Europa

Nach Wahlen in der Türkei: Deutliche Mehrheiten für Erdogan in Europa - CHP in USA vorn

In Berlin und mehreren weiteren Städten feierten Anhänger von Recep Tayyip Erdogan dessen Wahlsieg. Nach 16 Jahren an der Macht setzte er seine Siegesserie fort. In Deutschland durften 1,44 Millionen Menschen bei den türkischen Wahlen mitentscheiden.
Nach Wahlen in der Türkei: Deutliche Mehrheiten für Erdogan in Europa - CHP in USA vornQuelle: Reuters © Umit Bektas

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat die von Manipulationsvorwürfen der Opposition überschattete Präsidentenwahl in der Türkei nach Angaben der Wahlkommission in der ersten Runde gewonnen. Er wird damit künftig Staats- und Regierungschef und mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Obwohl die seit 2002 allein regierende AKP deutliche Verluste zu verzeichnen hatte, konnte das von ihr angeführte Parteienbündnis der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge auch bei der Parlamentswahl am Sonntag die absolute Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung erringen.

Erdogan sagte bei seiner Siegesrede am frühen Montagmorgen in Ankara, es habe sich um Wahlen gehandelt, "die das künftige halbe Jahrhundert, die das Jahrhundert unseres Landes prägen werden". Der bisherige und künftige Präsident sagte auf dem Balkon des AKP-Hauptquartiers vor jubelnden Anhängern:

Meine Brüder, die Sieger dieser Wahl sind die Demokratie, der Wille des Volkes und das Volk höchstpersönlich. Der Sieger dieser Wahl ist jeder einzelne unserer 81 Millionen Bürger.

In Österreich wählten 70 Prozent der wahlberechtigten Türken Erdogan

Hierzulande erhielt Erdogan sogar noch deutlich mehr Stimmen als in der Türkei. Die Türkische Gemeinde in Deutschland hofft, dass die Spannungen zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern nach den Wahlen in der Türkei nun abnehmen werden. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, erklärte gegenüber der dpa am Montag: 

Seit Jahren dreht sich alles um Politik, die Menschen in der Türkei brauchen Ruhe und ein Ende des Ausnahmezustandes.

Auch viele der in Deutschland lebenden Menschen türkischer Herkunft hätten den Wunsch, nun "zum Alltag zurückzukehren".

Das Lager der "nationalistischen und religiösen Kräfte", zu dem auch die oppositionelle Iyi-Partei zähle, sei aus diesen Wahlen insgesamt gestärkt hervorgegangen. Dass Präsident Recep Tayyip Erdogan bei den Türken in Deutschland deutlich besser abgeschnitten habe als in der Türkei, sei eine Folge der Art von Arbeitsmigration, wie sie die Bundesrepublik einst betrieben habe. Diese Arbeitsmigranten stammten vorwiegend aus einem konservativen Milieu. Menschenrechtsfragen interessierten sie weniger, "für sie ist Erdogan derjenige, der Krankenhäuser, Autobahnen und Einkaufszentren gebaut hat", sagte Sofuoglu. 

In Österreich lag die Zustimmung für Erdogan nach Auszählung von mehr als zwei Dritteln der Stimmen sogar bei über 70 Prozent. Hier könne die jüngste Schließung von Moscheen durch die Regierung eine Rolle gespielt haben, vermutete Sofuoglu. Es sei möglich, dass hier der Faktor "Protest" zum Tragen gekommen sei. Unter den türkischen Studierenden und Akademikern in den USA und in Kanada finden sich hingegen deutlich mehr Anhänger der oppositionellen CHP. In einigen Staaten der USA hatten unter anderem Anhänger der bei Erdogan in Ungnade gefallenen Gülen-Bewegung Exil-Strukturen aufgebaut und sich beispielsweise stark im Bildungswesen engagiert.

"Times": Erdogan hat viele vor den Kopf gestoßen 

Als Erdogan die Wahl um 17 Monate vorverlegte, baute er auf die Schwäche seiner Gegner. Er mag geglaubt haben, dass die weltlichen Türken, in die Apathie getrieben, ihr Wahlrecht für einen Strandurlaub aufgeben. Aber die Wahlbeteiligung war hoch und sie sorgte für ein knapperes Ergebnis als viele erwartet hatten. Die Zahlen deuten darauf hin, dass Erdogan viele Türken vor den Kopf gestoßen hat. Einstige Insider berichten, dass das in starkem Maße an seinen Beratern liegt, die von einem vielseitigen, gebildeten und moderat unabhängigen Kreis zu einer Clique von Ja-Sagern geschrumpft ist. [...] Es ist fast niemand mehr übrig, der dem Mächtigen noch die Wahrheit sagt. 

"Tages-Anzeiger": Wahlsieg war teuer erkauft

Recep Tayyip Erdogan konnte nach 16 Jahren an der Macht seine Siegesserie fortsetzen, die Opposition muss sich wieder einmal mit dem Gefühl begnügen, dabei gewesen zu sein. Diesmal mit einem Wahlkampf, der so kraftvoll und kreativ war, wie man das in der Türkei schon lange nicht mehr gesehen hat. Aber gereicht hat das nicht für einen Machtwechsel. [...]

Die Verunsicherung wird anhalten, Kapital und Köpfe werden weiterhin fliehen, daran wird das Wahlergebnis nichts ändern. Der Verfall der türkischen Lira ist nicht nur hausgemacht, aber die politischen Zustände spielen eine große Rolle beim Vertrauen in eine Währung. Viele Unternehmen hat dies schon an den Rand der Zahlungsfähigkeit gebracht. Auch der Staat hat über seine Verhältnisse gelebt, er hat das Geld mit vollen Händen ausgeteilt, um die Wähler zufrieden zu stimmen. Dieser Wahlsieg war teuer erkauft. Die Großzügigkeit lässt sich nicht fortsetzen, sie führt die Türkei in eine Schuldenkrise.

Euro stabil - türkische Lira legt zu

Der Euro hat sich am Montag weitgehend stabil präsentiert. Am Morgen kostete die Gemeinschaftswährung 1,1650 US-Dollar und damit in etwa so viel wie am Freitag. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Freitagnachmittag auf 1,1648 Dollar festgesetzt.

Auftrieb erhielt die türkische Lira. Gegenüber US-Dollar und Euro legte die Landeswährung der Türkei um jeweils knapp ein Prozent zu. Am Markt wurde als Grund der eindeutige Ausgang der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom Wochenende genannt.

(rt deutsch/dpa)

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