Lateinamerika

Prozesslawine gegen argentinischen Präsidenten Macri wegen Wirtschaftskriminalität

Ein Teil der Staatsschulden Argentiniens wurde durch Betrugsmanöver der Familie Macri verursacht. Über zweihundert Ermittlungsverfahren laufen gegen den Präsidenten. Die Presse vertuscht seit Jahrzehnten die Wirtschaftskriminalität der Macris.
Prozesslawine gegen argentinischen Präsidenten Macri wegen WirtschaftskriminalitätQuelle: AFP © Juan MABROMATA

von Maria Müller

Mauricio Macri ist bisher der einzige Präsident Argentiniens, der trotz seiner gerichtlichen Verurteilung (wegen Wirtschaftsdelikten) an die Macht kam. Die Verfassung verbietet eigentlich die Kandidatur von Vorbestraften. In Brasilien kostete ein zweifelhaftes Urteil Lula da Silva die Kandidatur und nahezu sichere Wahl zum Präsidenten. Zweierlei Maß … 

Bereits vor der Wahl Macris zum Präsidenten Argentiniens hatten sich laut dem Portal Política Argentina 214 Strafanzeigen gegen ihn angesammelt. Sie betreffen Vorkommnisse während seiner Amtszeit als Regierungschef von Buenos Aires. Die meisten werden bis heute verschleppt.

Betrug, Machtmissbrauch, kriminelle Vereinigung

Unter den Anklagen befinden sich solche wegen "Betrugs und krimineller Vereinigung", "Machtmissbrauchs und Verletzung der Beamtenpflicht", "illegaler Bereicherung", "Fälschung öffentlicher Dokumente", "Bedrohen von Personen", "Falschaussagen vor dem Amt für Korruptionsbekämpfung" hinsichtlich seines Vermögens, "illegale Abhörmaßnahmen gegen Bürger" u.a.

Einzig Macris betrügerisches Dreiecksgeschäft zwischen seinen Import-Export- und Automontagefirmen in Argentinien und Uruguay wurde noch 1993 mit einem Urteilsspruch wegen Schmuggels von 1.936 Autos und Autoteilen bestraft. 

Macri und sein Minister in den Panama Papers

Zwischen 2015 und 2017 kam es zu neuen Untersuchungsverfahren gegen den Präsidenten. Im Zusammenhang mit der Affäre um die Panama Papers tauchte Macri als Teilhaber zweier Offshore-Firmen auf den Cayman Islands auf. Doch nach wenigen Monaten wurde das Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche eingestellt. Die argentinische Presse verbreitete 2016 kühn, es sei kein Delikt, an einer Offshore-Firma beteiligt zu sein. Die anschließende Untersuchung wegen Steuerhinterziehung ist noch nicht abgeschlossen.

Macris Energieminister Juan José Aranguren ist nicht nur Teilhaber einer Offshore-Firma. Ermachte damit auch Millionengeschäfte mit dem argentinischen Staat. Im Jahr 2017 organisierte dieses Offshore-Unternehmen 13 Lieferverträge mit dem Energieunternehmen Shell für Argentinien, wobei Aranguren Shell-Aktionär war. Ohne Zweifel ein betrügerisches und gesetzlich verbotenes Vorgehen. Trotz mehrerer Strafanzeigen gegen den Minister wurde er erst im Juni 2018 bei einer Kabinettsumbildung ersetzt.

Im Rahmen der Panama-Untersuchungen kam heraus, dass sämtliche Kabinettsmitglieder der Regierung Macri Gelder in Offshore-Banken außerhalb Argentiniens deponiert haben. 

Geldwäsche in der Familie Macri

Der Bruder des Präsidenten, Gianfranco Macri, und Ángelo Calcaterra, sein Cousin, konnten 2018 622 Millionen bzw. 44 Millionen Peso legal registrieren, nachdem sie diese Summen zuvor vor dem Fiskus versteckt hatten. Nicolás Caputo, ein enger Freund des Präsidenten, legalisierte 26,5 Millonen, Marcelo Mindlin 771 Millionen. Letzterer ist ein enger Geschäftspartner des Präsidentencousins.

