Russland

Russland: Demos für Alexei Nawalny – Festnahmen und Zusammenstöße bei nicht genehmigten Aktionen

Am Samstag fanden in mehreren Städten Russlands Unterstützungsaktionen für den Oppositionellen Alexei Nawalny statt. Die Behörden haben die zahlreichen Demos angesichts der COVID-19-Pandemie nicht genehmigt und die Bevölkerung vor einer Teilnahme daran gewarnt.

In mehreren Großstädten Russlands fanden am 23. Januar Demonstrationen statt, zu denen der oppositionelle Politblogger Alexei Nawalny und seine Anhänger aufgerufen haben. Der Grund sind die Verhaftung des neulich aus Deutschland nach Russland zurückgekehrten 44-Jährigen und sein Video über einen luxuriösen Palast an der Schwarzmeerküste nahe der südrussischen Stadt Gelendschik, dessen Besitzer angeblich der russische Staatschef Wladimir Putin sein soll. Der Kreml weist die Anschuldigung als "haltlose Behauptungen und reinen Quatsch" zurück. 

Obwohl die nicht genehmigte Kundgebung in der russischen Hauptstadt Moskau für 14 Uhr Ortszeit (12 MEZ) angekündigt worden war, versammelten sich auf dem Puschkin-Platz schon im Vorfeld viele Menschen. Die Polizei klärte sie eindringlich mit Lautsprechern darüber auf, dass die Versammlung nicht genehmigt sei. Es kam zu einzelnen Festnahmen. Die Ordnungshüter nahmen vor allem völlig vermummte Demonstranten fest. Mehrere Polizistinnen verteilten an Menschen ohne Mund-Nasen-Schutz kostenlose medizinische Gesichtsmasken. Dabei baten sie die Teilnehmer, alle Hygienemaßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie zu befolgen. Nach vorläufigen Angaben der Polizei versammelten sich auf dem Puschkin-Platz ungefähr 4.000 Menschen. Bely Schjotschik, eine informelle, gemeinnützige Vereinigung von Freiwilligen, die bei Kundgebungen und Aufmärschen Menschen zählen, schätzt die Teilnehmerzahl auf 15.000 bis 20.000 Personen.

Laut der Komsomolskaja Prawda wurden bei Zusammenstößen mit den Demonstranten mindestens 39 Ordnungshüter verletzt. Mehr als 600 Menschen waren wegen der Teilnahme an der nicht genehmigten Demo im Zentrum Moskaus festgenommen worden. Das teilte der Exekutivsekretär der Kommission für öffentliche Aufsicht Iwan Melnykow mit. Etwa 300 Minderjährige waren bei den nicht genehmigten Kundgebungen in ganz Russland festgenommen worden, darunter etwa 70 in Moskau und etwa 30 in Sankt Petersburg. Das teilte die russische Ombudsfrau für Kinderrechte Anna Kusnezowa mit.

Nawalnys Ehefrau Julia berichtete via Instagram, dass sie festgenommen worden sei und sich in einem Polizeiwagen befinde. Einige Stunden später soll sie laut Medienberichten wieder freigelassen worden sein.

Bei der Protestveranstaltung am Puschkin-Platz kletterte ein Nawalny-Gegner mit einem provokativen Plakat auf eine Straßenlaterne und wurde von den Demonstranten heruntergezerrt. Nach dem Sturz auf die Pflastersteine fingen sie an, auf ihn einzutreten und einzuschlagen. Er verlor das Bewusstsein und wurde Berichten zufolge zu den Transportwagen der Polizei gebracht.

Auf dem Strastnoi-Boulevard in Moskau spielten junge Teilnehmer der Protestveranstaltung Fußball mit einem Helm, der einem Polizisten entwendet worden war.

Auf einer der Straßen in der Moskauer Innenstadt, die von den Protestlern blockiert worden war, haben diese ein Beamtenfahrzeug angegriffen. Sie bewarfen es nicht nur mit Schneebällen, sondern schlugen auf das Auto ein, zerbrachen eine Fensterscheibe und hinterließen mehrere tiefe Dellen. Die Demonstranten sollen laut der Komsomolskaja Prawda dem Fahrer des Fahrzeugs ein Auge ausgeschlagen haben.

In Sankt Petersburg begann die Polizei noch vor Beginn der Protestveranstaltung mit den Festnahmen der Teilnehmer einer nicht genehmigten Kundgebung. Die Ordnungshüter hinderten die Demonstranten daran, sich wie geplant auf dem Senatsplatz zu versammeln, berichtet RIA Nowosti. Auch hier warnten die Polizeibeamten die Demonstranten über Lautsprecher, dass die Kundgebung nicht genehmigt sei, und forderten sie auf, sich zu entfernen. Die Demonstranten kamen der Forderung nicht nach. Laut RIA Nowosti wurden mehrere Personen wegen Verstößen festgenommen.

Am Isaaksplatz überwand laut dem Portal Fontanka.ru ein Mann eine Polizeiabsperrung und schlug einem Verkehrspolizisten ins Gesicht. Durch den Schlag fiel der Ordnungsbeamte zu Boden. Der Angreifer wurde von einem weiteren Verkehrspolizisten eingeholt und festgenommen, gegen ihn wurde ein Strafverfahren eingeleitet.

