Nordamerika

Fortsetzung imperialer Traditionen: US-Todesschwadronen in Afghanistan

Die dunkle Geschichte von Todesschwadronen in Afghanistan im Dienste der CIA, kürzlich von The Intercept aufgedeckt, folgt einem sehr langen Muster der US-Außenpolitik, das bis in die 1960er-Jahre und noch länger zurückreicht – und das seinerzeit Kolonialreiche prägten.
Fortsetzung imperialer Traditionen: US-Todesschwadronen in AfghanistanQuelle: Reuters © James Mackenzie/Reuters

von Daniel Kovalik

Laut The Intercept "entfesselten afghanische Agenten, von denen angenommen wird, dass sie zu einer von der CIA ausgebildeten paramilitärischen Eliteeinheit namens 01 gehören, vom Dezember 2018 und mindestens ein Jahr lang in Zusammenarbeit mit US-Spezialkräften und Luftstreitkräften eine Terrorkampagne gegen Zivilisten." Diese Einheit führte nächtliche Razzien durch, bei denen sie Berichten zufolge Zivilisten tötete – darunter auch Kinder. Allein bei einem nächtlichen Überfall auf eine Madrasa (in diesem Fall eine religiöse Schule) wurden 12 Kinder getötet.

Der Einsatz solcher Todesschwadronen für Morde an Zivilisten ist schockierend. Doch er ist keineswegs überraschend – bedenkt man, dass die USA seit Langem Todesschwadronen einsetzen, um aufständische Bewegungen in den Entwicklungsländern zu zerschlagen. In der Tat kann man sogar sagen, dass dies für die USA eine Standardprozedur ist.

Die Idee für den modernen Einsatz von Todesschwadronen geht auf die frühen 1960er-Jahre zurück. Damals konzipierte der General der US-Armee William P. Yarborough zum ersten Mal ihren Einsatz zur Durchsetzung von US-Wirtschaftsinteressen: Sie sollten die fortschrittlichen sozialen Bewegungen in Lateinamerika gewaltsam zerstören, die zu dieser Zeit als Reaktion auf die kubanische Revolution und das Zweite Vatikanische Konzil, das den Aufstieg einer Befreiungstheologie inspirierte und den Fokus auf die Lebensverbesserung der Armen setzte, entstanden.

Wie ein Artikel des Wilson Centers jedoch feststellt, entstand die Idee der Todesschwadronen sogar noch weit früher als in den 1960er-Jahre. Sie spiegelt "Jahrzehnte angesammelter Erfahrung wider, beginnend mit den Bemühungen der USA, die Unabhängigkeit der Philippinen nach dem Krieg von 1898 zu verhindern. Sie spiegelt auch europäische imperiale Praktiken wider, darunter die der Briten in Britisch-Malaya und der Franzosen in Algerien."

General Yarboroughs Idee einer Institutionalisierung von Todesschwadronen in der modernen Ära war von dem Wunsch motiviert, die wachsenden Menschenrechtsbedenken der internationalen Gemeinschaft zu umgehen – dafür wollte er inoffizielle, geheime Militäreinheiten einsetzen, die sowohl der US-Regierung als auch den Regierungen der US-Klientenstaaten eine plausible Abstreitbarkeit bieten konnten. Mit anderen Worten wären sie somit – um es mit General Yarboroughs eigenen Worten auszudrücken – eine "versteckte Waffe (...) von angeheuerten Killern", die den schmutzigen Krieg ausführen würden, den die regulären Truppen "offiziell nicht erledigen können".

Die USA würden ihr Todesschwadron-Programm zuerst in Kolumbien ausprobieren, um die dortige progressive Bewegung zu zerstören, die von radikalen Bauern, Gewerkschaftern und katholischen Priestern der Befreiungsbewegung angeführt wurde. Diese Todesschwadronen bestehen bis zum heutigen Tag.

Die USA setzten später auch in anderen lateinamerikanischen Ländern Todesschwadronen ein – der Einsatz in El Salvador ist der berüchtigtste. Am bekanntesten ist, dass die von den USA unterstützten Todesschwadronen in El Salvador im Jahr 1980 den Mord an Erzbischof Óscar Romero, der von Papst Franziskus zum Heiligen erklärt wurde, sowie im Jahr 1989 an sechs Jesuitenpriestern durchführten. Diese öffentlichkeitswirksamen Morde an Geistlichen markierten jeweils den Beginn und das Ende des brutalen salvadorianischen Bürgerkriegs, der 75.000 Salvadorianer das Leben kosten sollte.