Sie alle beriefen sich auf ein neues Gesetz der Macri-Regierung, dem zufolge Bürger ihre (zwecks Steuerhinterziehung) verheimlichten Gelder straflos legalisieren können. Doch das Gesetz schließt ausdrücklich Beamte und deren Familienangehörige aus. Insofern handelt es sich um ein Steuerdelikt in der Präsidentenfamilie. Eine entsprechende Untersuchung durch den Staatsanwalt Guillermo Marijuan kommt nur langsam voran. Über die Herkunft der Millionensummen findet man keine Erklärung. Die Abgeordnete Gabriela Cerruti erstattete außerdem Strafanzeige gegen Macri wegen falscher Vermögensangaben.

Macris Rückzahlung von Staatsschulden an die "Geier-Fonds" in Höhe von 12,5 Milliarden Dollar wird ebenfalls gerichtlich untersucht. Bei dem Vorgang verletzte er zahlreiche Regeln einer öffentlichen Finanztransaktion. Der Staatsanwalt  Federico Delgado bezeichnete das Ganze als "gigantischen Betrug des Staates".

Die Privatisierung der Rentenkasse

Ein weiteres Justizverfahren istim Fall des Geheimabkommens zwischen Argentinien und dem Scheichtum Katar vor dem Richter Rafecas anhängig. Diesmal werden der Präsident, sein Vize, die Außenministerin, die Botschafterin in Katar und hohe Regierungsbeamte untersucht. Mit dem Abkommen wird die argentinische Rentenkasse "nach dem Prinzip einer Offshore-Struktur" von der Qatar Investment Authority (QIA) (!) nun ohne jede staatliche Kontrolle Argentiniens verwaltet. Sie wurde in einen Investitionsfond in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar umgewandelt. Die Anklage umfasst "mehrere Formen des Betrugs, betrügerische öffentliche Verwaltung und Vereinbarungen, die mit öffentlichen Ämtern unvereinbar sind".

Die Anleihen beim Internationalen Währungsfond

Im Fall der Anleihen von 57 Milliarden Dollar beim Internationalen Währungsfond eröffnete der Staatsanwalt Jorge Di Lello ein Verfahren gegen den Präsidenten und einen Großteil seines Kabinetts, da die Verträge hinter dem Rücken des Parlaments ausgehandelt und unterzeichnet wurden. Heute, aufgrund des Wirtschaftschaos nach den Vorwahlen, kann der Staat die Vereinbarungen mit dem IWF nicht mehr einhalten.

Ein Wirtschaftsimperium mit Staatsgeldern

Wie kommt so etwas zustande? Ein Rückblick auf die Karriere des Macri-Clans während der Militärdiktatur zeigt, dass sich der Konzernbesitz am Ende des Terrorregimes 1983 von sieben auf 47 Firmen vergrößert hatte. Außerdem beauftragten die Generäle die Macri-Firma SIDECO mit einer Reihe von Mega-Infrastrukturprojekten (mit Überpreisen) wie dem Bau der Brücke Posadas-Encarnación, dem Atomkraftwerk Atocha II und dem riesigen Wasserkraftwerk Salto Grande. Macri erhielt von seinen uniformierten Geschäfts- und Korruptionspartnern auch großzügige Kredite von fast drei Milliarden Dollar. 

Immer neue Solvenzprobleme gefährdeten in diesen Jahren die Existenz der Macri-Unternehmen und damit die Fertigstellung der Großprojekte. Schließlich bezahlte die Militärdiktatur die Schulden der Gruppe Macri und weiterer Unternehmer in Höhe von 700 Millionen Dollar. Solche "Rettungs"maßnahmen für das große Kapital trugen mit zur Auslandsverschuldung Argentiniens bei, die unter den Militärs auf 40 Milliarden Dollar anwuchs.

