Russland

Kasan - Ein Reiseziel, welches mit zahlreichen Klischees über Russland bricht

Es war ein Reiseziel, das ich mir schon lange vorgenommen hatte. Mit einem recht spontanen Kurztrip sollte es nun wahr werden. Wir flogen nach Kasan und verliebten uns. Ein Reisebericht.
Kasan - Ein Reiseziel, welches mit zahlreichen Klischees über Russland brichtQuelle: Sputnik

von Gert-Ewen Ungar

Die Stadt liegt etwa 800 Kilometer östlich von Moskau. Wer meint, das wäre schon tiefstes Sibirien, irrt. Die russischen Dimensionen sind andere. Die Stadt Jekaterinburg, die die Grenze zwischen Europa und Asien markiert, liegt noch einmal rund 800 Kilometer in Richtung Osten. Kasan liegt im europäischen Teil der Russischen Föderation und ist die Hauptstadt der russischen Republik Tatarstan. Die Stadt liegt malerisch an der Wolga, dem längsten Fluss auf dem europäischen Kontinent. Die Tataren-Metropole ist in diesem Jahr eine der Austragungsorte der Fußball-WM. Leider ist die deutsche Elf in der Vorrunde nicht für ein Spiel in der Kasan-Arena vorgesehen. Doch eventuell haben die deutschen Fans im Achtelfinale die Möglichkeit, die Stadt im Rahmen der WM zu besichtigen.

Von Moskau aus erreicht man Kasan gut und schnell mit dem Flugzeug. Die Flugzeit beträgt etwas mehr als eine Stunde. Alternativ bietet sich die Möglichkeit, mit dem Nachtzug vom Moskauer Kasaner Bahnhof zu fahren. Die Fahrt gibt es bereits ab 41 Euro, dann allerdings in der dritten Klasse in einem Großraum-Schlafwagen. Die bequemere Variante im Zweite-Klasse-Abteil gibt es dann ab umgerechnet etwa 65 Euro. Wer es mondän liebt, fährt im Luxusabteil der ersten Klasse.

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Wir besuchten die Stadt im Winter. Die Temperaturen lagen auch tagsüber deutlich unter null. Die Luft war trocken, klar und rein. Kälte hat in Russland eine andere Qualität als in Deutschland. Sie lädt auch bei Minustemperaturen zu Spaziergängen ein, während man in Deutschland schon bei nasskaltem Wetter um die null Grad lieber zu Hause bleibt. Daher flanierten wir bei minus zehn Grad durch die malerische Innenstadt. Im Straßenbild auffallend sind die vielen Cafés und Restaurants.

Es empfiehlt sich, einfach nach Lust und Laune in eins einzutreten und die Vielfalt der angebotenen Speisen auszuprobieren. Die tatarische Küche ist ausgezeichnet. Deftig und sehr reich im Geschmack. Zu empfehlen sind besonders die Suppen, aber natürlich auch die klassischen Schaschliks. Ein Muss sind die gefüllten Teigtaschen. Zum Nachtisch gibt es Tschak Tschak, eine regionale Spezialität. Das sind in Öl ausgebackene Teig-Streifen, die mit Honig überzogen werden. Dazu reicht man traditionell Tee mit Milch und getrocknete Früchte.

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Zur Verdauung empfiehlt es sich, den schon begonnenen Spaziergang einfach fortzusetzen. Der führt weiter durch die Innenstadt, vorbei am Theater und hinauf zum Kreml. Wie Moskau hat auch Kasan einen Kreml. Das Wort “Kreml” bedeutet einfach Festung. Neben Kasan gibt es in zahlreichen russischen Städten diese typischen Festungsanlagen zu besichtigen. Der bekannteste ist freilich der Moskauer Kreml. Aber auch der Kreml in Kasan ist von herausragender Bedeutung. Nicht, weil er politischer Sitz ist, sondern weil sich hier sichtbar die kulturellen Einflüsse mischen. Neben einer russisch-orthodoxen Kirche ist hier ganz zentral die Kul-Scharif-Moschee. Sie ist nach der Achmat-Kadyrow-Moschee in Grosny die zweitgrößte Moschee in Russland. Der Kasaner Kreml zählt zum Weltkulturerbe der UNESCO und gilt als Symbol für das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslimen.

Allerdings war es nicht immer ganz so friedlich. Es war Iwan, der Schreckliche, der Kasan gewaltsam dem russischen Zarenreich einverleibte. Eine Mission zum christlichen Glauben unterließ er jedoch. Der Islam hat daher bis heute maßgeblichen Einfluss, die dort lebenden Muslime verstehen sich jedoch als Bürger der Russischen Föderation.

Wie man sieht: Kasan ist alt und die Stadt ist reich an Geschichte. Dies wird nicht nur im historischen Kreml sichtbar. An nahezu jeder Ecke erinnern Gedenktafeln an ehemalige Bewohner, die die Geschichte oder Kultur der Stadt, der Region und des Landes maßgeblich mitgestaltet haben. Auch die städtische Architektur bezeugt die zahlreichen Einflüsse unterschiedlicher Kulturen und Epochen. In Teilen mutet die Architektur beinahe preußisch an, viel erinnert an Schinkel. Es sind aber auch Einflüsse des Jugendstils genauso vorhanden wie es eindrucksvoll monumentale Bauten aus der Sowjetzeit gibt. Und natürlich fehlen die Zeichen der alten russischen Bauweise und die für Russland typischen Kirchenbauten nicht.

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Wer sich auf Shopping-Tour begegeben möchte, ist in Kasan richtig. In Kasan gibt es beides: einerseits riesige Shopping-Malls, in denen sich ein breites Angebot internationaler Brands findet, auf der anderen Seite kleine Ladengeschäfte mit Produkten und Erzeugnissen, die in der Region hergestellt werden. Zu meiner Überraschung stoßen wir in einer zentral gelegenen Ladenpassage auf ein Geschäft mit Dessous und erotischem Spielzeug, das in der Auslage mit Rabatten für Studenten wirbt. Diese originelle Werbung lässt mich nach der Universität yandexen. (Die russische Suchmaschine Yandex ist in Russland verlässlicher als Google.) Ja, Kasan ist auch Universitätsstadt. Es studieren hier knapp 45.000 Studenten in den unterschiedlichsten Fakultäten. Neben den klassischen Fächern findet sich auch ein Institut für Ökologie. Die Atmosphäre in Kasan unterscheidet sich grundlegend von der in Moskau oder Sankt Petersburg. Obwohl die Stadt an der Wolga ein wirtschaftliches Zentrum ist, geht es hier ruhiger zu. Die für Moskau typische Hektik und beständige Geschäftigkeit fehlt hier.

Für die deutschen Fußballfreunde ist zu hoffen, dass Kasan zum Austragungsort für ein Spiel mit der deutschen Mannschaft wird. Der Besuch der Stadt wird weit über das Fußballereignis hinaus in bester Erinnerung bleiben, so viel ist sicher. Generell ist bei der WM auf viele deutsche Fans zu hoffen, die sich im Rahmen ihrer Leidenschaft für Fußball ein eigenes Bild über Russland machen - jenseits von permanenter negativer und ideologisch geprägter Berichterstattung in den Mainstream-Medien. Doch auch für diejenigen, die mit Fußball nichts anfangen können, lohnt sich ein Besuch der Stadt an der Wolga. Schließlich hat sie mit ihrer reichen Geschichte und ihren ganz besonderen kulturellen Gegebenheiten viel zu bieten. Ein Besuch jedenfalls, ganz egal aus welcher Motivation heraus, wird mit den zahlreichen Klischees brechen, die es über Russland gibt.

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