Wirtschaft

So schwach wie seit elf Jahren nicht mehr: Deutsche Industrieproduktion bricht ein

Globale Handelskonflikte und eine schwächelnde Weltwirtschaft machen der deutschen Industrie zu schaffen. Einen so starken Dämpfer wie Ende 2019 gab es zuletzt im Zuge der globalen Finanzkrise. Bundesfinanzminister Scholz kündigt steuerliche Entlastungen an.
So schwach wie seit elf Jahren nicht mehr: Deutsche Industrieproduktion bricht einQuelle: Reuters © Wolfgang Rattay

Die deutsche Industrie hat zum Jahresende einen heftigen Produktionseinbruch verzeichnet. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, lag die Gesamtherstellung 3,5 Prozent niedriger als im Vormonat. Das ist der stärkste Rückgang seit Anfang 2009, als die konjunkturellen Folgen der globalen Finanzkrise sichtbar wurden. Gegenüber dem Vorjahresmonat fiel die Herstellung um 6,8 Prozent – so stark wie seit Ende 2009 nicht mehr.

Analysten wurden von den schwachen Zahlen auf dem falschen Fuß erwischt. Sie hatten im Schnitt sogar einen leichten Anstieg erwartet. Der Dezember beende für die deutsche Industrie ein "Jahr zum Vergessen", kommentierte Carsten Brzeski, Chefökonom für Deutschland von der Bank ING. Damit spielt der Ökonom auf die erheblichen wirtschaftlichen Belastungen für die exportorientierte deutsche Industrie an. Zu nennen sind in erster Linie der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie die insgesamt schwächere Weltwirtschaft.

Die Produktionsentwicklung im Dezember war bis auf den Energiesektor durch die Bank weg schwach. Die Industrie verringerte ihre Warenherstellung zum Vormonat um 2,9 Prozent. Am Bau brach die Aktivität um 8,7 Prozent ein. Lediglich der Energiesektor stützte die Gesamtentwicklung mit einem etwas höheren Ausstoß.

Maschinenbau und Autoindustrie schwächeln

Im gesamten vierten Quartal ging die Produktion des verarbeitenden Gewerbes 1,9 Prozent zurück, wie das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin mitteilte. Besonders stark waren die Rückgänge im Maschinenbau und in der Autoindustrie. "Die zuletzt schwache Entwicklung der Produktion und der Auftragseingänge deutet darauf hin, dass die Konjunkturschwäche in der Industrie noch nicht überwunden ist", kommentierte das Ministerium.

Allerdings relativierten das Wirtschaftsministerium und einige Bankvolkswirte die schwachen Daten etwas. Aufgrund einer hohen Anzahl an Brückentagen im Dezember dürfte der Rückgang der Industrieproduktion überzeichnet sein, hieß es vom Ministerium. Ähnlich äußerte sich Ökonom Ralph Solveen von der Commerzbank. Er rechnet deshalb damit, dass die Produktion spätestens im Februar wieder anziehen wird und es eine Gegenbewegung gibt.

"Dies ändert aber nichts daran, dass der Trend bei der Produktion weiter eindeutig nach unten zeigt", ergänzte Solveen. Auch in anderen europäischen Ländern fielen die jüngsten Produktionsdaten schwach aus. In Frankreich und Spanien knickte die Industrieproduktion zum Jahresende 2019 ein.

Olaf Scholz will Entlastungen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat verschiedene Initiativen angekündigt, um dem Trend entgegenzuwirken. So möchte er den Abbau des Solidaritätszuschlags um ein halbes Jahr auf diesen Juli vorziehen. Dies würde Bürger und auch Personengesellschaften, die Einkommensteuer zahlen, um fünf Milliarden Euro entlasten was die Kaufkraft stärken könnte. Zudem will Scholz vor allem auch kleinere Firmen steuerlich entlasten. 

Der Plan beinhaltet, den Wechsel von Personenhandelsgesellschaften zur Körperschaftsteuer zu erleichtern. Nur etwa 20 Prozent der rund 3,6 Millionen Unternehmen in Deutschland sind Kapitalgesellschaften, für die der niedrigere Steuersatz der Körperschaftsteuer gilt. Sie haben hierzulande oft einen Steuersatz von gut 30 Prozent, Personengesellschaften dagegen von bis zu 45 Prozent.