Die Regierungen von Raul Alfonsín und Carlos Menem (1983–1999) setzten die in der Diktatur begonnenen Zahlungen für die Förderung der Industrie fort, die Macri Vorteile in Höhe von 55 Millionen Dollar verschafften. Vor allem Präsident Menem, der sich durch eine fast vollständige Privatisierung der staatlichen Unternehmen hervortat, übertrug dem Macri-Konzern neun dieser Betriebe zu Niedrigpreisen. Mit Finanzspekulationen, Kapitalflucht und kostenüberhöhten Verträgen mit eigenen Satellitenfirmen ruinierten die neuen Besitzer die Kassen der Staatsbetriebe, die dann von den Regierungen wieder aufgefüllt wurden. Der neue Schuldenberg betrug damals 180 Millionen US-Dollar. Argentiniens Auslandsschuld wuchs kontinuierlich.

Menems Geschenk an den Macri-Clan: die staatliche Post

Ein Skandal ist Menems Geschenk an Mauricio Macri: Die staatliche Post Argentiniens ging in seinen Privatbesitz über. Der Schuldenkünstler schaffte es, binnen weniger Jahre bei mehreren internationalen Großbanken 276 Millionen US-Dollar Kredite für das Privatunternehmen Post loszueisen, die er nie bezahlte. Die Post musste unter seiner Führung Konkurs anmelden, 10.000 Angestellte verloren ihre Arbeit. Der von Macri laut Vertrag von 2000 bis einschließlich 2003 an den Staat zu zahlende vierteljährliche Gebühr von 51 Millionen Dollar tauchte nie auf. Er ist Teil der Schuldenlawine, die sich Präsident Macri nun während seiner Amtszeit selbst vergeben und erlassen wollte.

Macri erlässt sich selbst seine Staatsschulden

Einer der letzten Höhepunkte in Sachen Wirtschaftskriminalität im Verbund mit politischer Macht war der Versuch des Präsidenten, sich seiner rund 70 Milliarden Peso Staatsschulden zu entledigen. Als Ergebnis dieses Manövers, das er als freiwillige Rückzahlung auf Verhandlungsbasis bezeichnete, hätte Macri im Namen der Regierung auf über 90 Prozent seiner Schulden einfach verzichtet und sich damit selbst "entschuldet".

Es gibt unterschiedliche Sichtweisen auf den kalkulierten Dollarwert dieses Betrags unter Berücksichtigung der Währungsschwankungen zwischen 2001 und 1016. Nach Berechnungen der Generalstaatsanwältin für Wirtschaftskriminalität Gabriele Boquin beläuft sich der Schuldenberg auf rund fünf Milliarden Dollar. Macri wollte nur 600 Millionen Dollar in Raten bis 2033 zurückzahlen.  

Das Manöver endete mit einer gerichtlichen Untersuchung wegen "Verwaltungsbetrugs, korrupter Einflussnahme und amtsfremder Geschäfte". Staatsanwältin Boquin bezeichnete das Manöver im Dezember 2016 als "Missbrauch, als Steuerschaden für die Nation". Diese irreguläre Übereinkunft mit einer Behörde schädige den Besitz des Nationalstaats erheblich. Allerdings gab es in diesem Fall eine so heftige öffentliche Reaktion, dass Macri schließlich darauf verzichtete und sich öffentlich dafür entschuldigte.

Doch inzwischen verlegte sich der Präsident auf einen Gegenangriff, um auf diese Weise seine Schulden auszugleichen. Anfang 2019 eröffnete er ein Verfahren gegen den Staat, mit dem er 2,3 Milliarden Peso einfordert. Die Summe soll eine Entschädigung für die unter Präsident Néstor Kirchner erneut verstaatliche Post sein. Angesichts der nie bezahlten Gebühren, neuer Verschuldungen und der drohenden Entlassung von 3.000 Arbeitnehmern gelang es mit dieser Entscheidung, das Ruder umzudrehen. Seitdem wirft die Post wieder Gewinne ab. 

Unter Mauricio Macri legte die Staatsverschuldung Argentiniens um gut 30 Prozent zu und erreicht heute die astronomische Summe von 325 Milliarden US-Dollar. Das sind fast 100 Prozent des BIP.

 

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.