Dr. Gniffkes Macht um Acht: Im Wortschwall den Verstand ersäuft

Der frühere Tagesschau-Redakteur Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer, Ex-Vorsitzender des ver.di-Betriebsverbandes NDR rechnen auf RT Deutsch mit der "distanzlosen und konformistischen" ARD-Berichterstattung zum G7-Gipfel im kanadischen La Malbaie ab.
Dr. Gniffkes Macht um Acht: Im Wortschwall den Verstand ersäuftQuelle: Reuters

von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Sprache ist bekanntlich ein Schlüssel des Denkens. Sie verrät deshalb auch das Nicht-Denken. Erweislich zum Beispiel beim Abfassen dieses Glanzstücks von Titel:

Das gelähmte Treffen der Weltenlenker.

Schiefe Sprachbilder, verkorkste Grammatik, verarmte Idiomatik, verbogene Syntax: Alle diese Besonderheiten würde man der Tagesschau nachsehen, wenn sie trotzdem wenigstens halbwegs ihrem staatsvertraglichen (=gesetzlichen) Auftrag gerecht würde: sauber informieren und die Zuschauer in die Lage versetzen, sich ein sachgerechtes Urteil übers Weltgeschehen zu bilden. Stattdessen jedoch lieferte sie auch vom sogenannten G7-Gipfel in Kanada nur säckeweise Absonderungen aus der Floskelfabrik.

Diese hier zum Beispiel:

Sechs Staaten präsentierten ihre Zahlen, und Trump präsentierte seine. Er habe sich nicht bewegt, heißt es. Im Kern ist es so, dass Trump Wirtschaft für ein Null-Summen-Spiel hält.)

Sind wir jetzt im Bilde? Die fraglichen Zahlen werden nicht genannt, konkrete Fakten ebenfalls nicht. Geboten wird regierungsfromme Meinung anstelle von Information: Trump sei ein Trampel, weil er seine geschniegelten Wertegemeinschaftskumpel der G7 ständig brüskiere. Die Überlegung, ob die übrigen WWG-Repräsentanten die grobe Behandlung nicht herausgefordert und weidlich verdient hatten, durfte nicht aufkommen. Dabei weiß doch jeder: Wer einen Bückling macht, offeriert seinen Hintern für einen kräftigen Tritt in den nämlichen ...

Im russophoben deutschen Medienzirkus fand besondere Erwähnung (im Unterton von Entrüstung), dass Trump seine Kollegen damit foppte, er wolle Präsident Putin wieder in das erlauchte Gremium holen, aus der G7 wieder die alte G8 zu machen. Statt der Rationalität dieser Trump-Idee nachzugehen, beschränkte sich unsere Qualitäts-Journaille darauf, Kanzlerin Merkels Protest wiederzugeben:

Hier sind wir uns einig, dass eine Rückkehr Russlands zum G7 Format nicht erfolgen kann, so lange nicht substanzielle Fortschritte im Blick auf die Probleme mit der Ukraine erreicht worden sind.

Und keine Nachfrage, ob zu den Problemen der Ukraine nicht auch Deutschland kräftig beigetragen habe, per Teilnahme am subversiven Foulspiel der USA mittels deren EU- und NATO-Instrumentarium...

Distanzlose konformistische Gipfelberichterstattung. Auch im Zusammenhang mit dem Krieg um die Köpfe:

So soll ein gemeinsames Abwehrsystem es ermöglichen, deutlich schneller dem Verdacht von Wahlmanipulation und ausländischem Einfluss auf die Demokratien nachzugehen.

Dem Verdacht gegen Russland, wohlgemerkt; als ob sich nicht gerade erst James Clapper, vormals oberster Chef der 16 US-Geheimdienste, umfassend über die Einmischung der US-Regierungen in andere Länder („regime change“-Politik) geäußert hätte: Es sei den Vereinigten Staaten freilich „immer nur um das Wohl der Bürger“ der jeweiligen Länder gegangen,

wenn wir versuchten, Wahlen zu manipulieren oder zu beeinflussen oder sogar Regierungen zu kippen.

Was so ein tumber Meinungs-Nachrichtenjournalist von echtem ARD-Schrot und Korn ist, zeigte der transatlantische Musterknabe Georg Schwarte:

Der US-Präsident gibt die Mimose und zieht seine Zustimmung zum G7-Papier zurück. Zwei Jahre G7, 42 Jahre Wertegemeinschaft. Für diesen amerikanischen Präsidenten ist die faktische Aufkündigung der Gemeinsamkeiten mit dieser Wertegemeinschaft ein Tweet wert. Die Welt darf sich getrost fragen, ob der Mann im Weißen Haus noch bei Trost ist. Donald Trump. Der Sitzriese mit dem Talent zum vollendeten Timing von Unverschämtheiten.

