Nordamerika

Nach US-Schusswaffenmassaker: Populistische Forderungen nach "Anti-Terror-Krieg"

Mehrere Tage nach den verheerenden Bluttaten in Dayton und El Paso werden die Rufe nach einem rigorosen Vorgehen gegen inländische "Terroristen" lauter. Laut Beobachtern fehlt es jedoch nicht an den Mitteln, sondern am Willen, sich dem Terror-Problem zu stellen.
Nach US-Schusswaffenmassaker: Populistische Forderungen nach "Anti-Terror-Krieg"Quelle: AFP © Joel Angel Juarez

Nach den verheerenden Schussattacken in El Paso und Dayton wächst der Druck auf US-Präsident Donald Trump, eine Verschärfung der Waffengesetze im Land auf den Weg zu bringen. Bei Besuchen des Präsidenten in den beiden Städten am Mittwoch forderten Politiker eindringlich strikte Hintergrundchecks für Waffenkäufer und ein Verbot von Sturmgewehren im Land. Trump äußerte sich aufgeschlossen für Hintergrundprüfungen für Waffenbesitzer, ließ aber offen in welchem Umfang.

In El Paso an der Grenze zu Mexiko hatte ein Schütze am Samstag in einem Einkaufszentrum um sich gefeuert. Insgesamt kamen 22 Menschen ums Leben. Die Ermittler gehen von einem rassistischen Hintergrund aus. Der mutmaßliche Täter, ein 21-jähriger Weißer, ergab sich der Polizei und ist in Gewahrsam. In der Nacht zum Sonntag hatte in Dayton ein weiterer Schütze neun Menschen getötet. Das Motiv des 24 Jahre alten Täters ist bislang unklar. Der Mann wurde von der Polizei erschossen.

Wir halten das für einen Terrorakt gegen die mexikanisch-amerikanische Gemeinschaft und die Mexikaner in den Vereinigten Staaten", kommentierte der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard die Massaker.

Neben strengeren Regeln für Waffenkäufe werden auch Forderungen danach laut, den sogenannten "Krieg gegen den Terror" neu zu justieren. Sechs ehemalige Direktoren für Terrorismus-Bekämpfung des Nationalen Sicherheitsrates fügten ihre Namen einer Erklärung hinzu, in der die Trump-Administration aufgefordert wird, den "inländischen Terrorismus mit der gleichen Dringlichkeit, den gleichen Ressourcen und der gleichen strategischen Vision anzugehen wie nach dem 11. September zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus". Andere waren in ihren Forderungen noch etwas direkter. Der ehemalige US-Botschafter in Russland, Michael McFaul, forderte in einem jetzt gelöschten Tweet:

Also können wir bitte jetzt zu Hause einen Krieg gegen den Terrorismus beginnen?

Doch was verspricht sich der Diplomat von einem solchen Vorgehen? Gut gemeint, ist nicht zwingend auch gut durchdacht. Im Übrigen dürfte die Forderung einem nicht geringen Teil der US-Bevölkerung zudem bitter aufstoßen. So etwa den Millionen Muslimen im Land, für die der fragwürdige Krieg gegen den Terror nach innen bereits seit Jahren Realität ist – mit all seinen nicht gerade zielführenden Konsequenzen. Zu diesen zählen nicht nur die kollektive Verdächtigung aller Muslime, sondern auch die Infiltrierung der muslimischen Gemeinden und unter anderem die Militarisierung der Strafverfolgungsbehörden im gesamten Land.

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Nach außen ist der grandiose Fehlschlag des Anti-Terror-Kriegs noch wesentlich offensichtlicher. Ganze Länder und Regionen wurden in dessen Namen in Schutt und Asche gelegt und wohl besonders fatal: Der vollkommen entfesselte Krieg gegen den Terror erwies sich als globales Terror-Zuchtprogramm.

Die letzten 18 Jahre haben uns gezeigt, dass die bestehenden Terror-Behörden dazu benutzt wurden und werden, auf die Gemeinschaften der farbigen [Bevölkerung] und andere marginalisierte Gemeinschaften zu zielen", erklärte etwa Hina Shamsi, Direktorin der American Civil Liberties Union (ACLU), in einem Interview. "Sie haben zu voreingenommenen, überbordenden Verdächtigungen geführt, die die Grundrechte von Minderheiten verletzen, die Schutzmaßnahmen und Reformen gefordert haben, ohne sie zu bekommen.

