Bundesregierung vor Gericht - Jemeniten verklagen Deutschland wegen Beteiligung an Obamas Drohnenkrieg

Am Kölner Verwaltungsgericht begann heute die Verhandlung der Klage des jemenitischen Umwelt-Ingenieurs Faisal bin Ali Jaber und zwei Mitklägern. Angeklagt ist die Bundesregierung, vertreten durch Ursula von der Leyens Verteidigungsministerium. Die Vorwürfe von Ali Jaber, der bei einem völkerrechtswidrigen US-Drohnenangriff im Herbst 2012 zwei Angehörige verlor, wiegen schwer: Die Bundesregierung ist aufgrund der Nutzung des Militärstützpunktes Ramstein durch die US-Drohnenkrieger mitverantwortlich für Ermordung von Zivilisten. Die Kläger und Friedensaktivisten fordern die sofortige Stilllegung der US-Militärbasis und Satelliten-Relais-Station Ramstein.
Bundesregierung vor Gericht - Jemeniten verklagen Deutschland wegen Beteiligung an Obamas DrohnenkriegQuelle: RT

von RT Deutsch-Redakteur Florian Hauschild

Am 29. August 2012 wollte Faisal bin Ali Jaber eine Hochzeit feiern. In das ostjemenitische Dorf Khashamir sind an diesem Tag alle aus der großen Familie gekommen. Es wird getanzt, gefeiert, gelacht. Plötzlich schlagen fünf "Hellfire" ("Höllenfeuer")-Raketen in Khashamir ein, abgeschossen von US-amerikanischen Drohnen, die ihr blutiges Werk jenseits aller völkerrechtlichen Regeln verrichten. Die Hinrichtung aus der Luft ohne Richterspruch galt drei mutmaßlichen Mitgliedern von Al-Kaida. Mit ihnen starben jedoch auch zwei Angehörige von Faisal bin Ali Jaber. Zuvor hatte eines der Opfer, der Imam Salim bin Ali Jaber und Ali Jabers Schwager in einer Predigt die Gemeinde dazu aufzurufen, Widerstand gegen Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) zu leisten. Grund genug für mutmaßliche Al-Kaida-Verbindungsmänner den Imam und Extremismuskritiker zum Gespräch vorzuladen. Begleitet zu dem Treffen wurde Salim bin Ali Jaber von seinem Cousin Walid Abdullah bin Ali Jaber, einem Polizisten. Das Todesurteil für die beiden Männer.

Wie die Ali Jabers fielen weltweit schon über 10.000 Menschen dem US-geführten Drohnenkrieg zum Opfer. Da sich die Hinrichtungen aus der Luft jeder gerichtlichen Kontrolle entziehen, kann niemand genau sagen, wie viele Zivilisten unter den Ermordeten sind. Auch die Einordnung von Zielpersonen als "feindliche Kämpfer" oder "Terroristen" liegt völlig im Dunkeln. Aus gutem Grund haben moderne Demokratien eigentlich einen Rechtsstaat entwickelt, der Exekutive und Militär enge Grenzen auferlegt - wenn er denn noch funktionsfähig ist.

Über eben diese Funktionsfähigkeit von Rechtsstaat und Demokratie wachsen die Zweifel. Doch nicht nur gilt dies für die USA, von wo aus der völkerrechtswidrige Drohnenkrieg kommandiert wird. Mit im Boot sitzt auch die deutsche Bundesregierung. Denn der Militärstützpunkt Ramstein, nahe des rheinland-pfälzischen Kaiserslautern, dient Obamas Drohnenkrieger als wichtige Satelliten-Relais-Station für Funksignale ohne die die Drohnenpiloten aus Übersee keine telekommunikative Verbindung zu ihren surrenden Tötungsgeräten im Luftraum über den arabischen, afrikanischen und asiatischen Zielländern hätten. Satelliten liefern Bilder und Daten nach Ramstein, die etwa 650 US-Soldaten auf dem Stützpunkt verarbeiten diese und geben sie an die Drohnenpiloten in den Vereinigten Staaten weiter. Laut dem ehemaligen US-Drohnenpiloten Brandon Bryant wäre der völkerrechtswidrige Drohnenkrieg ohne die aktive Unterstützung aus Deutschland nicht möglich. Auch die Enthüllungsplattform The Intercept um den Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald widmete sich kürzlich dem Thema, ebenso der Spiegel.

