Das Paar des Jahres: Macron und AKK

Anfang März hatte der Meister im Élysée-Palast zu seinem besten Stift gegriffen und – ganz bescheiden – 28 nationale Tageszeitungen vom Alten Kontinent mobilisiert, um sich an die "Bürger Europas" zu wenden. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Das Paar des Jahres: Macron und AKKQuelle: Reuters © Collage RT Deutsch

von Pierre Lévy, Paris

Weniger als eine Woche später veröffentlichte die Vorsitzende der deutschen Christdemokraten eine Kolumne, die ihre eigene Vision von der Zukunft der EU entwarf. Annegret Kramp-Karrenbauer ist zwar noch nicht Kanzlerin, aber sie hat gute Chancen, das 2021 – oder sogar schon früher – zu werden.

Natürlich teilen die beiden Führer die gleichen Grundprinzipien. Beginnend mit einer langen Tradition der europäischen Politik-Floskeln. Für Emmanuel Macron ist die EU "ein beispielloses Projekt von Frieden, Wohlstand und Freiheit (und) eine beispiellose Erfolgsgeschichte". Für Frau Kramp-Karrenbauer ist diese ein "unvergleichlicher Erfolg". Und sie hätte sogar hinzufügen können: ein schönes Exportprodukt, da wir "unsere europäische Lebensweise (....) für uns selbst und die ganze Welt" verteidigen müssen; der französische Präsident seinerseits erklärt arrogant, dass "Europa eine Avantgarde ist (… und…) hat es immer verstanden, die Standards des Fortschritts zu definieren", in der Welt, versteht sich.

Letzterer begann sein Schreiben jedoch mit einer Warnung: "Noch nie war Europa so in Gefahr". Und seine deutsche Kollegin fing ihren Brief mit einer Zustimmung an: "Er hat recht, wir müssen dringend handeln". Nachdem er behauptet hat, dass "die europäische Zivilisation uns vereint, uns beschützt und befreit", unterbreitet Emmanuel Macron eine Reihe von Vorschlägen, um den Zerfall der europäischen Integration einzudämmen und die Sorgen der Bevölkerung zu zerstreuen. "Wir müssen beschützen!" hämmert er.

Zum Beispiel durch die Schaffung einer Agentur für den Schutz der Demokratie, die ausdrücklich gegen die russische Bosheit konzipiert ist... Wir müssen auch die Rüstungsausgaben erhöhen und einen Europäischen Sicherheitsrat (unter Einbeziehung Großbritanniens) schaffen, um das militärische Europa voranzubringen. Darüber hinaus müssen wir "alle Institutionen" dem Klima-Engagement widmen und Internet-Giganten regulieren. In all diesen Punkten hat die neue CDU-Chefin grundsätzlich nichts dagegen, auch wenn sie bei der Schaffung neuer Institutionen zurückhaltend bleibt.

Was Schengen betrifft – ein hochsensibles Thema, da es Migration und Asyl betrifft – so hält sie es für notwendig, das System zu "vervollständigen", auch wenn es bedeutet, dass jeder Mitgliedsstaat seine Priorität wählen könne: Grenzüberwachung, Entwicklungshilfe oder Aufnahme von Migranten. Andererseits will der französische Staatschef die Regeln überdenken und droht gar damit, die Länder des EU-Ostens auszuschließen, wenn sie sich dem letzten der Punkte verweigern. Der deutsche Ansatz ist versöhnlicher mit den Ost-Ländern.

Tatsächlich nehmen die Differenzen zwischen beiden Ufern des Rheins zu, oder werden zumindest sichtbarer. Das Gestikulieren unseres ehemaligen Rothschild-Bankers über die "soziale Grundsicherung" oder den "Mindestlohn" wurde in Berlin kühl beobachtet. Und jetzt stoßen viele macronische Forderungen nach stärkerer föderaler Integration auf starke Zurückhaltung: "Dem Ziel eines handlungsfähigen Europas wird kein europäischer Superstaat gerecht (…) eine Neugründung Europas geht nicht ohne die Nationalstaaten", schreibt Frau Kramp-Karrenbauer. Traditionell verteidigte die CDU jedoch ein Europa mit föderaler Berufung, während die französischen Führer dorthin nur mit schleppenden Schritten vorankamen.

Nun musste der französische Präsident bereits seine ehrgeizigen Pläne zur Reform der Eurozone und die meisten der in seiner Rede an der Sorbonne (September 2017) geäußerten Träume zurückstecken. Dies hindert AKK aber nicht daran, eine schmerzhafte Nachimpfung vorzunehmen: "Europäischer Zentralismus, europäischer Etatismus, die Vergemeinschaftung von Schulden, eine Europäisierung der Sozialsysteme und des Mindestlohns wären der falsche Weg". Einige der Unterschiede sind sicherlich nicht neu, aber Angela Merkels CDU-Nachfolgerin hält es für sinnvoll, sie zu wiederholen, und noch kleine Provokationen hinzuzufügen. Dies ist zum Beispiel der Fall bei dem Antrag, den französischen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu vergemeinschaften, oder – was schon beinahe wie eine Anekdote wirkt – bei dem Vorschlag, den Sitz des EU-Parlaments in Straßburg zu schließen.

Die beiden Protagonisten haben jeweils innenpolitische Bedenken, die nicht unbedingt miteinander übereinkommen. Der erste arbeitet in Frankreich an der Schaffung einer "europäischen Partei", die Links und Rechts assoziiert; die zweite will dem ultraliberalen und konservativsten Flügel der CDU Garantien geben, weil der nicht mehr unbedingt davon überzeugt ist, dass das deutsche Interesse (also eigentlich das Interesse der deutschen Firmen) darin besteht, alles diesem europäischen Aufbauwerk unterzuordnen. Natürlich befürchten beide den Aufstieg von "Populisten" bei den Europawahlen am 26. Mai, aber die konkurrierenden Manöver für zukünftige Fraktionen in Straßburg haben bereits begonnen.

Und das zu einer Zeit, in der die EU – deren oberstes Ziel es ist und bleibt, die Souveränität jedes Volkes zu beseitigen – zunehmend unter Spannung steht, je mehr die Unzufriedenheit, Wut und Frustration zunehmen. Es sei denn: "Die Zustimmung zur europäischen Idee ist derzeit so hoch wie nie", wie AKK – man bedenke: ohne zu lachen – schreibt.

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