Könnte es sein, dass vielmehr diejenigen nicht ganz bei Trost sind, die sich Trumps Unverschämtheiten bieten lassen – und dass auch ein Trump gute Gründe hat, sich lieber selbst per Tweet zu äußern, als seine Aussagen der Berichterstattung journalistischer Knallchargen anzuvertrauen?

Über das Abschlusspapier – kurze Zeit vorher von ARD-aktuell trotz seiner unstrittigen Dürftigkeit noch hervorgehoben – äußert dieser Schwarte:

Die jetzt von Trump mit großem Tusch aufgekündigte Abschlusserklärung, sie war ohnehin ein schlechter Witz. Der gemeinsame Nenner, er konnte gar nicht klein genug sein.

Stilkünstler Schwartes Urteil, es konnte gar nicht bescheuert genug formuliert werden.

Die G7 als "Wertegemeinschaft" auszugeben gehört zum Propaganda-Arsenal der Tagesschau und der Tagesthemen. Werte? Die zahllosen Aggressionsakte und Verbrechen der USA, die verdeckten und offenen Kriege, eine Aufzählung nicht erst zu beginnen mit Afghanistan und fortzuführen mit Iran, Irak, Somalia, Sudan, Libyen, Syrien, Jemen? Die tausendfachen Drohnenmorde, Ausschnüffeln von Spitzenpolitikern, Unterstützung von korrupten Regierungen wie El Salvador, Brasilien oder Argentinien? Lügen über angebliche Giftgasverbrechen zur „Rechtfertigung“ der eigenen Subversion und Aggression? Wüste Nervengift-Märchen als Politik-Ersatz? Arbeitslosigkeit und Armut im eigenen Land? Wo, bitte, lässt ARD-aktuell professionelle Distanz zu all dem erkennen? Wo Respekt vor seinem Millionenpublikum, dem permanent veralberten?

Über das Parallel-Treffen der "Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit", SCO in Qingdao, China, berichtet die ARD-aktuell-Redaktion in ganz anderer Diktion: Nicht um "Werte" gehe es da, sondern um "Interessen" (natürlich illegitime, wird unterschwellig angedeutet). Golineh Atai, russophobe Vorfeldaktivistin der ARD, von einem Geistesblitz nach dem anderen getroffen:

Besonders Russland versucht, das Treffen als Konkurrenzveranstaltung etwa zu G7 zu präsentieren. Seit Russlands Destabilisierung der Ukraine und den darauffolgenden westlichen Sanktionen muss Moskau in Asien nach politischer Legitimität suchen, um sich als Weltmacht zu positionieren.

Nicht einmal die USA selbst leugnen, den Putsch in Kiew (regime change!) finanziert und organisiert zu haben, doch eine Atai ficht das nicht an. Es kratzt sie auch die Beweisnot bei ihrer Behauptung nicht, dass Russland in dem Treffen in China eine Konkurrenzveranstaltung zum G7-Gipfel in Kanada sehe. Was braucht es noch Sachlichkeit und Argumente, wenn man die „richtige“ Meinung hat? Da lässt eine Atai auch schon mal weg, was die Schwachsinnsharmonie der WWG stören könnte. Beispielsweise dieses Zitat des russischen Präsidenten Putin, es datiert vom Treffen in Shanghai und bezog sich auf den angeblichen Giftanschlag auf Vater und Tochter Skripal:

... haben alle (beim G7-Gipfel) in Bezug auf das Ereignis in Salisbury Solidarität mit London gezeigt. Wieder wurde nichts Konkretes gesagt. ... Ich denke, wir müssen all dieses kreative Gelaber beenden und zu konkreten Fragen übergehen, die mit der realen Kooperation verbunden sind.

Putin bezog sich auf das Gelaber westlicher Politiker. Für Leute wie Atai, Schwarte oder ARD-aktuell-Chefredakteur Gniffke hat er keine Zeit. Umso aufmerksamer sollten wir Zuschauer das Gelaber dieser Hetzpropagandisten beobachten.

Quellen:

https://www.tagesschau.de/ausland/g7-abschlusserklaerung-101.html

https://kenfm.de/tagesdosis-8-6-2018-us-geheimdienstwitz-des-tages/

https://www.heise.de/tp/features/G-7-Einig-bei-Vorwuerfen-gegen-Russlands-Destabilisierungsmassnahmen-4075291.html

https://www.tagesschau.de/kommentar/g7-kommentar-schwarte-101.html

https://www.tagesschau.de/ausland/sco-gipfel-101.html

Das Autoren-Team:

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 im NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1985 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni in Taipeh.

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden zumeist auf der Seite http://forum.publikumskonferenz.de/dokumentiert.

 

 

 

 

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