Für Faisal bin Ali Jaber heißt das: Würde die Bundesregierung den US-Militärs auf ihrem Stützpunkt in Ramstein Grenzen auferlegen - etwa auf Grundlage der bundesdeutschen Gesetzgebung oder des Völkerrechtes - könnten sein Neffe und sein Schwager noch leben. Der Jemenit hat deshalb Klage wegen der Beteiligung der Bundesregierung bei Einsätzen von Kampfdrohnen durch das US-amerikanische Militär eingereicht, diese wird seit heute, dem 27. Mai 2015, vor dem Kölner Verwaltungsgericht verhandelt.

Unterstützt werden Ali Jaber und seine Mitkläger von der britischen NGO Reprieve und von dem European Center for Constitutional und Human Rights (ECCHR). Auch zahlreiche Friedensaktivisten aus Deutschland unterstützen den Prozess. Zeitgleich mit dem Beginn der ersten Anhörungen in Köln rief das Bündnis "Stoppt den US-Drohnenkrieg via Ramstein" zu einer Mahnwache vor dem Deutschen Bundestag in Berlin auf. Unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens fordern die Aktivisten die sofortige Einstellung des Betriebes der Satelliten-Relais-Station in Ramstein. In einer Ansprache hieß es:

"Beim Militärstützpunkt in Ramstein handelt es sich um bundesdeutsches Hoheitsgebiet. Daran ändert seine Überlassung zur Nutzung durch die Luftwaffe der USA nichts. Kommt es dort zu gesetzeswidrigem Handeln, etwa durch außergerichtliche Tötungen, unverhältnismäßige Waffeneinsätze o. ä., so ist die bundesdeutsche Justiz in der Pflicht zu handeln, wenn solche Rechtsvergehen nicht von der Justiz der USA geahndet werden."
Prof. Dr. Fanny M. Reisin, die Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte e.V. fügte hinzu:
"Dieser Prozess, der vermutlich einige Jahre andauern wird und in dem die Bundesregierung auf der Anklagebank sitzt, ist ein Präzedenzfall mit großer Wirkung auf die gängige Praxis des weltweiten Drohnenkrieges der US-Regierung."

Scharf kritisiert wird von den Berliner Aktivisten auch der Generalbundesanwalt Harald Range. Wie schon im Fall des grundgesetzwidrigen Handelns des BND und anderer Geheimdienste glänzt Range auch beim Thema Drohnenmorde von deutschen Hohheitsgebiet vor allem mit Untätigkeit. Auch sei Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) als Dienstherr des Generalbundesanwaltes gefragt.

Der jemenitische Umwelt-Ingenieur Faisal bin Ali Jaber zeigt sich gerührt von dem Zuspruch aus der deutschen Bevölkerung. In einem Grußwort, das am Mittwoch morgen vor dem Bundestag verlesen wird, teilt dieser mit:

"Liebe Freunde, ich bin sehr dankbar für ihre Unterstützung meiner Versuche Gerechtigkeit zu erfahren. Es ist für meine Familie eine tragische Zeit gewesen - und für Jemen. Drohnen haben unsere Gemeinden terrorisiert und so viele unschuldige Menschen getötet - wie meinen Schwager und meinen Neffen - die Männer des Friedens waren. Ich habe den Fall in der Hoffnung hierher gebracht, dass deutsche Gerichte - und noch wichtiger, das deutsche Volk - unsere Geschichte anhören und sich für notwendige Veränderungen einsetzen, die Männer, Frauen und Kinder des Jemen schützen."
Ob Faisal bin Ali Jabers Hoffnung gehört wird, wird sich zeigen, denn in Köln sitzt nicht nur die Bundesregierung auf der Anklagebank, beantwortet wird hier auch die Frage, ob der deutsche Rechtsstaat diese Bezeichnung noch verdient.

Vom Prozess berichtet RT:

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