Nordamerika

Geschafft: Frauen haben Führung des militärisch-industriellen Komplexes übernommen

An der Spitze der US-Waffenindustrie haben erstmals Frauen das Ruder übernommen. Doch auch auf der anderen Seite, dem Pentagon, gibt das weibliche Geschlecht immer mehr den Ton an. Leider scheint dies die Welt nicht zu einem besseren Ort zu machen.
Geschafft: Frauen haben Führung des militärisch-industriellen Komplexes übernommenQuelle: Reuters

Das Kriegshandwerk mit aller damit verbundenen Macht und Gewalt gilt nach wie vor als Männerdomäne. Doch in den USA hat sich in den letzten Jahren ein schleichender Wandel vollzogen, denn auch bei den größten US-Waffenkonzernen erobern immer mehr Frauen die Chefetagen. Am Stichtag 1. Januar stellten Frauen die Geschäftsführung bei vier der fünf größten US-Waffenkonzerne. Bei diesen handelt es sich um Northrop Grumman, Lockheed Martin, General Dynamics und die Verteidigungssparte des Konzerns Boeing.

Doch auch auf der anderen Seite des Verhandlungstisches, dem Pentagon, haben immer mehr Frauen das Sagen, wenn es etwa um staatlichen Waffenhandel oder Fragen der Rüstungskontrolle geht.

Laut der Vorstandsvorsitzenden und Präsidentin des weltweit größten Rüstungskonzerns Lockheed Martin Marillyn Hewson, führte dieser "Erfolg" auch zur "Beruhigung dieser kleinen Stimme im Kopf, die daran zweifelt, ob man den nächsten Job machen oder diese spezielle Aufgabe übernehmen kann".

Ich denke, es gibt eine kritische Masse, in der Sie genügend Frauen haben, um sie auch zu bemerken", sagte Rachel McCaffrey, Oberst der Luftwaffe im Ruhestand.

McCaffrey ist zudem Geschäftsführerin von "Women in Defense", einer Organisation für Karriereentwicklung und Networking, die mit der National Defense Industrial Association verbunden ist.

Zur Geschichte der geschlechterspezifischen Karriereentwicklung zählt nun auch, dass Frauen die größte Rüstungsmaschinerie der Welt lenken. Doch wie ist es um den vermeintlichen "weiblichen Führungsstil" bestellt?

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Fast ein Dutzend der weiblichen Spitzenfachkräfte gaben an, dass mehr Frauen an der Spitze von Unternehmen und Verteidigungsbehörden diese "in großer und kleiner Weise" beeinflussten. So etwa, wenn es um die Infragestellung veralteter Grundsätze über den intelligentesten Weg gehe, Waffen zu entwickeln und Dienstleistungen für das Militär zu erbringen. Auch bei Verhandlungen etwa über den Kauf von Flugzeugen, Panzern, Raketen und Schiffen brächten Frauen ein anderes Gespür mit.

Am Ende würden auch sie bzw. ihre "Perspektiven" gebraucht, um sich "einer Vielzahl hochkomplexer globaler Herausforderungen am Horizont" zu stellen, ansonsten könne auch die vielbeschworene "nationale Sicherheit" nicht weiter gewährleistet werden.

Für mich ist es ein Problem der nationalen Sicherheit. Wir brauchen jeden Verstand, jede engagierte Person – männlich, weiblich, gleich welcher Herkunft oder welchen Erfahrungsniveaus", ist etwa Lynn Dugle überzeugt.

Dugle ist ehemalige Vizepräsidentin der Waffenschmiede Raytheon und heutige Geschäftsführerin von Engility, einem Ingenieur- und IT-Dienstleistungsunternehmen, das im vergangenen Jahr mehr als 750 Millionen US-Dollar bei Geschäften mit Verteidigungsunternehmen und Nachrichtendiensten einstrich.

Auf lange Sicht müssen wir sicherstellen, dass Talente sich durchsetzen", so das Credo der Spitzenfachkraft.

Dabei tue sich insbesondere die "Gemeinschaft der Nachrichtendienste" dabei hervor, Leistung zu belohnen, und das unabhängig von Hautfarbe, Glauben oder Geschlecht. Diese Ansicht vertritt zumindest Kathleen Hicks, Vizepräsidentin am "Center for Strategic and International Studies".

Wann immer Sie eine Meritokratie haben, ebnen sie das Spielfeld ein. Es ist ein Feld, das im Großen und Ganzen eine Leistungsgesellschaft ist. Es belohnt Verdienste. Es läuft zwar nicht immer so, aber es ist sicherlich ein Feld, auf dem Resultate sehr viel zählen", erläutert Hicks, die auch als stellvertretende Hauptunterstaatssekretärin der Verteidigung in der Obama-Regierung firmierte.

Eine weitere hochqualifizierte Frau, die es in diesem System weit nach oben gebracht hat, ist die Armeeoffizierin Andrea Thompson. Unter Trump nunmehr Staatssekretärin für Rüstungskontrolle und Angelegenheiten der internationalen Sicherheit, ist Thompson für die Prüfung von US-Rüstungsverkäufen und internationale Rüstungsabkommen mitverantwortlich.

