Wir gehen stürmischen Zeiten entgegen: Rivalität und Konfrontation statt Diplomatie

US-Präsident Joe Biden verspricht zu Beginn seiner Amtszeit ein Vorgehen gegen "Autoritarismus" und nimmt China und Russland ins Visier. Russland habe sich vieles zuschulden kommen lassen. Auch auf der Suche nach der europäischen Souveränität wird auf Konfrontation gesetzt.
Wir gehen stürmischen Zeiten entgegen: Rivalität und Konfrontation statt DiplomatieQuelle: www.globallookpress.com © Anna Moneymaker

von Pierre Lévy

Eines ist jetzt klar. Wer sich noch Illusionen über die besänftigenden Tugenden von Joe Bidens Ankunft im Weißen Haus gemacht hatte, kann sich jetzt sicher sein: In der Außenpolitik zeigt die hier und da angepriesene "Rückkehr zur Normalität" ihr wahres Gesicht: den bezeugten US-amerikanischen Willen, die Kontrolle über das Weltgeschehen wiederzuerlangen und das atlantische Bündnis "wieder zu stärken". "America is back" ist der Slogan des neuen Präsidenten, der verkündet, dass er mit Donald Trumps "America First"-Politik brechen will. Nicht, dass Trumps Außenpolitik besonders freundlich gewesen wäre – vor allem im Nahen Osten. Doch mit seinem von Ronald Reagan abgeschauten Motto kehrt der neue Herr in Washington bewusst zum Geist des Kalten Krieges zurück.

Biden will "dem Aufstieg des Autoritarismus entgegentreten" und droht Russland  

In seiner Rede vom 4. Februar sagte Biden, die US-Führung ("leadership") müsse nun "dem Aufstieg des Autoritarismus entgegentreten, einschließlich Chinas wachsender Ambitionen, mit den Vereinigten Staaten zu rivalisieren, und Russlands Entschlossenheit, unsere Demokratie zu untergraben". Zwingen ihn die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu einer etwas vorsichtigeren Sprache gegenüber Peking, so gilt das nicht für Moskau:

"Die Zeit, in der wir uns angesichts der Aggressivität Russlands – Einmischung in unsere Wahlen, Cyberattacken, Vergiftung seiner Bürger – zurückgezogen haben, ist vorbei."

"Wir werden nicht zögern, die Kosten" für dieses Verhalten "zu erhöhen" und Moskau "in Rechnung zu stellen".

Die Ernennung von Victoria Nuland zur Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten ist ein perfektes Beispiel für diesen neuen Kurs. Die Frau, die damit zur Nummer drei im Außenministerium wird, hat seit den 2000er Jahren mehreren aufeinanderfolgenden Administrationen gedient. Bis 2003 war sie George W. Bushs Vertreterin bei der NATO und spielte eine wichtige Rolle bei der Invasion in Afghanistan. Zwischen 2003 und 2005 diente sie als Beraterin von Vizepräsident Dick Cheney und half ihm, den Krieg gegen den Irak voranzutreiben. Als Sprecherin und enge Vertraute von Außenministerin Hillary Clinton war sie 2011 sehr aktiv an der Planung der westlichen Aggression gegen Libyen und der Ermordung seines Führers beteiligt. Und sie freute sich, dass durch diese glückliche Initiative Waffenbestände nach Syrien fließen konnten, in der Hoffnung, dass die "Rebellen" (und die ausländischen Kämpfer) das gleiche Schicksal für Baschar al-Assad reservieren könnten.

In der Ukraine hat Frau Nuland jedoch ihr ganzes Können am eindrucksvollsten unter Beweis gestellt. 2013 zur Unterstaatssekretärin für Europa und Eurasien ernannt, ging sie bald nach Kiew, wo sie sich beim Verteilen von Brötchen und Keksen an die Aufständischen auf dem Maidan-Platz verewigte, deren Ziel es war, den gewählten Präsidenten mit Gewalt zu stürzen. Vor allem war sie der Dreh- und Angelpunkt der bewaffneten Provokationen, die zum Staatsstreich vom Februar 2014 führten und dann zur Bildung der neuen Regierung, die aus den Barrikaden hervorging. In einem Telefongespräch, das später aufgedeckt wurde, rief sie "Fuck the EU", um ihre Verärgerung über die europäischen Führer auszudrücken, die beim Umsturz der ukrainischen Macht als zu weich angesehen wurden.

Es ist diese delikate Diplomatin, die nun in einer Schlüsselposition wiederauftaucht. Zwar haben westliche Führer nach dem Abgang Trumps sicherlich mächtig aufgeatmet. Doch während die einen bedingungslos auf der Seite Washingtons stehen, ist anderen klar – vor allem in Berlin und Paris (in unterschiedlichen wirtschaftlichen und strategischen Zusammenhängen) –, dass hinter den polierten Worten ausschließlich US-amerikanische Interessen die Politik von Uncle Sam bestimmen und eine Reihe von Konflikten anstehen: geostrategische (Gaspipeline Nord Stream 2, Iran ...) und vor allem kommerzielle.

Auf der Suche nach der europäischen Weltmacht liegt die Lösung in Rivalität und Konfrontation 

Der französische Präsident Emmanuel Macron fordert seinerseits "europäische Souveränität", und einige in Brüssel hören nicht auf, von einer geeinten Europäischen Union zu träumen, die sich als Weltmacht profilieren kann. Auch wenn diese Perspektive heute illusorisch erscheint, trägt dieser Wunsch zum Schlimmsten bei: zur Verschärfung der Logik von Rivalität und Konfrontation – wirtschaftlich, strategisch, militärisch. Zum Nachteil der Zusammenarbeit zwischen gleichberechtigten und souveränen Staaten.

Kurzfristig jedenfalls können die internationalen Beziehungen durchaus einige Turbulenzen erleben, die nicht wirklich beruhigend sind.

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