Russland

Russischer Rapper "Face" erklärt sich zum "Staatsfeind"

Der russische Rapper Iwan Dremin, besser bekannt unter seinem Künstlernamen "Face", sorgt mit seinem neuen Album "Mysterious Ways", in dem er Russland mit einem "Gefangenenlager" vergleicht, für Kontroversen. Echte Sozialkritik – oder nur eine Masche?
Russischer Rapper "Face" erklärt sich zum "Staatsfeind"© Facebook

Der 21-Jährige Dremin erlangte 2017 Popularität, nachdem sein Musikvideo "Burger" mehr als 30 Millionen Mal auf Youtube angeklickt wurde:

Doch mit seinem neuen Album scheint der Musiker neue Wege einschlagen zu wollen. War er vorher doch eher unpolitisch unterwegs, überrascht er jetzt mit sozialpolitischen Themen. Unter anderem widmet er sich der Armut, der Korruption und der Gefängnisfolter.

In dem Eröffnungsstück des Albums mit dem Titel "Stolen Air" erinnert "Face" an die Worte des sowjetischen Dichters Osip Mandelstam - ein Opfer der sowjetischen Unterdrückung: "Wir leben, ohne das Land unter unseren Füßen zu spüren."

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Gerade das Thema Korruption ist ein wiederkehrendes Thema in den acht Tracks des neuen Albums. In "The Fourth Horseman" verweist Dremin auf das Feuer, das im März 2018 das im Einkaufszentrum Winter Cherry in Kemerowo ausbrach. Die nationale Tragödie, bei der 64 Menschen, darunter 41 Kinder, ihr Leben verloren, wurde in großem Umfang der Korruption zugeschrieben. In seinem Songtext schreibt "Face":

Unser Leben ähnelt einem Einkaufszentrum: Jemand brennt darin, während jemand anderes mit Zinsen Geld verdient.

Auf dem gleichen Track rappt "Face" weiter:

Mein Land ist ein einziges großes Gefangenenlager, Überall, wo ich hingehe, fühle ich mich wie zu Hause.

In dem Stück "Unsere Mentalität", in der sich der Rapper als "Staatsfeind" bezeichnet, erzählt er von der Unbedachtsamkeit des Lebens im modernen Russland:

Unsere Mentalität ist wie die von Spielautomaten. Unsere Mentalität denkt von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck. Unsere Mentalität bezahlt unsere Krippe nicht. Selbst wenn die Lichter aus sind, geben wir keinen Scheiß.

Das Album erntete im Internet größtenteils positive Reaktionen. Darunter auch von dem bekannten russischen Rapper "Oxxxymiron". Für die russische Internetzeitung Znak ist das Album sogar ein "großes politisches Ereignis für das Land". Andere sind weniger begeistert, darunter die Chefredakteurin des Storona-Musikmagazins Nadjeschda Samodurowa. Sie bezweifelt das plötzliche politische Engagement des Rappers und spricht von einer Marketing-Masche:

Es ist möglich, dass das Rappen über Politik zu einem Trend wird. (...) Aber wenn es um Dremin geht, glaube ich nicht, dass er es wirklich ernst meint.

Unterdessen haben mehrere Kritiker darauf aufmerksam gemacht, dass Dremins neues Album Teil eines breiteren Trends junger russischer Künstler sei, sich vermehrt zu politischen Themen zu äußern. "Die Jugend hat keine Angst vor den Behörden und sie spricht jetzt die Dinge, die sie im Land ändern will", sagte der bekannte Musikkritiker Artemij Troickij der Moskauer Tageszeitung The Moscow Times. Rap-Musik kam fast zehn Jahre nach ihrem Aufkommen in den USA in der damaligen UdSSR an. Musikkritiker datieren seine Entstehung oft auf die Veröffentlichung von "Rap", einem 1984 erschienenen Album der Gruppe "Tschas Pik".

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Nach heutigen Maßstäben ist das Album "Rap" eine eigenwillige Mischung aus russischem und englischsprachigem Rap, beeinflusst von Rap-Pionieren wie der New Yorker Gruppe "Grandmaster Flash" und zusätzlichen Rockelementen. Anfang der 1990er-Jahre begannen Gruppen wie "Bad Balance" und "Maltschischnik" sowie die Solokünstler wie "Lika Star" und "Delfin", Rap in Russland populär zu machen. Schon bald hörte man immer mehr Hip-Hop-Musik aus Radiosendern, und die sogenannten "MCs" tauchten auch zunehmend im Fernsehen auf.

Zu jener Zeit war der Rap noch eher unpolitisch. Die Musiker nahmen eher Themen auf, die unter den Sowjets noch als Tabuthemen galten. "Rap war für die Russen interessant, weil offen über Sex, Drogen und Polizeikonflikte gesungen wurde", so Troickij, der der Jury des ersten russischen Rap-Festivals, das 1990 im Moskauer Gorki-Park stattfand, vorstand.

Als Beispiel für die provokative, aber gleichzeitig innovative Kunst des Genres verweist er auf den Hit des Rap-Trio "Maltschischnik" aus dem Jahr 1991 mit dem unzweideutigen Titel "Nonstop Sex". In diesem Track, der die Inspiration durch die US-amerikanische Band "Beastie Boys" erahnen lässt, beschreiben die drei Performer, elfin, mutabor und Den recht eindeutig, wie sie alle zusammen, und einer nach dem anderen, Sex mit einem Mädchen haben.

Für Troickij war das "ein großer Schritt vorwärts für die Kultur der sexuellen Revolution" in Russland. Selbst der russische Präsident äußerte sich zum Thema Hip-Hop. 2009 trat Wladimir Putin, damals Ministerpräsident, in der Rap-Fernsehsendung "Battle for Respect" auf und lobte die Musik. Er bezeichnete sie als "Kunstform" und begrüßte den Rap zudem wegen seines "sozialen Inhalts" und der Thematisierung der "Probleme der Jugend". Wie er über das neue Album von "Face" denkt, war nicht in Erfahrung zu bringen.

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