Personengesellschaften zahlen wie jeder normale Bürger Einkommensteuer. Dementsprechend fühlen sie sich gegenüber großen Unternehmen benachteiligt. Zumal auch einbehaltene Gewinne besteuert werden.

Auch deutsche Exporte stocken

Neben der Produktion schwächelt auch die deutsche Exportbilanz. Zwar stieg die Warenausfuhr auf den Rekordwert von 1.327,6 Milliarden Euro. Doch der Zuwachs fiel mit 0,8 Prozent wesentlich schwächer aus als in den beiden Vorjahren, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Damals hatte es noch ein Plus von drei Prozent beziehungsweise 6,2 Prozent gegeben.

Zwar gab es einen Lichtblick zum Jahresende 2019: Die Ausfuhren stiegen im Dezember insgesamt um 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Die deutsche Wirtschaft erwartet aber vorerst keine durchgreifende Erholung.

"Mit der konjunkturellen Eintrübung, dem Brexit und nun der Ausbreitung des Coronavirus haben wir weitere Herausforderungen, die es in diesem Jahr zu meistern gilt", erläuterte Holger Bingmann, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA. Mit der Bilanz des vergangenen Jahres zeigte er sich angesichts politischer und wirtschaftlicher Turbulenzen zufrieden. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht anhaltend hohe Risiken für den Außenhandel. "Wir rechnen mit Auswirkungen auf das Wachstum in China", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang mit Blick auf die Ausbreitung der neuartigen Lungenkrankheit.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist ein wichtiger Absatzmarkt. Im vergangenen Jahr war China nach den USA und Frankreich den vorläufigen Daten der Wiesbadener Behörde zufolge der drittgrößte Einzelmarkt für Waren "Made in Germany". Die Exporte in das Land stiegen um 3,2 Prozent auf rund 96 Milliarden Euro.

Importe nehmen zu

Stärker als die Ausfuhren legten im Gesamtjahr die Importe zu. Deutschland führte Waren im Wert von 1104,1 Milliarden Euro ein, 1,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dadurch verringerte sich der Überschuss im Handel mit anderen Ländern auf 223,6 Milliarden Euro (2018: 228,7 Mrd). Der Überschuss der Leistungsbilanz, die unter anderem auch Dienstleistungen umfasst, stieg nach vorläufigen Berechnungen der Bundesbank dagegen auf 266,2 Milliarden Euro (2018: 246,0 Mrd.) Der Überschuss Deutschlands sorgt bei Handelspartnern immer wieder für Kritik, insbesondere bei US-Präsident Donald Trump.

Die globalen Unsicherheiten bleiben nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) auch 2020 bestehen. So herrscht trotz der Teileinigung zwischen den USA und China beispielsweise an der Handelsfront noch keine Ruhe. Trump hatte der Europäischen Union jüngst erneut mit der Einführung von Strafzöllen auf Autoimporte gedroht, falls sich die EU und die USA nicht auf ein Handelsabkommen verständigen könnten.

Die Unsicherheiten hinterlassen auch deutliche Spuren bei der Industrieproduktion. Kunden halten sich mit Bestellungen zurück. Gehen weniger Aufträge ein und sind alte Orders abgearbeitet, fahren Unternehmen die Produktion herunter. Im Dezember verringerte sich die Gesamtherstellung deutlich um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Es war der stärkste Rückgang seit Anfang 2009, als die Produktion infolge der Finanzkrise weggebrochen war. Gegenüber dem Vorjahresmonat fiel die Herstellung um 6,8 Prozent. Dies zeigt nach Einschätzung des BayernLB-Experten Stefan Kipar, "dass die konjunkturelle Schwächephase noch nicht vorbei ist."

Einige Ökonomen rechnen damit, dass Europas größte Volkswirtschaft im vierten Quartal nicht mehr gewachsen ist. Vorläufige Daten will das Statistische Bundesamt kommenden Freitag (14.2.) veröffentlichen. Zuletzt war die Behörde in einer ersten Schätzung von einem "geringfügigen" Anstieg ausgegangen. Auch vom Start ins laufende Jahr erwarten Volkswirte keine durchgreifende Besserung. Die Erholung in der deutschen Industrie dürfte länger auf sich warten lassen und das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2020 "kaum mehr als stagnieren", sagte der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths.

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(rt/dpa)

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