Dennoch, der Ruf nach einer Erweiterung der Strafverfolgungskompetenzen wird lauter, auch seitens der entsprechenden Behörden selbst. So etwa forderte die Vereinigung der FBI-Agenten (FBI Agents Association) am Dienstag vor dem US-Kongress eine föderale Gesetzgebung gegen "heimischen Terrorismus". Dies, so die Herleitung, "würde gewährleisten, dass die FBI-Agenten und Staatsanwälte die besten Werkzeuge zur Bekämpfung des inländischen Terrorismus haben."

In dieser Argumentation sehen Beobachter jedoch ein weiteres Problem. Wie die Recherche- und Investigativplattform The Intercept berichtet, läge das Problem nicht darin, dass es etwa dem FBI an den nötigen Mitteln fehle, um effektiv gegen inländischen Terror vorzugehen, sondern in der "Weigerung, die Werkzeuge zu benutzen, die sie für Fälle rechtsextremer Gewalt bereits besitzen."

Diese Ansicht vertritt ebenfalls der ehemalige FBI-Agent und Autor Michael German.

Es ist diese Art von semantischem Spiel, das sie spielen, dass wir kein nationales Terrorismus-Gesetz haben. Ja, das haben wir. Wir haben 52 davon", erläutert der Autor des erscheinenden Buchs "Disrupt, Discredit, and Divide: How the FBI Damages Democracy".

Als aktiver FBI-Agent infiltrierte German sogenannte "White Power"-Gruppierungen.

Als ich in den 1990er Jahren undercover an diesen Fällen arbeitete, kam niemand auf die Idee, dass wir keine [entsprechenden, Anm. d. Red.] Gesetze hätten", so der ehemalige FBI-Agent.

Seit dem 11. September rangiert die "Terrorismus-Bekämpfung" ganz oben auf der Prioritätenliste des FBI, und doch "wissen sie nicht, wie viele Menschen jedes Jahr von weißen Rassisten getötet werden. Sie machen sich nicht einmal die Mühe, sie zu zählen, noch weniger, wie viele gewalttätige Organisationen für die weiße Vorherrschaft (White Supremacy) in den Vereinigten Staaten aktiv sind," gibt German seine Erfahrungen wieder.

Laut German liegt das Problem vor allem an der strukturellen Verweigerungshaltung des FBI, gegenüber der Gewalt aus den Reihen sogenannter weißer Nationalisten mit der gleichen Konsequenz wie gegenüber dunkelhäutigen Terror-Verdächtigen vorzugehen. Wenn das FBI im Fall des inländischen Terrorismus glaubwürdige Anstrengungen unternommen und seine bereits vorhandenen Befugnisse genutzt hätte, "könnte es [das FBI, Anm. d. Red.] einer wahrlich gefährlichen und gewaltsamen Bewegung Herr werden", ist German überzeugt.

Dies sieht auch der ehemalige FBI-Agent so.

Ich denke, dass der Krieg gegen den Terror selbst einer gescheiterten Methodik entspricht, die viel von der Angst, Wut und Feindlichkeit angetrieben hat, die sich nun im weißen Nationalismus kristallisiert", ist German überzeugt.

Den Krieg gegen den Terror nun auch auf weiße Nationalisten auszudehnen, kann daher als Verwechslung von Ursache und Wirkung aufgefasst werden. Eine populistische, aber konterproduktive Maßnahme, die das Problem eher verschlimmern als zur Lösung beitragen dürfte.

Kritiker werfen US-Präsident Trump derweil vor, mit seiner Rhetorik gegen Migranten den Rassismus im Land zu befeuern. Sie sehen eine Mitschuld Trumps an der rassistisch motivierten Attacke von El Paso. Der mutmaßliche Täter dort soll seinen Angriff "als Antwort auf die hispanische Invasion in Texas" bezeichnet haben. Trump hatte die Eindämmung illegaler Einwanderung über die Grenze zu Mexiko zu seiner Priorität gemacht und dabei selbst öfter von "Invasion" gesprochen.

Was auch sehr wichtig ist und selten erwähnt wird, ist, wie Mainstream-Politiker beider Lager über Monate die Rhetorik normalisiert haben", analysiert The Intercept.

Den Fokus allein auf die Äußerungen von US-Präsident Donald Trump zu legen und als alleinige Ursache für aktuelle und zukünftige terroristische Taten innerhalb der USA zu betrachten, ist zu eng gefasst und wird der Tiefe der Problematik nicht gerecht.

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