Ich sage den Leuten, dass einer der positiven Aspekte des Dienens [in der Armee] Chancengleichheit und gleiche Bezahlung ist. Oft war ich die einzige Frau im Raum. Aber ich wurde immer auf Augenhöhe behandelt", freut sich Thompson über die ihr entgegengebrachte Akzeptanz.

Lisa Gordon-Hagerty wiederum ist die erste Frau, die der "National Nuclear Security Administration" vorsteht, also der Abteilung des US-Energieministeriums, die für den Bau von Atomwaffen verantwortlich ist. Auch sie ist angekommen an der Spitze der Leistungsgesellschaft und teilt ihre Erfahrung von Geschlechterblindheit aufgrund ausgezeichneter Leistungsbereitschaft.

So erinnert sie sich in einem Interview daran, dass auch sie einst die einzige Frau in einem Raum voller Männer war, doch demnach nahm sie diesen Umstand nicht einmal wahr, bis sie jemand darauf hinwies.

Nach einer Weile war das Geschlecht kein Thema mehr. Es ging um die Qualifikation der Leute, die am Tisch sitzen", schildert sie ihre ganz eigene Erfahrung.

Der Nährboden der beschriebenen Entwicklung ist das zunehmend erfolgreiche Vordringen des weiblichen Geschlechts in eine weitere Männerdomäne, die sogenannten STEM-Fächer (Science, Technology, Engineering, Mathematics). Durch den erfolgreichen Abschluss in einem dieser Fächer qualifiziert man sich für Höheres – wie eben die Verteidigung der "nationalen Sicherheit".

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"Jede dieser unglaublichen Frauen kann auf Arbeitserfahrung im STEM-Bereich verweisen. Dort lernst du auch, wie man scheitert. Die Leute denken nicht an das Scheitern oder die Enttäuschung, die sie auf ihrem Weg hatten. Das macht den Unterschied aus zwischen Frauen, die es schaffen, und denen, die es nicht tun", erläutert Karen Panetta, Dekanin der Graduiertenausbildung an der Tufts University School of Engineering.

Doch es gibt sie, die speziellen Herausforderungen, mit denen Frauen in machtvoller Position konfrontiert sind:

Wir alle wissen, dass keine Organisation perfekt ist. Du wirst belästigt. Die Kehrseite der Medaille des Vertrauens bei Frauen ist, dass in vielen Fällen selbstbewusste, durchsetzungsstarke Frauen, ich werde offen sein, als zickig gelten. Also findest du die richtige Balance, selbstbewusst und durchsetzungsfähig zu sein und gleichzeitig als zugänglich zu gelten", erläutert der bereits erwähnte weibliche Oberst McCaffrey den schmalen Grad, um es als Frau auf der Karriereleiter ganz nach oben zu schaffen.

Diese Taktik zahlt sich offensichtlich aus. So wurde etwa Kathy Warden, die bereits zuvor eine Reihe von Führungspositionen bei General Dynamics und anderen High-Tech-Firmen innehatte, Geschäftsführerin bei Northrop Grumman, dem viertgrößten Auftragnehmer des Pentagons im Jahr 2017.

Damit befindet sie sich nun auf Augenhöhe mit Marillyn Hewson, der Geschäftsführerin von Lockheed Martin, die dem Rüstungskonzern vor mehr als drei Jahrzehnten als Wirtschaftsingenieur beitrat.

Phebe Novakovic, eine ehemalige CIA-Mitarbeiterin, hat es zur Geschäftsführerin von General Dynamics gebracht, während Leanne Caret nun die Abteilung Verteidigung, Raumfahrt und Sicherheit bei Boeing leitet.

Wir brauchen Frauen und Männer, die wirklich schwierige Aufgaben bewältigen können, ohne ihr Selbstwertgefühl oder ihren Humor zu verlieren", ist sich Caret sicher.

Für die einen mögen die beschriebenen Karrieren den "American Dream" schlechthin und einen weiteren Erfolg im "Geschlechterkampf" darstellen. Die anderen mögen lediglich ein weitere Beispiele für die Einspeisung auch des weiblichen Geschlechts in das Hamsterrad des entfesselten Turbokapitalismus erkennen. Ein streng hierarchisches System, dass sich lediglich zum eigenen Vorteil weiter ausdifferenziert und einen unstillbaren Hunger nach frischem Humankapital besitzt. Dabei gelten gleichen Chancen für alle. Spitzenleistung bedeutet hier nicht selten, sich und andere zugrunde zu richten - und es mit Humor zu nehmen.

Es stellt sich die Frage, worin der tatsächliche emanzipatorische Erfolg besteht, wenn die gesellschaftlichen Fesseln der Geschlechterrollen lediglich durch die der liberalen Leistungsgesellschaft ersetzt werden. Willkommen im Club.

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