der Truppenübungsplatz soll in Hör- und Sichtweite von Teilen der Klinik errichtet werden. Die Geschäftsführer der Nachsorgeklinik, Roland Wehrle und Thomas Müller, reichten Protest bei der Bundeswehr ein und wandten sich direkt an Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit der Frage, welchen Stellenwert für sie das Wohl von kranken Kindern habe.

Schließlich organisierten Wehrle und Müller einen Petitionsaufruf, um eine Expansion des Truppenübungsplatzes bis vor die Klinik, die 1991 bewusst in dem abgelegenen Tannheim als "Oase der Ruhe und Rehabilitation" gegründet wurde, zu verhindern. Bis heute haben über 45.600 Menschen die Online-Petition unterzeichnet. Für eine Vorlage vor den Petitionsausschuss fehlen noch etwa 5.000 weitere Unterschriften.

RT DE fragte bei der Geschäftsführung der Nachsorgeklinik Tannheim und beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr nach, um ein genaueres Bild von der Lage zu erhalten.

Aus Sicht des Geschäftsführers der Nachsorgeklinik, Roland Wehrle, lässt sich der Truppenübungsplatz der Bundeswehr nicht mit den Bedürfnissen der Nachsorgeklinik vereinbaren:

"Der von der Bundeswehr geplante Standortübungsplatz in unmittelbarer Nähe unserer Klinik gefährdet unsere Existenzgrundlage. Die Arbeit mit krebs-, herz-und mukoviszidosekranken Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie Familien, die ihr Kind verloren haben, benötigt neben dem sehr ausgefeilten medizinisch-therapeutischen ganzheitlichen Behandlungskonzept Rahmenbedingungen, die eine Atmosphäre der Geborgenheit, der Ruhe und der Sicherheit ausstrahlen. […] So brauchen beispielsweise Familien, die um ihr Kind trauern, einen Ort, an dem sie abseits des Alltags ungestört trauern können."

Für Wehrle ist es fraglich, warum die Bundeswehr dieses Areal in Anspruch nehmen müsse, wo doch "vor fünf Jahren in unmittelbarer Nähe, in Immendingen, der Standort geschlossen wurde". Außerdem seien in der Region ausreichend Truppenübungsplätze vorhanden, "die genügend Kapazität haben, um die Bundeswehr entsprechend auszubilden" – so zum Beispiel "in Stetten am kalten Markt sowie in Meßstetten".

Eine Sprecherin des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr erklärte gegenüber RT DE, es stimme, dass der ehemals genutzte Übungsplatz Immendingen "im Zuge der Auflösung des Standortes Immendingen im Jahr 2014 an die Firma Daimler übergeben" wurde. Allerdings gebe es keine geeigneten Alternativen zu dem Truppenübungsplatz bei Tannheim.

"Die Wiederbefähigung zur Landes-und Bündnisverteidigung ist der wesentliche Pfeiler in der Zukunftsausrichtung der Bundeswehr. Hierbei ist es auch unerlässlich, in der Vergangenheit getroffene Standortentscheidungen und Standortschließungen ggf. neu zu betrachten."

Aus diesem Grund müssten auch am Standort Donaueschingen "geeignete Flächen für die Sicherstellung eines zeitgemäßen, sich an den Einsatzanforderungen orientierenden Übungsbetriebes" gefunden werden. Dies sei erforderlich, "denn Übung und Ausbildung sind die beste Lebensversicherung, die wir unseren Soldatinnen und Soldaten für den Einsatz mitgeben können". Der von Wehrle angesprochene Truppenübungsplatz Heuberg am Standort Stetten liege etwa 78 Kilometer entfernt und "ist für die tägliche standortnahe Ausbildung nicht geeignet".

Man habe Alternativen geprüft, allerdings habe ein Erkundungsbericht der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ergeben, dass "am Standort Donaueschingen im Umkreis von 30 Kilometern ab dem Kasernenverbund 'Fürstenberg-/Foch-Kaserne' keine geeigneten und zusammenhängenden Flächen im Eigentum des Bundes" vorhanden seien.

