Russland

Lawrow zum Fall Nawalny: "Deutschland schweigt zu unseren Fragen"

Deutschland verweigert weiterhin die Kooperation mit russischen Behörden bei der Aufklärung des angeblichen Giftanschlages auf Nawalny. Das erklärte Außenminister Lawrow am Freitag. Nawalny hatte Deutschland verboten, Proben und Befunde Russland zu überlassen.
Lawrow zum Fall Nawalny: "Deutschland schweigt zu unseren Fragen"Quelle: Gettyimages.ru © Anadolu Agency

In einem am Freitag mit vier russischen Radiosendern – Sputnik, Goworit Moskwa, Komsomolskaja Prawda und Echo Moskwy – geführten Interview sagte der Außenminister der Russischen Föderation Sergei Lawrow, er neige zu der Überzeugung, dass die westlichen Staaten keinen stichhaltigen Grund haben, das offizielle Moskau der Vergiftung des oppositionellen Bloggers Alexei Nawalny im August 2020 zu beschuldigen. Die ganze Geschichte, so Lawrow, sei erfunden, um Russland zu provozieren.

Die Frage zu Nawalny hatte Alexei Wenediktow gestellt, der Chefredakteur des oppositionell-liberalen Senders Echo Moskwy. Wenediktow selbst hatte vor einigen Wochen exklusiv berichtet, dass Nawalny der deutschen Seite ausdrücklich verboten habe, ihm entnommene Proben oder Erkenntnisse im Zusammenhang mit seiner Behandlung in der Berliner Charité im Jahr 2020 den russischen Behörden bekannt zu geben.

Am 2. Januar 2022 sagte er in einer Sendung seiner oppositionellen Radioanstalt:

"Alexei Nawalny hat die Übermittlung von Testergebnissen an die Russische Föderation verboten. Die Deutschen haben ein offizielles Verbot der Familie von Alexei Nawalny, irgendwelche Tests an Russland zu übergeben."

Lawrow berichtete, dass die deutschen Behörden die Mitteilung ihrer Erkenntnisse über die angebliche Vergiftung Nawalnys und die Beantwortung der Fragen der russischen Ermittler, die bereits im Herbst 2020 Berlin mitgeteilt worden waren, mit der Begründung verweigern, die russischen Behörden sollen zuerst ein Strafverfahren einleiten.

Der russische Außenminister qualifizierte dieses Verhalten als einen groben Verstoß gegen die Verpflichtungen Deutschlands im Rahmen der zwischen beiden Ländern geltenden Rechtshilfeübereinkommen. Diese seien nicht davon abhängig, in welchem prozessualen Stadium sich das Verfahren in dem die Auskünfte begehrenden Staat befindet.

Russland selbst geht mit den Ergebnissen der Analysen der Proben des Patienten Nawalny offen und transparent um. Eine Zusammenfassung der Erkenntnisse der russischen Ermittler im Umfang eines Leitz-Ordners werde auch der Presse zur Verfügung gestellt, betonte Lawrow.

Der Außenminister zählte einige der – von den nicht übergebenen Laborbefunden abgesehen – bis heute offen gebliebenen Fragen auf:

"Wer hat ihn auf dem Flug nach Berlin begleitet? Warum wurde, was nach objektiven Befunden feststeht, das Ambulanzflugzeug, das Nawalny in Omsk abgeholt hat, einen Tag vor seiner Erkrankung bestellt? (...) Warum willigte der Pilot, der die Mitnahme der Wasserflasche durch Pewtschich zunächst abgelehnt hatte, letztendlich (in die Mitnahme) ein? Wer war der sechste Passagier (auf diesem Flug)? Warum steht Pewtschich für eine Vernehmung nicht zur Verfügung?"

Auch die besagte Flasche wird niemandem gezeigt und den russischen Behörden nicht zurückgegeben, sagte Lawrow, obwohl dieses Beweisstück ungesetzlich aus Russland geschmuggelt worden sei. Selbst die Bitte, die russischen Ermittler diese Flasche im Beisein deutscher Ermittler begutachten zu lassen, wird von der deutschen Seite abgelehnt.

Die Begründung der deutschen Seite, warum Nawalnys Proben, in denen angeblich durch Bundeswehr-Experten Nowitschok gefunden worden war, Russland nicht zur Verfügung gestellt werden, änderten sich inzwischen, berichtete Lawrow. Es wird nun nicht mehr ein militärisches Geheimnis bemüht, sondern die Übergabe wird mit Verweis darauf verweigert, dass Nawalny dies verboten habe. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), die die angeblich dem russischen Oppositionellen zuzuordnenden Proben in deutschem Auftrag auch untersucht habe, verweigere die Übergabe oder zumindest detaillierte Mitteilung der Befunde ihrerseits mit Verweis darauf, dass Deutschland dem nicht zustimme.