Jahrzehntelang setzten die USA auch in Honduras Todesschwadronen ein, um verschiedene linke und progressive Bewegungen dort zu unterdrücken sowie Nachbarstaaten von Honduras – wie etwa Nicaragua mit seiner sandinistisch geführten Regierung – zu schikanieren. Wie der Autor T.J. Coles erklärt, begannen die USA unter Präsident Ronald Reagan

"Operationen der psychologischen Kriegsführung gegen die einheimische Linke in Honduras. Dabei wurde eine polizeiliche Sondereinheit in eine militärische Aufklärungseinheit umgewandelt, die sich der Entführung, Folter und des Mordes schuldig machte: das Bataillon 316. Durch das Herbeiführen eines Klimas der Angst unter Arbeitern, Gewerkschaftsführern, Intellektuellen und Menschenrechtsanwälten kann man sicherstellen, dass fortschrittliche Ideen wie eine gute Gesundheitsversorgung, kostenlose Bildung und ein angemessener Lebensstandard nicht Fuß fassen können."

Während das Bataillon 316 in den frühen 1990er-Jahren aufgelöst wurde, schufen die USA nach dem erfolgreichen, von ihnen unterstützten Putsch in Honduras vom Jahr 1989 eine neue Todesschwadron. Diese sollte linke Anti-Putsch-Gruppen in dem Land unterdrücken. Wie Coles erklärt, wurde mit finanzieller Unterstützung des Südlichen Kommandos der USA "in der Nähe von Lepaterique die 250 Mann starke Special Response Security Unit (TIGRES) gegründet. Die TIGRES werden von den U.S. Green Berets oder der 7th Special Forces Group (Luftlandetruppen) ausgebildet und vom U.S. Army War College als 'paramilitärische Polizeitruppe' klassifiziert." Auch heute noch operieren die TIGRES mit erheblicher US-Unterstützung in Honduras.

Aber die USA beschränkten ihren Einsatz von Todesschwadronen nicht auf Lateinamerika. So setzten sie auch in Vietnam Todesschwadronen im Rahmen des berüchtigten Phoenix-Programms der CIA ein, die etwa 20.000 Vietnamesen ermordeten.

Höhepunkt des Zynismus im Irak

Nach ihrer Irak-Invasion im Jahr 2003 setzten die USA auch dort Todesschwadronen ein. Sie bezeichneten ihr dortiges Programm offen als die "Salvador-Option". Im Irak ließen sich die USA ihre "Salvador-Option" ominöserweise ausgerechnet vom pensionierten US-Oberst Jim Steele umsetzen, der auch schon in den 1980er-Jahren geholfen hatte, ein Todesschwadronen-Programm zu entwickeln – und zwar das für El Salvador.

Im Irak setzten die USA schiitische Todesschwadronen gegen "die sunnitische Bevölkerung sowie die Aufständischen und ihre Unterstützer und jeden anderen, der das Pech hatte, ihnen in die Quere zu kommen, ein. Es war eine klassische Operation zur Aufstandsbekämpfung", berichtete der Guardian. "Damit ließ man aber auch einen mörderischen, sektiererischer Geist aus der Flasche. Die Folgen für die irakische Gesellschaft würden katastrophal sein. Auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs zwei Jahre später sammelte man 3.000 Leichen pro Monat in den Straßen des Iraks auf – viele von ihnen unschuldige Zivilisten dieses sektiererischen Krieges."

Auch in Syrien machten die USA eine Zeit lang von der "Salvador-Option" Gebrauch, um die Assad-Regierung dort zu destabilisieren.

Die jüngsten Enthüllungen über die von der CIA unterstützte Todesschwadron in Afghanistan zeigen, dass dieses tödliche imperiale Projekt der USA auch im 21. Jahrhundert fortgesetzt wird. Dieses Projekt ist ein zutiefst reaktionäres – es zielt darauf ab, unabhängige, antikoloniale Bewegungen zu unterdrücken, die oft das Ziel verfolgen, wirtschaftlich gerechtere und insgesamt fairere Gesellschaften aufzubauen.

Bei all ihrer Großmäulerei über ihr angebliches Verfechten von Menschenrechten und ihre angebliche Verbreitung von Demokratie in der ganzen Welt bleiben die USA im Grunde die weltweit herausragende Kraft in einem Kampf gegen jegliche nationale Befreiung – und die Mittel, die sie verwenden, um dieses rückschrittliche Projekt auszuführen, sind nichts weniger als entsetzlich.

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Übersetzt aus dem EnglischenDaniel Kovalik lehrt Internationale Menschenrechte an der University of Pittsburgh School of Law und ist Autor des kürzlich erschienenen Buches: No More War: How the West Violates International Law by Using "Humanitarian" Intervention to Advance Economic and Strategic Interests

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