150 Tages- und 50 Nachtübungen pro Jahr sind geplant

Roland Wehrle und Thomas Müller und die Verantwortlichen der Nachsorgeklinik waren insbesondere "erschreckt" von der hohen Anzahl an geplanten Übungen. Jährlich seien 150 Tages- und 50 Nachtübungen vorgesehen. Rein rechnerisch bedeute das, dass jeden zweiten Tag mit einer Lärmbelastung zu rechnen sei.

Wehrle erklärte RT DE, dass man daher seit Juli 2020 "gemeinsam mit den umliegenden Ortschaften sowie der Stadt Villingen-Schwenningen alles unternommen hat, um diesen Standort zu verhindern". Auch viele der Patienten hätten "ihre örtlichen Bundestagsabgeordneten angeschrieben". Sogar zu Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer habe man Kontakt aufgenommen. Man werde das Thema in die Wahlkämpfe zur Bundestagswahl und zur Landtagswahl in Baden-Württemberg tragen.

Wehrle betonte, die Protestaktion richte sich keineswegs "gegen die Bundeswehr selbst, die für Frieden und Freiheit in unserem Lande steht, sondern nur gegen die unsinnige Planung, einen Standort dort zu etablieren, wo schwer chronisch kranke Kinder um ihr Leben oder um eine bessere Lebensqualität kämpfen".

Eine Sprecherin des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr erklärte hingegen RT DE, dass man "die Sorgen und Bedenken" der Nachsorgeklinik Tannheim "sehr ernst" nehme. Daher habe man eine Machbarkeitsstudie "für die am Standort Donaueschingen in Betracht kommenden Erweiterungsflächen" in Auftrag gegeben. Diese umfasse "alle gesetzlich vorgesehenen Gutachten", wie etwa "Umweltverträglichkeitsprüfung, spezielle artenschutzrechtliche Prüfung, schalltechnische Gutachten", sowie Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. In der Machbarkeitsstudie sollen die "Belange der Nachsorgeklinik Tannheim, der benachbarten Anliegerinnen und Anlieger sowie des Natur-und Umweltschutzes" berücksichtigt werden. Die Ergebnisse werden aber "nicht vor Mitte 2022 erwartet".

"Erst danach würde auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung aller eingebrachten Belange abschließend entschieden werden können, ob die derzeitigen Planungsabsichten der Bundeswehr zur geplanten Flächenerweiterung des Standortübungsplatzes Donaueschingen auf den zuvor genannten Flächen umgesetzt werden können."

Die Sprecherin betonte, dass es der Bundeswehr wichtig sei, "diesen Prozess nicht amtsanonym durchzuführen". Alle Interessierten und "vor allem die Betroffenen vor Ort" sollen "so umfassend wie möglich" eingebunden werden. Vertreter der Bundeswehr stünden für den Dialog mit der Kommunalpolitik bereit. Außerdem werde der Generalinspekteur der Bundeswehr, "sobald es die Pandemielage zulässt, zu diesem Thema vor Ort sein".

Der Geschäftsführer der Nachsorgeklinik, Wehrle, rechnet dennoch damit, dass es möglich sei, "diesen Standort zu verhindern, da die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht vom Standort Donaueschingen abhängt". Genau deswegen habe man die bundesweite Petition gestartet. Wenn die nötigen Unterschriften beisammen seien, dann werde die Petition dem zuständigen Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt.

"Wir hoffen sehr, dass der Petitionsausschuss so viel Sensibilität diesem Anliegen entgegenbringt und erkennt, dass Kinder mit komplexen Herzfehlern, Herz- und Lungentransplantierte oder an Krebs erkrankte Kinder Rahmenbedingungen vorfinden müssen, die sie benötigen, um die Krankheit zu bewältigen und eine bessere Lebensqualität zu erreichen oder gegebenenfalls begleitet werden können, wenn es keinen Ausweg mehr gibt. Gleiches gilt für Familien, die um ihr Kind trauern und einen Weg zurück ins Leben suchen."

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