Wirtschaft

An der Wachstumsgrenze: Autobauer im Abstiegskampf

Laut einer Studie könnten bis 2030 rund 125.000 Arbeiter in der Autoproduktion ihre Jobs verlieren. Konzerne wie Volkswagen, Daimler und Continental planen drastische Einsparungen. Schuld sollen auch staatliche Vorgaben zum Klimaschutz sein. Doch die Krise ist systembedingt.
An der Wachstumsgrenze: Autobauer im AbstiegskampfQuelle: Reuters © Ralph Orlowski

von Susan Bonath

Immer deutlicher treten die Widersprüche des Kapitalismus zutage. Die ökologische Krise und der technologische Fortschritt fordern ihren Tribut von vielen Lohnabhängigen. Um ihre Jobs müssen vor allem Beschäftigte der deutschen Automobilindustrie bangen.

Nach neuen Berechnungen des Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen werde der Umstieg auf Elektromobilität bis zum Jahr 2030 fast 234.000 Stellen in der Entwicklung und der Produktion von Technik für Verbrennungsmotoren überflüssig machen, aber nur etwa 109.000 neue Jobs entstehen lassen. Darüber berichtete am Sonntag Springers Welt am Sonntag, der die Studie vorab vorlag.

So werde laut CAR-Institut die Zahl der Beschäftigten in der Autobranche in den kommenden elf Jahren von derzeit rund 834.000 auf ungefähr 709.000 schrumpfen, falls im Jahr 2030 zwei Drittel der neu produzierten Fahrzeuge Elektromotoren haben. Für diese würden deutlich weniger Teile benötigt. Außerdem seien die meisten Zulieferunternehmen auf Diesel- und Verbrennungsmotoren spezialisiert. Darum werde es vor allem Arbeiter in der Produktion treffen, so die Autoren.

Nachfrage eingebrochen

Schon jetzt klagt die Autobranche über eine sinkende Nachfrage an Neuwagen. Im Jahr 2016 wurden Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge in der Bundesrepublik noch fast sechs Millionen PKW produziert. In diesem Jahr waren es bis Juli weniger als 2,8 Millionen Autos. Für das Gesamtjahr haben die Ökonomen und Unternehmerverbände ihre Prognosen auf 4,7 Millionen Neuwagen heruntergeschraubt. Es wird damit gerechnet, dass die Produktion sogar auf unter vier Millionen Exemplare pro Jahr absinken könnte.

Einige Autokonzerne haben bereits bekannt gegeben, tausende Stellen zu streichen, darunter Volkswagen und Ford. Daimler, BMW und Bosch kündigten ebenfalls "Sparmaßnahmen" an, ohne aber konkrete Zahlen zu nennen. Aktuell brennt beim niedersächsischen Reifen- und Fahrzeugsystem-Produzenten Continental die Luft in der Produktion. Der Konzern teilte vergangene Woche mit, in den nächsten Jahren weltweit 20.000 Stellen abzubauen, darunter 7.000 der 62.000 Jobs in Deutschland.

Einige Werke will Continental komplett schließen, zum Beispiel im bayrischen Roding und im sächsischen Limbach-Oberfrohna. Den Beschäftigten drohen betriebsbedingte Kündigungen. Es würden zwar andererseits neue Stellen entstehen, hieß es. Um wie viele es sich dabei handelt, ließ das Unternehmen aber offen.

Besorgt um die Rendite

Bei der Ankündigung des Stellenabbaus vergangene Woche gab Continental auch der Politik eine Mitschuld. Deren Vorgaben für eine CO2-Reduktion bis 2030 seien zu streng. So müssten die Autoproduzenten schneller auf emissionsfreie Fahrzeuge umstellen, klagte die Unternehmensspitze.

Die deutsche Autoindustrie befinde sich im "Abstiegskampf", titelte der Spiegel bereits Anfang September. Einer der Gründe seien hohe Rabatte auf Neuwagen, um den Absatz nicht komplett einbrechen zu lassen. Die Preisnachlässe würden "die Rendite fressen". Selbiges drohe mit den nötigen hohen Investitionen, die nötig seien, um auf umweltfreundlichere Technologien umzurüsten. Einige Konzerne würden dies "wohl nicht überleben", spekulierten Ökonomen.

Quantitatives Wachstum für Profit

All die Unternehmenssprecher und Volkswirte verschweigen allerdings aus eigenem Interesse eine banale Tatsache: Die Probleme sind systembedingt. Einerseits fällt die Profitrate für die Großaktionäre und Konzerneigner kontinuierlich, sofern die Unternehmen nicht mit expansivem Wirtschaftswachstum dagegen halten. Dieses rein quantitative Wachstum muss jedoch auf einem endlichen Planeten zulasten der menschlichen Lebensgrundlage gehen.

Mehr noch: Der Zwang zu quantitativem Wachstum bremst, wie die Kritik aus der Autobranche an den Staat verdeutlicht, qualitatives Wachstum aus. Denn neue Technologien erfordern Investitionen, welche die Einzelprofite der Konzerneigner mindern. Letztlich verleitet dieser Kostenfaktor nicht nur dazu, veraltete Technologien nach dem Motto "Alles muss raus" weiter anzuwenden. Er lässt auch Kapitaleigner in die Spekulation flüchten, wo sie auf schnelle Sofortgewinne hoffen.

"Autos kaufen keine Autos"

Zudem sinken konsequenterweise die Kaufkraft und der Absatz, wenn immer weniger Arbeitskräfte für die Produktion benötigt werden. Allein in Deutschland gehen Forscher davon aus, dass etwa jeder fünfte Lohnarbeitsplatz aufgrund des technologischen Fortschritts in den kommenden Jahren wegfallen wird.

Auf einige Fragen haben die Ökonomen bis heute keine Antwort: Wohin soll die Wirtschaft eigentlich wachsen? Wie soll ein Zwang zu ständigem Wachstum mit der Endlichkeit der Ressourcen und dem empfindlichen Ökosystem vereinbart werden? Und: Was geschieht mit all denen, die ihre Jobs ein für alle Mal verlieren, also für die Profitmaschine aus der Sicht des Kapitals unbrauchbar werden? Hierzu sei ein Zitat des Autobauers Henry Ford angefügt: "Autos kaufen keine Autos."

 

 

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.