Lawrow erinnerte daran, dass im offiziellen Befund der OPCW nicht behauptet wird, dass in der Probe Nowitschok gefunden worden sei. Die Rede ist in dem Untersuchungsbericht vielmehr von Komponenten eines chemischen Stoffes, der selbst nicht unter den verbotenen Stoffen gelistet sei, aber Ähnlichkeit mit dem verbotenen Nowitschok aufweise.

Anders als im deutschen Strafprozessrecht geht im russischen Strafprozess der förmlichen Einleitung eines Strafverfahrens obligatorisch ein Stadium der Vorprüfung voraus. In diesem Vorstadium prüfen die Ermittler, ob ein Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Wenn ein solcher festgestellt werden kann, wird durch einen formalen und in den Akten zu dokumentierenden Akt der vorgesetzten Ermittlungsbehörde das förmliche Strafverfahren eingeleitet, in dessen Zuge vertieft ermittelt wird.

In diesem Vorstadium stecken die Ermittlungen im Fall der angeblichen Vergiftung Nawalnys bis zum heutigen Tag. Die Ermittler und die kontrollierende Staatsanwaltschaft betonten schon mehrfach, dass es nach den in Russland vorliegenden Erkenntnissen keine Vergiftung und keine andere Straftat zulasten Nawalnys gegeben hat, die zu seinem gesundheitlichen Problem und den Behandlungen in Omsk und Berlin führten. Allein die Behauptung der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel oder von Nawalny selbst reichen für einen Anfangsverdacht nicht. Der Anfangsverdacht einer Vergiftung kann unter den gegebenen Umständen nur auf medizinischen Unterlagen wie der Epikrise (dem Entlassungsbrief) oder der Offenlegung der Analysen beruhen.

Am 20. August 2020 war Nawalny auf einem Flug von Tomsk nach Moskau erkrankt. Nach einer Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk wurde er in ein Krankenhaus gebracht und in ein künstliches Koma versetzt. Die Ärzte in Russland diagnostizierten bei ihm eine nicht näher bezeichnete Stoffwechselstörung und stabilisierten mittels einer medikamentösen Behandlung seinen Zustand. Nach russischen Angaben fanden sich in den Nawalny in Omsk abgenommenen Blut-, Urin- und Gewebeproben keine Spuren von Giften oder Nervenkampfstoffen.

Bereits am nächsten Tag, in den frühen Morgenstunden des 21. August, startete von Nürnberg aus ein Ambulanzjet vom Typ CL60 zu einem 4000-Kilometer-Flug nach Omsk. An Bord befand sich ein deutsches Ärzteteam. Der russische Präsident Wladimir Putin genehmigte auf Bitten von Nawalnys Ehefrau seine Ausreise nach Deutschland zu Behandlungszwecken,  obwohl dem Blogger wegen einer auf den folgenden Montag angesetzten Gerichtsverhandlung in dem Verfahren wegen Beleidigung eines Kriegsveteranen die Ausreise gerichtlich verboten war. Er hatte sich auf gerichtliche Weisung eigentlich in Moskau aufzuhalten. Die Überführung des weiterhin Bewusstlosen nach Berlin erfolgte am frühen Morgen des 22. August.

In Deutschland wurde er in der mittlerweile für Verwicklungen in allerlei spektakuläre Fälle berüchtigten Charité behandelt, wo er offensichtlich binnen weniger Wochen vollständig genesen ist. Die damalige Bundeskanzlerin Merkel verkündete nach drei Tagen in einer Pressekonferenz, ein Bundeswehrlabor habe in den Proben Nawalnys Nowitschok gefunden. Beweise dafür wurden bis zum heutigen Tag nicht offengelegt.

Nawalny selbst veröffentlichte bis zum heutigen Tag keinerlei medizinische Unterlagen, weder den Entlassungsbrief, den jedes Opfer einer Körperverletzung in Deutschland als Erstes zu den Akten gibt, noch sonstige Befunde oder Epikrisen. Auch befreite er die Ärzte der Berliner Charité offensichtlich nicht von der Schweigepflicht, was weder von Transparenz noch von Aufklärungswillen des selbst ernannten Saubermanns zeugt.

Mehr zum Thema - Sergei Lawrow im Interview: "Russland will keinen Krieg"

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.