Für Aufsehen sorgte auch ein anderer Vorfall aus Sankt Petersburg, bei dem ein Polizist der Sondereinheit OMON eine Frau mit dem Fuß zur Seite stieß. Die 54-Jährige stürzte zu Boden und erlitt leichte Verletzungen. Am selben Tag teilte die städtische Polizei mit, dass der Fall intern überprüft werde. Am darauffolgenden Tag entschuldigte sich ein Polizeivertreter persönlich bei der betroffenen Frau:

"Das sind nicht unsere Methoden. Wir führen eine Überprüfung durch, um das zu klären, die Gründe herauszufinden und den Verantwortlichen ausfindig zu machen, und ergreifen harte, angemessene Maßnahmen. Nehmen Sie es uns nicht übel."

Nachdem das Video des Vorfalls viral ging und einen Aufschrei in der Gesellschaft auslöste, besuchte der Polizeibeamte die 54-Jährige im Krankenhaus. Er brachte ihr einen Blumenstrauß und entschuldigte sich für seine Tat. Er sei zuvor mit Reizgas angegriffen worden, sein Visier sei beschlagen gewesen, erklärte der Mann sein Vorgehen. Das Opfer nahm trotz einer Gehirnerschütterung die Entschuldigung zunächst an und sagte: "Machen Sie sich keine Sorgen. Alle sind am Leben". Als orthodoxe Christin vergebe sie ihm, erklärte die Frau. Wenige Tage später, nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus, teilte Margarita Judina der Zeitung Nowaja Gaseta mit, sie habe ihre Meinung geändert. Sie wolle den Namen des Polizisten erfahren und dass ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wird. Ihr zufolge hätte sie im Krankenhaus anders reagieren sollen. "Ich hätte sagen sollen: Sie werden meine Vergebung haben, wenn Sie alle politischen Gefangenen, einschließlich Alexei Nawalny, freilassen." Sie fügte hinzu: "Es geht schließlich nicht um meine Vergebung, da jeder an meiner Stelle hätte sein können. Jede Frau." Judina schilderte:

"Ich habe ein fliegendes Bein gesehen und dann war alles verschwommen. Ich bin in einem Krankenhaus aufgewacht, konnte aber immer noch nicht ganz verstehen, was passiert ist. Ich war geschockt."

Sie erinnere sich außerdem, die Augen des Polizisten gesehen zu haben. "Das heißt, sein Visier war nach oben geklappt", resümierte die Betroffene. 

Im Fernen Osten Russlands begannen die Kundgebungen aufgrund der Zeitverschiebung mehrere Stunden früher. Menschen gingen unter anderem in Juschno-Sachalinsk, Chabarowsk, Wladiwostok und Komsomolsk am Amur auf die Straße. Ihnen folgten dann Einwohner von Blagoweschtschensk, Irkutsk, Tomsk, Krasnojarsk, Nowosibirsk und Jakutsk. Trotz eisiger Temperaturen versammelten sich auf den zentralen Straßen der Städte Hunderte von Menschen. Laut Augenzeugen kam es zu mehreren Festnahmen.

Das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation in der Region Primorje eröffnete nach einer nicht genehmigten Demonstration in der Stadt Wladiwostok zwei Strafverfahren nach Artikel 318 Paragraf 1 des Strafgesetzbuches ("Anwendung von Gewalt gegen einen Regierungsbeamten im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Amtspflichten"). Dies teilte der Pressedienst der Behörde mit. Angeklagt werden zwei Männer, die während der illegalen Protestaktionen, zu der Nawalny aufgerufen hatte, Ordnungshüter angegriffen haben sollen.

Nach Angaben der Stadtverwaltung von Chabarowsk kamen zu der nicht genehmigten Aktion auf dem Lenin-Platz ungefähr 250 Menschen. Im Sommer hatten dort Tausende Menschen gegen die Verhaftung des ehemaligen Gouverneurs Sergei Furgal protestiert. 

Aufrufe zu den Protestaktionen wurden in den sozialen Netzwerken verbreitet, darunter die unter Minderjährigen beliebte Videoplattform TikTok. Die Behörden hatten die Organisatoren der Kundgebungen im Vorfeld davor gewarnt, Kinder und Jugendliche zu den Protesten anzustiften. Am Samstag versuchten mehrere Minderjährige tatsächlich, sich den nicht genehmigten Aktionen in ihren Städten anzuschließen. In der sibirischen Stadt Krasnojarsk schaffte es ein Polizist, zwei Schülern davon abzuraten. Nach einem Gespräch mit dem Ordnungshüter verließen die Kinder den Ort des Geschehens.

Das Innenministerium Russlands und die Generalstaatsanwaltschaft hatten die Bevölkerung im Vorfeld der geplanten Kundgebungen vor einer Teilnahme daran gewarnt. Die angekündigten Protestaktionen wurden als Provokation und Bedrohung für den öffentlichen Frieden eingestuft. Es werde alles unternommen, um die nicht genehmigten Demonstrationen zu verhindern, hieß es am Donnerstag. Die Behörden riefen zudem auf, junge Menschen nicht zu Protesten anzustiften. Die Stadtverwaltungen begründeten das Demonstrationsverbot mit der COVID-19-Pandemie. Große Menschenversammlungen könnten demnach die Situation erschweren und eine reale Infektionsgefahr für die Teilnehmer darstellen.

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